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BGH - Entscheidung vom 21.07.2008

AnwZ (B) 53/07

Normen:
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7

BGH, Beschluß vom 21.07.2008 - Aktenzeichen AnwZ (B) 53/07

DRsp Nr. 2008/16136

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfall

1. Von Vermögensverfall eines Rechtsanwalts ist auszugehen, wenn es wegen zahlreicher Forderungen zur Erwirkung von Schuldtiteln und fruchtlosen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gekommen ist.2. Von einer Konsolidierung der Vermögensverhältnisse kann nicht ausgegangen werden, wenn nach Erlass der Widerrufsverfügung weitere Forderungen hinzugekommen sind.

Normenkette:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7 ;

Gründe:

I. Die Antragstellerin ist 1987 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden. Die Antragsgegnerin widerrief die Zulassung mit Bescheid vom 13. Januar 2006 gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls.

Der Anwaltsgerichtshof hat den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde.

II. Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2 , Abs. 4 BRAO ), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Zulassung der Antragstellerin zur Rechtsanwaltschaft ist zu Recht widerrufen worden.

1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Diese Voraussetzungen für den Widerruf waren bei Erlass der angegriffenen Verfügung erfüllt.

a) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall sind die Erwirkung von Schuldtiteln und fruchtlose Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschl. vom 25. März 1991 - AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Beschl. vom 21. November 1994 - AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126; Beschl. v. 26. November 2002 - AnwZ (B) 18/01, NJW 2003, 577 ). Der Widerrufsverfügung lagen die fälligen und vollstreckbaren Forderungen von drei Gläubigern zugrunde, die jedenfalls teilweise auch Gegenstand fruchtloser Zwangsvollstreckungsmaßnahmen waren: R. in Höhe von 2.550 EUR, G. in Höhe 2.700,30 EUR zuzüglich 2.027 EUR Kosten sowie der Antragsgegnerin hinsichtlich des Kammerbeitrags für das Jahr 2003 und der diesbezüglichen Kosten der Zwangsvollstreckung in Höhe von 299,10 EUR, zweier Zwangsgelder in Höhe von jeweils 255 EUR und der Geldbuße aus dem Urteil des Anwaltsgerichts vom 16. April 2004 in Höhe von 1.500 EUR. Daneben bestanden zu jenem Zeitpunkt erst später bekannt gewordene Forderungen der B. Verlagsgruppe, Hauptforderung 1.711,20 EUR, der A. Versicherung, Hauptforderung 2.374,67 EUR und 546,34 EUR titulierte Kosten, und des D. R., Hauptforderung 68,98 EUR.

b) Anhaltspunkte dafür, dass ungeachtet des Vermögensverfalls die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet waren, lagen bei Erlass der Widerrufsverfügung nicht vor. Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer derartigen Gefährdung, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern.

2. Ein nachträglicher Wegfall des Widerrufsgrundes, der im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen wäre (BGHZ 75, 356; 84, 149), liegt nicht vor.

Eine Konsolidierung ihrer Vermögensverhältnisse hat die Antragstellerin nicht dargetan. Zwar sind die Forderungen der Antragsgegnerin und der Gläubiger G., B. Verlagsgruppe und D. R. im Laufe des Verfahrens vollständig beglichen worden, und auf andere Forderungen sind Teilzahlungen entrichtet worden. Zum Teil erfolgten diese Zahlungen im Wege der Schenkung durch den Bruder der Antragstellerin. Von den ursprünglich bei Erlass der Widerrufsverfügung bestehenden Forderungen stehen noch 500 EUR beim Gläubiger R. (per 20. Juni 2007) und 3.524 EUR bei der A. Versicherung offen. Hinzugekommen sind nach Erlass der Widerrufsverfügung eine Forderung der B. GmbH, die noch in Höhe von 1.334,43 EUR valutiert, und eine Forderung der U. R. in Höhe von 4.632 EUR. Zudem bestehen laut einer Mitteilung des Finanzamts H. vom 10. Juli 2007 Steuerrückstände in Höhe von 9.439,92 EUR.

b) Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall nicht (mehr) gefährdet sind. Wie der Bestimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu entnehmen ist, geht der Gesetzgeber grundsätzlich von einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden aus, wenn sich der Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet; dies ist auch in aller Regel der Fall, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern. Diese Gefahr hat sich auch bereits verwirklicht. Durch Berufungsurteil des Landgerichts H. vom 27. März 2003 wurde die Antragstellerin rechtskräftig wegen Untreue zu einer Geldstrafe von neunzig Tagessätzen zu je 30 EUR verurteilt. Sie hatte als Betreuerin von einem Geldbetrag in Höhe von 25.000 DM, der der Betreuten zustand, u. a. rückständige Kanzleimieten beglichen. Das H. Anwaltsgericht hat am 8. April 2004 wegen dieser Untreuehandlung gegen die Antragstellerin wegen schuldhafter Verletzung der Berufspflichten gemäß §§ 43 , 43a , 113 BRAO einen Verweis und eine Geldbuße in Höhe von 1.500 EUR verhängt. Darüber hinaus hat die Antragstellerin im Juni 2003 für ihre Mandantin I. 2.500 EUR vereinnahmt und nicht an diese weitergeleitet; der Bruder der Antragstellerin hat den Betrag zuzüglich Zinsen erst am 19. Dezember 2006 an die Mandantin gezahlt.

Unter diesen Umständen liegt ein Ausnahmefall, in dem der Vermögensverfall die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet, nicht vor.

Vorinstanz: AnwGH Hamburg, vom 29.05.2007 - Vorinstanzaktenzeichen II ZU 4/06