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BGH - Entscheidung vom 07.10.2008

X ZR 86/07

Normen:
PatG § 1

BGH, Urteil vom 07.10.2008 - Aktenzeichen X ZR 86/07

DRsp Nr. 2008/19668

Nichtigerklärung eines Patents betreffend ein Gerät zum Melken von Tieren und ein Verfahren zur Nachbehandlung der Zitzen, weil der Gegenstand zwar neu, jedoch dem Fachmann nahegelegt war

Normenkette:

PatG § 1 ;

Tatbestand:

Die Beklagte ist Inhaberin des international angemeldeten (PCT-Veröffentlichungsnr. WO 93/06716) deutschen Patents 42 93 178 (Streitpatents). Es betrifft eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Nachbehandlung der Zitzen eines gemolkenen Tieres und umfasst 14 Patentansprüche. Patentanspruch 1 lautet:

"Vorrichtung zum automatischen Melken von Tieren, wie z.B. von Kühen, in einem Melkstand, mit einem Melkroboter, der einen Roboterarm aufweist, wobei der Roboterarm unter ein sich im Melkstand aufhaltendes Tier bewegbar ist, um zum Melken Zitzenbecher an die Zitzen des Tieres anzuschließen, und mit einer Nachbehandlungseinrichtung, die zum automatischen Nachbehandeln des Euters und/oder der Zitzen des Tieres nach dem Melken vorgesehen ist, wobei die Nachbehandlungseinrichtung eine Sprühdüse aufweist, wobei die Sprühdüse nahe dem Ende des Roboterarms in dem Roboterarm angeordnet ist."

Patentanspruch 10 lautet:

"Verfahren zum Nachbehandeln der Zitzen eines Tieres nach dem Melken mit einer Vorrichtung zum automatischen Melken von Tieren in einem Melkstand, die einen Melkroboter mit einem Roboterarm aufweist, der zum Anschließen von Zitzenbechern unter ein sich im Melkstand aufhaltendes Tier bewegbar ist, wobei eine Sprühdüse einer Nachbehandlungseinrichtung nahe dem Ende des Roboterarms in dem Roboterarm angeordnet ist, wobei nach dem Melken des Tieres zunächst die Zitzenbecher von den Tierzitzen abgenommen werden und vor dem Besprühen des Euters und/oder der Zitzen mit einer Nachbehandlungsflüssigkeit der Roboterarm zunächst in eine Position gebracht wird, in der ein von dem Roboterarm nach vorne und aufwärts zum Euter gerichteter Sprühstrahl der Sprühdüse exakt auf das Euter trifft oder geringfügig außerhalb desselben liegt, und dann die Nachbehandlungsflüssigkeit automatisch von dem Roboterarm auf das Euter und/oder die Zitzen gesprüht wird."

Die Klägerin greift mit ihrer Klage die Patentansprüche 1 bis 3, 5, 6 und 8 bis 14 an.

Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent insoweit für nichtig erklärt, als Patentanspruch 1 über folgende Fassung hinausgeht, der sich die Patentansprüche 2, 3, 5, 6, 8 und 9 anschließen:

"Vorrichtung zum automatischen Melken von Tieren, wie z.B. von Kühen, in einem Melkstand (1), mit einem Melkroboter (8), der einen Roboterarm (45) aufweist, wobei der Roboterarm (45) unter ein sich im Melkstand aufhaltendes Tier bewegbar ist, um zum Melken Zitzenbecher (53, 54) an die Zitzen des Tieres anzuschließen, und mit einer Nachbehandlungseinrichtung (105), die zum automatischen Nachbehandeln des Euters und/oder der Zitzen des Tieres nach dem Melken vorgesehen ist, wobei die Nachbehandlungseinrichtung (105) eine Sprühdüse (108) aufweist, wobei die Sprühdüse (108) nahe dem Ende des Roboterarms (45) in dem Roboterarm (45) derart angeordnet ist, dass der Sprühstrahl relativ zum Ende des Roboterarms (45) nach vorne und oben gerichtet ist."

Ferner hat das Bundespatentgericht das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 10 bis 14 für nichtig erklärt.

Hiergegen richtet sich die Berufung beider Parteien. Die Klägerin strebt mit ihrer Berufung weiterhin die Nichtigerklärung des Streitpatents im vollen Umfang der Ansprüche 1 bis 3, 5, 6 und 8 bis 14 an. Die Beklagte tritt dem entgegen und beantragt mit ihrer Berufung die Abweisung der Klage, hilfsweise mit der Maßgabe, dass Patentanspruch 1 folgende Fassung erhält:

"1 A. Vorrichtung zum automatischen Melken von Tieren, wie z.B. von Kühen, in einem Melkstand (1), mit einem Melkroboter (8), der einen Roboterarm (45) aufweist, wobei der Roboterarm (45) unter ein sich im Melkstand aufhaltendes Tier bewegbar ist, um zum Melken Zitzenbecher (53, 54) an die Zitzen des Tieres anzuschließen, und mit einer Nachbehandlungseinrichtung (105), die zum automatischen Nachbehandeln des Euters und/oder der Zitzen des Tieres nach dem Melken vorgesehen ist, und die Nachbehandlungseinrichtung (105) eine Sprühdüse (108) aufweist, wobei die Sprühdüse (108) nahe dem Ende des Roboterarms (45) in dem Roboterarm (45) derart angeordnet ist, dass der Sprühstrahl relativ zum Ende des Roboterarms (45) nach vorn und oben gerichtet ist.

1 B. Vorrichtung zum automatischen Melken von Tieren, wie z.B. von Kühen, in einem Melkstand (1), mit einem Melkroboter (8), der einen Roboterarm (45) aufweist, wobei der Roboterarm (45) unter ein sich im Melkstand aufhaltendes Tier bewegbar ist, um zum Melken Zitzenbecher (53, 54) an die Zitzen des Tieres anzuschließen, und mit einer Nachbehandlungseinrichtung (105), die zum automatischen Nachbehandeln des Euters und/oder der Zitzen des Tieres nach dem Melken vorgesehen ist, wobei der Roboterarm mittels tierspezifischer Koordinaten positioniert wird, die zuvor in einen Steuercomputer des Roboterarms eingegeben sind, und wobei die Nachbehandlungseinrichtung (105) eine Sprühdüse (108) aufweist, wobei die Sprühdüse (108) nahe dem Ende des Roboterarms (45) in dem Roboterarm (45) angeordnet ist."

Hieran anschließen sollen sich die Ansprüche 2 bis 9, die nur in ihrem Rückbezug auf die vorhergehenden Ansprüche 1A und 1B geändert werden sollen. In der Fassung des Hilfsantrags soll Anspruch 10 lauten:

"10. Verfahren zum Nachbehandeln der Zitzen eines Tieres nach dem Melken durch automatisches Sprühen einer Nachbehandlungsflüssigkeit auf das Euter und/oder die Zitzen eines Tieres, mit einer Vorrichtung zum automatischen Melken von Tieren in einem Melkstand, die einen Melkroboter (8) mit einem Roboterarm (45) aufweist, der zum Anschließen von Zitzenbechern (53, 54) unter ein sich im Melkstand aufhaltendes Tier bewegbar ist, wobei eine Sprühdüse (108) einer Nachbehandlungseinrichtung (105) nahe dem Ende des Roboterarms (45) in dem Roboterarm (45) angeordnet ist, wobei nach dem Melken des Tieres zunächst die Zitzenbecher (53, 54) von den Tierzitzen abgenommen werden und vor dem Besprühen des Euters und/oder der Zitzen mit einer Nachbehandlungsflüssigkeit der Roboterarm (45) zunächst mittels tierspezifischer Koordinaten, die zuvor in einen Steuercomputer des Roboterarms eingegeben worden sind, in eine Position gebracht wird, in der ein von dem Roboterarm (45) nach vorne und aufwärts zum Euter gerichteter Sprühstrahl der Sprühdüse (108) exakt auf das Euter trifft oder geringfügig außerhalb desselben liegt."

Hieran sollen sich die Verfahrensansprüche 11 bis 14 in der erteilten Fassung anschließen.

Dem tritt die Klägerin entgegen.

In der mündlichen Verhandlung hat Prof. Dr. H. W., geschäftsführender Direktor und Leiter des Lehrstuhls für Verfahrenstechnik in der Nutztierhaltung an der Fakultät für Agrarwissenschaften der Universität G., ein Gutachten erstattet.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen der Klägerin und der Beklagten sind zulässig; die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Die Berufung der Klägerin führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils; das Streitpatent ist im Umfang der angegriffenen Ansprüche 1 bis 3, 5, 6 und 8 bis 14 für nichtig zu erklären.

1. Das Streitpatent betrifft ein Gerät zum Melken von Tieren und ein Verfahren zur Nachbehandlung der Zitzen. Die Streitpatentschrift gibt als im Stand der Technik bekannt Vorrichtungen an, die über eine Reinigungseinheit zum Reinigen der Zitzen des Tieres vor dem Melken verfügen, so zum Beispiel die Melkvorrichtung nach der veröffentlichten europäischen Patentanmeldung 0 323 444. Es sei jedoch aus Gründen der Hygiene und im Hinblick auf die für Milch geltenden Qualitätsnormen wichtig, die Zitzen nicht nur vor, sondern auch nach dem Melken zu reinigen (S. 1 Tz. 4). Das Desinfizieren des Euters und/oder der Zitzen des gemolkenen Tieres trage dazu bei, dass bei dem Tier weniger Infektionen aufträten (S. 1 Tz. 7).

Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung beschreibt dazu eine Vorrichtung zum automatischen Melken von Tieren, zum Beispiel von Kühen, mit folgenden Merkmalen:

1. Die Vorrichtung umfasst einen Melkroboter mit einem Arm, der dient:

1.1 zum Anschließen von Zitzenbechern an die Zitzen des Tieres,

1.2 zum anschließenden Melken des Tieres und

1.3 zum Abkoppeln der Zitzenbecher von den Zitzen des Tieres.

2. Die Vorrichtung umfasst außerdem eine Nachbehandlungseinrichtung zur Nachbehandlung des Euters und/oder der Zitzen des gemolkenen Tieres, die

2.1 automatisch zu betätigen ist und

2.2 eine Sprühdüse aufweist,

2.3 wobei die Sprühdüse nahe dem Ende des Roboterarms in dem Roboterarm angeordnet ist.

Die nachstehend wiedergegebenen Figuren 1 und 2 der Streitpatentschrift zeigen eine patentgemäße Vorrichtung.

Folgt Graphik

Der Melkroboter (8) hat bei einer solchen Vorrichtung einen Roboterarm (45), der mittels einer Kolben-/Zylindereinheit über einen Führungswagen in der Höhe und über vertikale Schwenkachsen seitlich zum Melkstand zu verfahren ist. Der Roboterarm (45) kann so eine dreidimensionale Bewegung im Raum ausführen. Bei dem in der Beschreibung erläuterten Ausführungsbeispiel wird die im Patentanspruch selbst außer mit der Angabe, dass sie automatisch arbeiten solle, nicht näher beschriebene Reinigungseinrichtung (84) zur Vorbehandlung der Zitzen (Merkmal 1) mittels einer an dieser Einrichtung angebrachten Trägerplatine von dem Roboterarm (45/46) angesaugt. Anschließend werden mit ihrer Hilfe die Zitzen gereinigt und die Einrichtung sodann nach Gebrauch von dem Roboterarm abgekoppelt, um schließlich von diesem getrennt in einem Träger bis zum nächsten Gebrauch aufbewahrt zu werden (S. 5 0035 - 0042). Nach der Reinigung wird der Roboterarm genutzt, um die Zitzenbecher anzusetzen, die ebenfalls am Kopf des Arms gehalten sind. Nach Beendigung des Melkvorgangs werden die Zitzenbecher abgekoppelt, und es kommt die am Roboterarm angeordnete Einrichtung zur Nachbehandlung der Zitzen zum Einsatz. Über diese Nachbehandlungseinrichtung gibt Patentanspruch 1 an, dass sie automatisch zu betätigen sein soll und eine Sprühdüse aufweist, die nahe dem Ende des Roboterarms in dem Roboterarm angeordnet ist. Die Streitpatentschrift gibt weiter an, dass mittels der Nachbehandlungseinrichtung eine Nachbehandlungsflüssigkeit auf das Euter des Tieres gesprüht werden könne. Diese Flüssigkeit könne ein Desinfektionsmittel enthalten.

In Übereinstimmung mit dem Bundespatentgericht versteht der Senat die Angabe, dass die Nachbehandlungseinrichtung nahe dem Ende des Roboterarms in diesem angeordnet sein soll, dahingehend, dass die Nachbehandlungsvorrichtung vom Roboterarm aufgenommen, in diesen einbezogen sein soll und über dessen Bewegung positioniert wird. Aus dieser Angabe ergibt sich hingegen nicht, dass die Nachbehandlungseinrichtung vollständig im Innern des Roboterarms angeordnet sein soll. Schon die in den Anmeldungsunterlagen WO 93/0716 verwendete Angabe "arranged in the end of the robot arm" besagt dies nicht. Ebenso wenig ist den Zeichnungen der Streitpatentschrift zu entnehmen, dass diese den Begriff in einem engeren Sinne verwendet. Über die räumliche Anordnung der Nachbehandlungseinrichtung ergibt sich daraus nur, dass die Sprühdüse (108) sich unter der Trägerplatte (111) am Ende des Roboterarms befindet. Über die Anordnung der übrigen Bauelemente der Nachbehandlungseinrichtung ist den Zeichnungen nichts Konkretes zu entnehmen. Die Beschreibung enthält über die weitere räumliche Anordnung der Nachbehandlungsvorrichtung ebenfalls keine Angaben, die über die Beschreibung des Ausführungsbeispiels nach den Figuren 6 und 7 hinausgingen (S. 6 Tz. 43-45). Aus der Funktion der Nachbehandlungsvorrichtung lässt sich derartiges ebenfalls nicht herleiten. Über die Funktion ist der Streitpatentschrift zu entnehmen, dass der Roboterarm Einrichtungen zum Anschließen der Zitzenbecher, dem Melken und Abkoppeln der Zitzenbecher aufweisen soll und daneben auch die Nachbehandlungseinrichtung, die eine Flüssigkeit gegen das Euter sprühen soll. Dazu soll der Roboterarm derart positioniert werden, dass der von der Sprühdüse kommende fächerförmige Sprühstrahl genau auf die Rückseite des Euters des gemolkenen Tieres trifft (S. 6 Tz. 46). Wie zur Erfüllung dieser Funktion die Nachbehandlungseinrichtung bezogen auf den Roboterarm im Einzelnen angeordnet sein soll, geht daraus jedoch nicht hervor und bleibt dem Fachmann überlassen.

Patentanspruch 1 enthält auch keine Vorgaben dazu, wie die Reinigungsvorrichtung, die vor dem Melken zum Einsatz kommt, und die Nachbehandlungseinrichtung aneinander angepasst sind und wie sie getrennt voneinander im Einzelnen jeweils zu den unterschiedlichen Zwecken einzusetzen sind.

Der das Verfahren zum Nachbehandeln der Zitzen betreffende Patentanspruch 10 beschreibt den Einsatz einer automatischen Melkvorrichtung mit folgenden Merkmalen:

A) Die Nachbehandlung erfolgt in einer automatischen Melkvorrichtung, die einen Melkroboter mit einem Roboterarm aufweist, der

A) 1 zum Anschließen der Zitzenbecher an die Tierzitze und

A) 2 zum Abkoppeln der Zitzenbecher von der Tierzitze dient:

B) Die Zitzenbecher werden nach dem Melken des Tieres von den Tierzitzen abgenommen.

C) Eine Nachbehandlungsflüssigkeit wird

C) 1 von dem Roboterarm gesprüht und

C) 2 automatisch auf das Euter und/oder die Zitzen aufgebracht.

C) 3 Die Sprühdüse der Nachbehandlungseinrichtung ist nahe dem Ende des Roboterarms in diesem angeordnet.

C) 4 Vor dem Besprühen des Euters wird der Roboterarm in eine Position gebracht, in der ein von dem Roboterarm nach vorne und aufwärts zum Euter gerichteter Sprühstrahl exakt auf das Euter trifft oder geringfügig außerhalb desselben liegt.

Nach den vorstehenden Ausführungen ist Merkmal C) 3 dabei so zu verstehen, dass der Arm, der zum Anschließen und Abkoppeln der Zitzenbecher dient, zugleich auch die Nachbehandlungsvorrichtung trägt, von der aus die Nachbehandlungsflüssigkeit gesprüht werden kann.

II. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents ist neu.

1. Die deutsche Offenlegungsschrift 39 16 653 beschreibt ein Melkverfahren und eine Vorrichtung zur Durchführung dieses Verfahrens. Diese Vorrichtung weist einen Roboterarm auf, dort bezeichnet als kartesischer Robotermanipulator (60). Die Beschreibung (Sp. 6 Z. 30-40) erläutert dazu, dass mit "kartesisch" gemeint ist, dass der Manipulator in der Lage ist, den Anbringungsmechanismus in drei aufeinander senkrecht stehenden Richtungen zu verstellen. Er ist an einem Schlitten befestigt und nimmt die zur Durchführung des Melkverfahrens erforderlichen Werkzeuge auf. Seine Bewegungen werden über Sensoren und eine Mikroprozessorsteuereinheit gesteuert. Der Robotermanipulator legt den Melkbecher an das Euter der Kuh an, indem er den Anbringungsmechanismus unter das Euter führt. Nach Abschluss des Melkvorgangs kann der Roboterarm die Melkeinrichtung entfernen und ein Desinfektionsmittel auf das Euter aufbringen (Sp. 8 Z. 42-45). Damit gibt diese Schrift eine Vorrichtung an, die die Merkmale 1.1 bis 1.2.1 der obigen Merkmalsgliederung umfasst. Zu ihr gehört danach auch eine Nachbehandlungseinrichtung, die das Euter nach dem Melken automatisch unter Einsatz des Roboterarms mit einem Desinfektionsmittel behandeln soll. Allerdings gibt die Schrift nicht an, wie dies geschehen soll. Aus ihr ergibt sich insoweit nur, dass der Roboterarm das Desinfektionsmittel aufbringen können soll. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Einrichtung, die das Desinfektionsmittel aufträgt, vom Roboterarm aufgenommen, in diesen einbezogen und über dessen Bewegung positioniert wird, wie dies das Streitpatent vorsieht.

2. Die Vorrichtung nach der europäischen Patentanmeldung 0 323 444 umfasst eine Reinigungseinheit zum Reinigen der Zitzen eines Tieres vor dem Melken, die automatisch zu betätigen ist (Sp. 5 Z. 33-38). Die Melk- und Reinigungseinrichtungen sind bei der Vorrichtung als integrale Einheit ausgebildet und unter dem Melkstandboden angeordnet. Durch eine abdeckbare Öffnung sind das Melkgeschirr und die Reinigungsvorrichtung, die von einem Arm getragen werden, teleskopartig nach oben und unten zu bewegen und durch eine Aufwärtsbewegung an das Tier anzuschließen. Der Arm (26) ist U-förmig ausgebildet, die Steuer- und Regeleinheit (35) steuert einen pneumatischen oder hydraulischen Zylinder. Auf diese Weise wird der Arm an das Euter herangeführt. Der Arm kann sowohl in der Höhe (Sp. 3 Z. 57-61) als auch in seitlicher Richtung (Sp. 3 Z. 24-26) bewegt werden. Neben den Einrichtungen zum Melken trägt der Arm auch ein Becken zum Desinfizieren oder Reinigen und zwar in der Weise, dass die Baugruppe, die einerseits die Zitzenbecher zum Melken und andererseits das Reinigungsbecken umfasst, über eine Achse um 180 Grad gewendet werden kann. Das schalenförmige Reinigungsbecken (31) ist mit Sprühdüsen (60) im Beckenboden ausgestattet. Zum Reinigen des Euters und der Zitzen kann durch die Sprühdüsen (60) gegen das Euter eine Desinfektionslösung, Warmwasser als Spülmittel oder irgendeine andere zum Waschen, Spülen, Desinfizieren oder sonst zum Reinigen des Euters geeignete Flüssigkeit gespritzt werden (Sp. 5 Z. 19-28). Wann das Reinigen des Euters erfolgen soll, ob vor oder nach dem Melken oder vor und nach dem Melken, sagt die Schrift nicht aus.

III. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung war jedoch dem Fachmann nahegelegt.

Als Fachmann, auf dessen Kenntnisse hier abzustellen ist, ist - wie der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung näher erläutert hat - ein Fachhochschul- oder Hochschul-Ingenieur der Fachrichtung Agrar- oder Ingenieurwissenschaften mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Automatisierung von landwirtschaftlichen Arbeitsverfahren anzusehen, der in Entwicklungsabteilungen, erforderlichenfalls mit weiteren Fachleuten, beispielsweise auch Tierärzten, zusammenarbeitet.

Einem solchen Fachmann war bekannt, welche Arbeitsschritte beim automatisierten Melkvorgang anfallen. Diese sind in der zum Stand der Technik gehörenden Veröffentlichung von Artmann über den "Robotereinsatz in der Landwirtschaft am Beispiel des Melkens" auf S. 49 im Einzelnen dargestellt. Dem Fachmann war danach geläufig, dass eine Nachbehandlung nach dem Melken stattzufinden und in einer Desinfektion des Euters und/oder der Zitzen zu bestehen hat. Die Notwendigkeit dieser Maßnahme entnahm er zudem auch Veröffentlichungen wie z.B. Müller "Krankheiten bei Rindern, Schweinen, Schafen" 1947, S. 213; Alpha Laval "Fight mastitis it pays" 1974, S. 4. Für ihn bestand, wie auch der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, Veranlassung, nach einem Weg zu suchen, diese Nachbehandlung in den vollautomatischen Melkvorgang zu integrieren. Diese Notwendigkeit ergab sich auch aus den beiden zuvor erörterten Schriften, insbesondere war in der deutschen Offenlegungsschrift 39 16 653 bereits eine Integration der Euternachbehandlung in den automatisierten Melkvorgang angelegt. Dort heißt es allerdings nur, dass der Roboterarm, der unter das Euter der Kuh verschwenkt werden kann, automatisch das Desinfektionsmittel auftragen können soll. Aus der bereits erwähnten Schrift von Artmann, S. 55 ergibt sich zu dieser Problematik, dass die Desinfektion der Zitzen unter anderem durch die Integration einer Sprüheinrichtung erfolgen könne, was leicht mechanisierbar sei.

Wie die Integration der Nachbehandlungseinrichtung im Einzelnen erfolgen soll, lässt sich jedoch auch Patentanspruch 1 des Streitpatents nicht entnehmen. Dieser gibt nur an, dass die Vorrichtung zur Nachbehandlung automatisch zu betätigen sein und eine Sprühdüse aufweisen soll, wobei sich die Sprühdüse nahe dem Ende des Roboterarms in diesem befinden soll. Diese Merkmale lagen jedoch als solche - ohne Angaben zu ihrer Ausgestaltung - für den Fachmann nahe.

Dass eine automatische Betätigung vorzusehen war, folgt schon daraus, dass es darum ging, den gesamten Melkvorgang einschließlich der Vor- und Nacharbeiten zu automatisieren, wie dies auch die deutsche Offenlegungsschrift 39 16 653 bereits vorsah. Patentanspruch 1 des Streitpatents enthält lediglich den Gedanken, die automatisch zu betätigende Nachbehandlungseinrichtung zu integrieren und dazu den Roboterarm vorzusehen. Dies lag für den Fachmann jedoch nahe. Bei der Melkvorrichtung nach der deutschen Offenlegungsschrift war es aufwendig, dass die einzelnen Schritte, nämlich die Reinigung, das Melken und die Nachbehandlung jeweils gesondert das Ansteuern des jeweiligen Werkzeugs, das Greifen dieses Werkzeugs, das Ansteuern der Zitzen und anschließend das Zurücklegen des Werkzeugs notwendig machten. Der Fachmann, der eine automatisch zu betätigende Nachbehandlungseinrichtung in eine Vorrichtung zum automatischen Melken von Kühen integrieren wollte, hatte Veranlassung, diesen Vorgang zu vereinfachen. Dafür bot es sich an, die jeweilige Einrichtung fest mit dem Roboterarm zu verbinden, wie dies etwa aus der europäischen Patentanmeldung 0 323 444 bekannt ist. Mit der Schaffung der in Anspruch 1 dieser Entgegenhaltung vorgeschlagenen Einheit werden die einzelnen Arbeitsvorgänge des jeweiligen Ergreifens und Absetzens der Einheit vermieden. Der Roboterarm, mit dem diese Schritte ausgeführt werden, ist bei der Vorrichtung nach dieser Schrift unter der Kuh verschwenkbar, befindet sich also dort, wo die Nachbehandlung, z.B. mit einer Sprüheinrichtung, erfolgen soll. Festlegungen in der Art der Reinigungseinrichtung enthält diese Schrift nicht, auch wenn sie die in Anspruch 2 beschriebene Verschwenkung bevorzugt. Im Einzelnen bleibt die Gestaltung der Reinigungseinrichtung jedoch dem ausführenden Fachmann überlassen. Die Sprüheinrichtung besteht üblicherweise, wie sich auch aus der Schrift von Artmann auf S. 53 ergibt, aus einem Schlauch, der in einer Sprühdüse endet. Bekannt war, worauf auch die Streitpatentschrift Bezug nimmt, das Desinfektionsmittel mittels einer Sprühlanze in Handarbeit aufzutragen. Wenn diese Handarbeit durch einen Roboterarm nachvollzogen werden soll, so bot es sich an, den in der Sprühdüse endenden Sprühschlauch mit dem Roboterarm in eine Verbindung zu bringen. Es musste dazu nur der Schritt vollzogen werden, überhaupt die Integration der Sprüheinrichtung vorzusehen; war dieser Schritt einmal vollzogen, so bot sich dazu in erster Linie der Roboterarm an, der bei der Melkvorrichtung nach der deutschen Offenlegungsschrift 39 16 653 unter der Kuh verschwenkbar ist.

IV. Auch in der Fassung der Hilfsanträge ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht patentfähig. Die Fassung des Hilfsantrags 1A entspricht der Fassung, die Patentanspruch 1 durch das angegriffene Urteil erhalten hat und unterscheidet sich von der erteilten Fassung durch die Angabe, dass die Sprühdüse nahe dem Ende des Roboterarms derart angeordnet ist, dass der Sprühstrahl relativ zum Ende des Roboterarms nach vorn und oben gerichtet ist. Auch mit dieser Ergänzung beruht der Gegenstand des Patentanspruchs 1 jedoch nicht auf erfinderischer Tätigkeit. In der Veröffentlichung von Artmann wird auf S. 55 ausgeführt, dass der Roboter die Handarbeit zur Desinfektion der Zitzen nachvollziehen kann. Wird die Nachbehandlung in Handarbeit vollzogen, so kommt, da sich die Person, die die Desinfektion vornimmt, neben der Kuh befindet, nur ein Sprühen von der Seite nach oben auf die Zitzen der Kuh in Betracht. Vollzieht ein Roboter diese Tätigkeit nach, so bietet sich das Beibehalten dieser Sprührichtung an.

Die Fassung nach dem Hilfsantrag 1B unterscheidet sich von der erteilten dadurch, dass der Roboterarm mittels tierabhängiger Koordinaten positioniert wird, die zuvor einem Steuercomputer des Roboterarms zugeführt worden sind, wobei sich die Nachbehandlungsvorrichtung in dem Roboterarm befindet und eine Sprühdüse umfasst, die nahe dem Ende des Roboterarms angeordnet ist. Auch nach dieser Ergänzung beruht der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Sowohl aus der deutschen Offenlegungsschrift 39 16 653 (Sp. 7/8) als auch aus der europäischen Patentanmeldung 0 323 444 (Sp. 5 Z. 33-44) sowie aus der Abhandlung von Artmann (S. 58 1. Abs.) ergibt sich, dass dem Steuercomputer tierabhängige Daten zugeführt werden, die zur Steuerung der Vorrichtung dienen. Der Sachverständige hat bei der Erörterung in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass es ohne die Eingabe dieser Daten in den Steuercomputer nicht möglich sei, überhaupt einen automatischen Melkvorgang durchzuführen. Dass sich die Sprühdüse nahe dem Ende des Roboterarms befindet, ist eine naheliegende Alternative. Um das Sprühmittel in der angesprochenen Weise von unten und von der Seite auf das Euter aufzubringen, bietet es sich an, die Sprühdüse nahe dem Ende des so ausgerichteten Roboterarms anzuordnen.

V. Das Verfahren nach Patentanspruch 10 enthält keine Angaben, die über den Einsatz einer Vorrichtung nach Patentanspruch 1 hinausgehen. Auch sein Gegenstand beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Dass die übrigen angegriffenen Patentansprüche eigenständigen erfinderischen Gehalt hätten, macht auch die Beklagte nicht geltend.

VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 91 Abs. 1 , § 97 Abs. 1 ZPO .

Vorinstanz: BPatG, vom 17.04.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 4 Ni 62/05