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BGH - Entscheidung vom 05.03.2008

5 StR 5/08

Normen:
StPO § 337 Abs. 1

BGH, Beschluß vom 05.03.2008 - Aktenzeichen 5 StR 5/08

DRsp Nr. 2008/6343

Revisionsgerichtliche Überprüfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung; Tatsachengrundlage und Verdacht

Eine nicht tatsachengestützte und nicht mehr als einen Verdacht begründende tatrichterliche Beweiswürdigung hält der revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand.

Normenkette:

StPO § 337 Abs. 1 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit zweifacher vorsätzlicher Körperverletzung, versuchter Nötigung, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch (Einsatzfreiheitsstrafe zwei Jahre und neun Monate) und wegen Beleidigung (Freiheitsstrafe sechs Monate) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg. Auf die - gegen den angenommenen Vorsatz einer versuchten gefährlichen Körperverletzung gerichtete - Verfahrensrüge kommt es nicht mehr an. Die weitergehende Revision ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts verschaffte sich der mittelgradig alkoholisierte Angeklagte entgegen einer zivilgerichtlichen Verfügung gewaltsam Zutritt zur Wohnung seiner Mutter, um von ihr vermeintlich geschuldete 30,00 EUR zu erlangen. Der Angeklagte hat gestanden, seine Mutter - in der Absicht sie zur Zahlung zu veranlassen - mit Faustschlägen niedergeschlagen, sie getreten und gewürgt zu haben. Einem Nothelfer trat er gegen dessen Schienbein. Der Angeklagte warf im Wohnzimmer Nippesfiguren, den Fernsehapparat und eine massive Tischplatte zu Boden und trat im Badezimmer weiter auf seine Mutter ein. Weitere Schläge und Tritte führte der Angeklagte gegen seine schließlich in der Küche zu Fall gekommene Mutter aus. Der Angeklagte hat eingeräumt, eine auf der Waschmaschine neben der Küchentür befindliche "Mikrowelle" (UA S. 13) auf den Boden geworfen zu haben. Er hat indes bestritten, dass er mit diesem Gerät seine Mutter habe treffen wollen.

2. Die letzteres widerlegende Beweiswürdigung des Landgerichts hält der sachlichrechtlichen Prüfung nicht stand. Sie ist nicht tatsachengestützt und vermag nicht mehr als einen Verdacht zu begründen (vgl. BGH StV 2002, 235).

Dem Landgericht standen zur Beweisführung - nach der Aussageverweigerung der Mutter gemäß § 52 Abs. 1 StPO und der Freigabe ihrer polizeilichen Vernehmung - über die Flugbahn der "Mikrowelle" lediglich die pauschale Angabe der Mutter gegenüber dem Vernehmungsbeamten zur Verfügung, der Angeklagte habe einen "Back-Grill-Automaten" nach ihr geworfen, sowie eine Auswertung der durch Zeugen und Lichtbilder verifizierten Lage des Opfers und der Möblierung der Küche vor und nach dem Eingreifen des Angeklagten.

Die gehbehinderte Mutter des Angeklagten war in dem lediglich 50 cm breiten Gang zwischen den Küchenzeilen zu Boden gekommen (UA S. 13 f.), ohne von der "Mikrowelle" getroffen worden zu sein. Das Küchengerät landete "unmittelbar neben ihrem Körper" (UA S. 14). Im Blick auf den geringen Abstand zwischen den Küchenzeilen konnte das Gerät dort indes nicht "neben" der Mutter des Angeklagten aufgetroffen sein; es wäre von den Küchenmöbeln abgeprallt und hätte die Mutter des Angeklagten getroffen. Somit kommt als Treffpunkt "unmittelbar neben dem Körper der Mutter" lediglich der breitere Bereich an der Küchentür in Betracht, wo sich das Gerät vor dem Eingreifen des Angeklagten - auf der Waschmaschine - auch befand. Demnach lässt sich - entgegen dem mitgeteilten Eindruck der Mutter - lediglich ein Werfen des Geräts im Bereich des Kücheneingangs aus der dem Landgericht zur Verfügung stehenden Faktenlage rekonstruieren. Es liegt nahe, dass der randalierende Angeklagte das Gerät zu Boden geworfen hat und damit zwar dessen Beschädigung, nicht aber die Verletzung seiner Mutter herbeiführen wollte.

3. Der Senat schließt aus, dass angesichts der defizitären Beweislage (vgl. BGHSt 45, 203, 208) eine weitergehende Sachaufklärung den Beweis eines Körperverletzungsvorsatzes beim Wurf mit dem Küchengerät erbringen kann. Deshalb ist der Schuldspruch zu korrigieren; die tateinheitliche Verurteilung wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung entfällt.

4. Dies nötigt zur Aufhebung des Strafausspruchs im Fall II.1. der Urteilsgründe (vgl. § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB ) und zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe. Der Aufhebung von Feststellungen bedurfte es nicht. Die Strafen können auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen neu zugemessen werden, die freilich um solche ergänzt werden dürfen, die den bisher getroffenen nicht widersprechen. Die Verurteilung wegen Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten ist rechtskräftig.

Der Senat weist darauf hin, dass insbesondere die vom Angeklagten ausgeführten Tritte den Schuldgehalt der vorsätzlichen Körperverletzung - im Grenzbereich zur gefährlichen Körperverletzung - erhöhen und dass eine Strafrahmenverschiebung nach den Grundsätzen von BGHSt 49, 239 , 241 ff. eher fern liegt.

Vorinstanz: LG Berlin, vom 27.08.2007