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BGH - Entscheidung vom 10.12.2008

XII ZR 108/05

Normen:
RVG § 18
RVG § 25 Abs. 1
ZPO § 511 Abs. 2

Fundstellen:
FamRB 2009, 143
FamRZ 2009, 495
FuR 2009, 203

BGH, Versäumnisurteil vom 10.12.2008 - Aktenzeichen XII ZR 108/05

DRsp Nr. 2009/2904

Umfang des rechtlichen Gehörs im Zivilverfahren; Rechtsmittelbeschwer bei Verurteilung zur Vorlage ausländischer Steuerbescheide

1. Das Übergehen von Parteivortrag ist nicht zu beanstanden, wenn es nicht entscheidungserheblich ist. 2. Wird nach rechtskräftiger Scheidung einer Ehe ein Zugewinnausgleich geltend gemacht und zunächst mit einer entsprechenden Klage Auskunft über die Vermögensverhältnisse verlangt, und wird weiterhin die beklagte Partei zu einer ihr nicht möglichen Vorlage von ausländischen Steuerbescheiden verurteilt, dann ist bei der Bemessung der Beschwer dieser Partei der zu erwartende Kostenaufwand zu berücksichtigen, der notwendig ist, um mit anwaltlicher Hilfe Vollstreckungsversuche abzuwehren.

Tenor:

Auf die Revision des Antragsgegners wird das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe - 18. Zivilsenat in Freiburg - vom 9. Juni 2005 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Normenkette:

RVG § 18 ; RVG § 25 Abs. 1 ; ZPO § 511 Abs. 2 ;

Tatbestand:

Die mittlerweile rechtskräftig geschiedenen Parteien streiten im Rahmen der Folgesache Güterrecht um den Zugewinnausgleich. In der Auskunftsstufe gab das Familiengericht dem Antrag der Antragstellerin teilweise statt und verurteilte den Antragsgegner durch Teilurteil zur abschließenden Auskunft über sein Endvermögen, zur Angabe der Werte seiner Rechte an in Spanien belegenen Grundstücken sowie zur Vorlage verschiedener diese betreffender Unterlagen, darunter der spanischen Steuerbescheide für das Jahr 1999.

Das Oberlandesgericht verwarf die hiergegen eingelegte Berufung des Antragsgegners durch Urteil als unzulässig mit der Begründung, der Wert der Beschwer des Antragsgegners durch das angefochtene Teilurteil übersteige nicht den Wert von 600 EUR.

Dagegen richtet sich die Revision des Antragsgegners, die der Senat auf Nichtzulassungsbeschwerde zugelassen hat.

Entscheidungsgründe:

Aufgrund der Säumnis der Antragstellerin ist durch Versäumnisurteil zu erkennen, obwohl die Entscheidung nicht auf einer Säumnisfolge beruht (vgl. BGHZ 37, 79 , 82) .

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Das Berufungsgericht hat die Beschwer des Antragsgegners durch seine Verurteilung zur abschließenden Auskunft über sein Endvermögen mit 50 EUR bemessen. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und wird von der Revision auch nicht angegriffen.

Ferner hat das Berufungsgericht den für die Beschwer maßgeblichen Aufwand des Antragsgegners für die Angabe des Wertes seiner Rechte an den Grundstücken und zur Beschaffung der diese betreffenden Grundbuchauszüge mit insgesamt höchstens weiteren 450 EUR zugrunde gelegt.

Darüber hinausgehenden Aufwand hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt. Es geht zwar davon aus, dass die Verurteilung zur Vorlage der spanischen Steuerbescheide für 1999 auf eine unmögliche Leistung gerichtet sei, weil dem Antragsgegner derartige Bescheide nicht zugegangen seien. Gleichwohl sei der Aufwand, der zur Abwehr eines Vollstreckungsversuchs erforderlich sei, hier bei der Bemessung der Beschwer des Antragsgegners ausnahmsweise nicht zu berücksichtigen, weil die Antragstellerin mehrfach habe ankündigen lassen, sie werde insoweit keine Vollstreckung aus dem angefochtenen Teilurteil betreiben.

Das hält den Angriffen der Revision und der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

1.

Ohne Erfolg rügt die Revision allerdings, das Berufungsgericht habe entscheidungserheblichen Sachvortrag des Antragsgegners zu einem den Beschwerdewert erhöhenden besonderen Geheimhaltungsinteresse übergangen. Insoweit habe der Antragsgegner vorgetragen, nur Miteigentümer der Grundstücke zu 1/3 und den anderen Miteigentümern gegenüber zur Rücksichtnahme verpflichtet zu sein. Er müsse befürchten, dass die Antragstellerin, die auch schon gegen ihn eine ungerechtfertigte Anzeige wegen nicht deklarierter Mieteinnahmen aus diesen Grundstücken erstattet habe, entsprechende Maßnahmen gegen die Miteigentümer ergreife, wenn er deren Identität offenbare.

Zumindest im Ergebnis ist nicht zu beanstanden, dass sich das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen mit diesem Vortrag nicht auseinandergesetzt hat. Er ist nämlich nicht entscheidungserheblich, sondern offensichtlich ungeeignet, ein Geheimhaltungsinteresse schlüssig zu begründen. Der Antragsgegner ist nicht verurteilt worden, die Identität seiner Miteigentümer offenzulegen. Soweit diese aus den Grundbuchauszügen oder Erwerbsverträgen ersichtlich sind, zu deren Vorlage er verurteilt wurde, steht es ihm frei, diese Angaben unkenntlich zu machen, da sie für die Zwecke der von ihm verlangten Auskunft ohne Belang sind.

2.

Zu Recht rügt die Revision aber, dass das Berufungsgericht bei der Bemessung der Beschwer nicht den zu erwartenden Kostenaufwand berücksichtigt hat, der notwendig gewesen wäre, um mit anwaltlicher Hilfe Vollstreckungsversuche abzuwehren, soweit der Antragsgegner zur Vorlage der Steuerbescheide 1999 und somit zu einer unmöglichen Leistung verurteilt worden ist (vgl. Senatsurteilevom 11. Juli 2001 - XII ZR 14/00 - FamRZ 2002, 666 , 667 undvom 18. Dezember 1991 - XII ZR 79/91 - FamRZ 1992, 535 , 536 sowie Senatsbeschlüssevom 24. Juni 1992 - XII ZB 56/92 - FamRZ 1993, 45 , 46 undvom 27. November 1991 - XII ZB 102/91 - FamRZ 1992, 425, 426) .

a)

Insoweit bedarf es keiner Entscheidung, ob der Ansicht des Berufungsgerichts zu folgen ist, ein solches die Beschwer des Auskunftspflichtigen erhöhendes Abwehrinteresse entfalle, wenn der im ersten Rechtszug obsiegende Auskunftskläger angekündigt habe, insoweit nicht vollstrecken zu wollen.

Das Berufungsgericht übersieht nämlich, dass für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels und damit auch für die erforderliche Mindestbeschwer stets auf den Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels abzustellen ist und spätere Veränderungen die Zulässigkeit des Rechtsmittels grundsätzlich nicht mehr entfallen lassen können (RGZ 168, 355, 359 ff.; Senatsurteilevom 11. Juli 2001 - XII ZR 14/00 - FamRZ 2002, 666 , 667 undvom 18. Dezember 1991 - XII ZR 79/91 - FamRZ 1992, 535 , 536 sowie Senatsbeschlüssevom 24. Juni 1992 - XII ZB 56/92 - FamRZ 1993, 45 , 46 undvom 8. Juli 1987 - IVb ZB 73/87 -FamRZ 1988, 156).

Hier hatte die Antragstellerin im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 10. Februar 2004 noch auf Vorlage der Steuerbescheide bestanden. Das Berufungsgericht stellt zwar in den Entscheidungsgründen fest, sie habe mehrfach angekündigt, aus dem erstrittenen Teilurteil nicht zu vollstrecken, sofern der Antragsgegner erkläre, Steuerbescheide für 1999 nicht erhalten zu haben. Weder daraus noch den gewechselten Schriftsätzen ist aber zu entnehmen, dass eine solche Ankündigung etwa schon bei Einlegung der Berufung vorgelegen hätte.

b)

Da im Verfahren der Zwangsvollstreckung bis zu 0,6 Anwaltsgebühren (§ 18 Nr. 15 RVG in Verbindung mit VV RVG 3309, 3310) zuzüglich Auslagen (z.B. Post/Telekompauschale, VV RVG 7702) und Mehrwertsteuer anfallen können, belaufen sich die für das Abwehrinteresse des Antragsgegners maßgeblichen Anwaltskosten schon bei einem Gegenstandswert des Vollstreckungsverfahrens von bis zu 2.000 EUR auf mehr als 100 EUR (133 EUR x 0,6 = 79,80 EUR + 19 % MWSt = 94,96 EUR + 20 % Portopauschale). Da sich hier der Gegenstandswert der Zwangsvollstreckung gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG nach dem Wert richtet, den die Vorlage der Steuerbescheide 1999 für die Antragstellerin hat, ist ein Bruchteil des Mehrbetrages zugrundezulegen, den die Antragstellerin sich im Zugewinnausgleich als Folge der Wertsteigerungen der spanischen Immobilien des Antragsgegners erhofft. Angesichts des Umstandes, das sie ein Ausgleichsangebot des Antragsgegners in Höhe von insgesamt 32.000 DM als unzureichend abgelehnt hatte, erscheint die Annahme eines Gegenstandswertes des Vollstreckungsverfahrens von bis zu 2.000 EUR hier jedenfalls nicht zu hoch gegriffen.

3.

Es steht somit nicht fest, dass die Beschwer des Antragsgegners auch bei Berücksichtigung dieses Abwehrinteresses hinter der Berufungssumme des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zurückbleibt. Deshalb ist die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (vgl.Senatsurteil vom 18. Dezember 1991 - XII ZR 79/91 - FamRZ 1992, 535 , 536 a.E.), ohne dass es auf die weiteren Rügen der Revision ankommt.

Vorinstanz: OLG Karlsruhe, vom 09.06.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 18 UF 292/03
Vorinstanz: AG Freiburg, vom 23.10.2003 - Vorinstanzaktenzeichen 43 F 49/02
Fundstellen
FamRB 2009, 143
FamRZ 2009, 495
FuR 2009, 203