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BGH - Entscheidung vom 11.12.2008

3 StR 21/08

Normen:
GG Art. 20 Abs. 3
StPO § 244 Abs. 2
StPO § 261

Fundstellen:
BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleistung 30
NStZ 2009, 467
StV 2009, 232
StraFo 2009, 152
wistra 2009, 242

BGH, Beschluss vom 11.12.2008 - Aktenzeichen 3 StR 21/08

DRsp Nr. 2009/5128

Mindestanforderungen an die Urteilsgründe im Fall einer Entscheidung auf der Grundlage einer Verfahrensabsprache; Amtsermittlungsgrundsatz im Spannungsfeld des Interesses an einer einfachen und schnellstmöglichen Erledigung des Verfahrens; Anforderungen an die Darlegung einer tragfähigen Schätzungsgrundlage für die Schadensberechnung zum Nachteil des Angeklagten bei Vorliegen eines Geständnisses

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 29. Oktober 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Normenkette:

GG Art. 20 Abs. 3 ; StPO § 244 Abs. 2 ; StPO § 261 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 300 Tagessätzen zu je 300 Euro verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in vollem Umfang Erfolg.

1.

Nach den Feststellungen des Landgerichts belieferte der Angeklagte als Diamantengroßhändler in der Zeit vom 16. Juni 1995 bis November 1997 die E. GmbH und in der Zeit vom 8. Februar 1996 bis 29. Januar 2001 die B. GmbH sowie die G. GmbH mit Diamanten. Das "Geschäftsmodell" dieser Firmen bestand darin, ü-ber besonders geschulte Telefonverkäufer Diamanten als Geldanlage anzubieten. Diese gingen wie folgt vor: Den Kunden wurden zunächst kleine weiße Diamanten zu angemessenen Preisen verkauft, verbunden mit der Zusicherung, diese Steine innerhalb einer bestimmten Frist zu einem den Kaufpreis übersteigenden Festpreis zurück zu kaufen, falls der Kunde dies wünsche. Auf diese Weise sollte den Kunden eine tatsächlich mit Diamanten nicht realisierbare Wertsteigerung vorgetäuscht werden, um sie so zu weiteren Diamantenkäufen zu verleiten. Bei diesen Folgegeschäften wurden den Kunden - nunmehr ohne Rückgabegarantie - größere Diamanten in Gelb- und Brauntönen mit dem wahrheitswidrigen Hinweis, diese seien seltener und deshalb werthaltiger als die weißen Steine, zu deutlich überhöhten Preisen zum Kauf angeboten. Die Telefonverkäufer der E. GmbH schlossen mit insgesamt 19 Kunden, die Verkäufer der beiden anderen Firmen mit 88 Kunden zum Teil mehrere Verträge über den Kauf von Diamanten. Den Kunden der E. GmbH soll durch dieses Geschäftsgebaren ein Gesamtschaden in Höhe von 65.000 Euro, den Kunden der beiden anderen Firmen ein solcher in Höhe von mindestens 650.000 Euro entstanden sein.

Das Landgericht hat die Diamantengeschäfte der E. GmbH einerseits und der beiden anderen Firmen andererseits als jeweils eine einheitliche Betrugstat gewertet. Zu diesen Taten habe der Angeklagte jeweils Beihilfe geleistet, da er die betrügerische Geschäftspraxis der Firmen gekannt und gebilligt und "deren Existenz" durch die Belieferung mit seinen Diamanten unterstützt habe.

2.

Das angefochtene Urteil unterliegt insgesamt der Aufhebung. Es genügt in mehrfacher Hinsicht nicht den Mindestanforderungen, die an die Urteilsgründe auch dann zu stellen sind, wenn die Entscheidung, wie hier, auf der Grundlage einer Verfahrensabsprache ergangen ist; es weist daher Rechtsfehler auf, die sich auch zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben können.

Das deutsche Strafprozessrecht wird von dem Grundsatz beherrscht, dass die Gerichte von Amts wegen den wahren Sachverhalt aufzuklären haben (§ 244 Abs. 2 StPO ). Auf dieser Grundlage (§ 261 StPO ) ist der Schuldspruch zu treffen und sind die entsprechenden Rechtsfolgen festzusetzen. Dieser Grundsatz darf - schon wegen der Gesetzesbindung des Richters (Art. 20 Abs. 3 GG ) - nicht dem Interesse an einer einfachen und schnellstmöglichen Erledigung des Verfahrens geopfert werden (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 307 , 309). Es ist daher unzulässig, dem Urteil einen Sachverhalt zu Grunde zu legen, der nicht auf einer Überzeugungsbildung unter vollständiger Ausschöpfung des Beweismaterials beruht. Dies gilt auch dann, wenn sich der Angeklagte im Rahmen einer Verfahrensabsprache geständig zeigt. Allein seine Bereitschaft, wegen eines bestimmten Sachverhalts eine Strafe hinzunehmen, die das gerichtlich zugesagte Höchstmaß nicht überschreitet, entbindet das Gericht nicht von der Pflicht zur Aufklärung und Darlegung des Sachverhalts, soweit dies für den Tatbestand der dem Angeklagten vorgeworfenen Gesetzesverletzung erforderlich ist. Es ist deshalb stets zu untersuchen, ob das abgelegte Geständnis mit dem Ermittlungsergebnis zu vereinbaren ist, ob es in sich stimmig ist und ob es die getroffenen Feststellungen trägt (vgl. BGHSt 50, 40 , 49 f. ; BGH NStZ-RR aaO). Diese Grundsätze sind im vorliegenden Fall missachtet worden.

a)

Der Schuldspruch hält aus folgenden Gründen rechtlicher Überprüfung nicht stand:

aa)

Das Urteil lässt schon nicht erkennen, dass der Angeklagte die betrügerischen Handlungen der von ihm belieferten Firmen tatsächlich gefördert hat. Es fehlt an der Feststellung, dass sich die verfahrensgegenständlichen Diamantenverkäufe auf Steine bezogen, die aus Lieferungen des Angeklagten stammten. Dies versteht sich nicht von selbst, da die Urteilsgründe nicht ergeben, dass die die Endverkäufe tätigenden Firmen im Tatzeitraum ausschließlich vom Angeklagten mit Diamanten beliefert wurden.

bb)

Darüber hinaus sind die vom Landgericht festgestellten Betrugstaten, die der Angeklagte gefördert haben soll, nicht mit Tatsachen belegt. Das Landgericht stützt zwar seine Überzeugungsbildung auf das vom Angeklagten in der Hauptverhandlung abgelegte Geständnis. Dem Urteil kann aber nicht in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise entnommen werden, dass das Geständnis diese Feststellungen trägt (vgl. BGHSt 50, 40 , 49 f.) . Die Strafkammer hat lediglich pauschal auf das vom Angeklagten nach der Verfahrensabsprache abgegebene Geständnis verwiesen, ohne dessen Inhalt wiederzugeben. Es ist jedoch nicht zu erkennen, dass der Angeklagte, der nach den Feststellungen des Landgerichts nur als Zulieferer der betrügerisch handelnden Firmen tätig wurde, jedoch in deren Geschäftstätigkeit mit den Endkunden nicht eingebunden war, aus eigener Wahrnehmung und aus eigenem Wissen zu den Einzelheiten der festgestellten Diamantenverkäufe an insgesamt 107 Kunden Angaben machen konnte.

Ob einer der vom Landgericht vernommenen Zeugen, auf die in der Beweiswürdigung gleichfalls nur pauschal hingewiesen wird, die Feststellungen zu den Verkaufsgeschäften bestätigt hat, ist ebenso nicht zu ersehen. Eine darüber hinausgehende Beweiswürdigung hat das Landgericht nicht vorgenommen.

b)

Desweiteren lassen die Feststellungen besorgen, dass das Landgericht bei den Betrugstaten von einem zu großen Schuldumfang ausgegangen ist und sich dies jedenfalls bei der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten ausgewirkt hat.

aa)

Bei einem Teil der tabellarisch aufgelisteten Diamantenverkäufe ist nicht nachzuvollziehen, dass die Käufer über die Werthaltigkeit der Steine getäuscht wurden und ihnen durch den Ankauf ein Vermögensschaden entstand. Nach den Feststellungen kauften zehn von 19 Kunden der E. GmbH (Fälle A. , Be. , Gr. , H. , Ke. , Kr. , K. , M. , S. und St. ) ausschließlich weiße Diamanten der Qualitätsstufe "Wesselton" oder "River", bei denen nach der Geschäftspraxis der vom Angeklagten belieferten Firmen Preis und Wert der Diamanten in einem für den Kunden günstigen Verhältnis standen. Diese Geschäfte dienten allein dazu, die Kunden zu den sodann betrügerisch vorgenommenen Folgegeschäften zu verleiten. In einem Fall (W. ) waren die verkauften drei Diamanten von unbekannter Qualität. Damit sind in diesen Fällen weder Täuschungshandlungen der Verkäufer noch irrtumsbedingte Vermögensschäden auf Seiten der Kunden zu erkennen.

In gleicher Weise unklar sind die Feststellungen im zweiten Tatkomplex (Verkäufe der B. GmbH und der G. GmbH) hinsichtlich der Kunden Ba. , Em. und Z. , denen - jedenfalls zuletzt - ebenfalls weiße Diamanten verkauft wurden.

bb)

Auch die von der Strafkammer vorgenommene "Schätzung" der durch die Diamantenverkäufe entstandenen "Gesamtschäden" ist in keiner Weise nachprüfbar und revisionsrechtlich nicht mehr hinzunehmen. Das Landgericht hat die Schadensberechnung lediglich damit begründet, der Angeklagte sei den in der Anklageschrift bezifferten Gesamtschadensbeträgen in Höhe von 130.000 Euro bzw. 1,3 Mio. Euro im Rahmen seiner geständigen Einlassung nicht entgegengetreten. Hiervon ausgehend ist die Strafkammer zu seinen Gunsten davon ausgegangen, dass Gesamtschäden zumindest in Höhe der Hälfte der in der Anklageschrift aufgeführten Beträge eingetreten seien. Feststellungen zu den den jeweiligen Kunden entstandenen Einzelschäden hat das Landgericht nicht getroffen.

Damit ist nicht einmal im Ansatz eine tragfähige Schätzgrundlage für die Schadensberechnung dargetan. Das Geständnis des Angeklagten kann aus den oben dargelegten Gründen auch in diesem Zusammenhang nicht nutzbar gemacht werden. Der Senat vermag trotz des großzügigen "Sicherheitsabschlags", den die Strafkammer vorgenommen hat, deshalb nicht auszuschließen, dass sich die rechtsfehlerhafte Schadensberechnung zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.

3.

Die in keiner Weise nachvollziehbaren und vom Landgericht auch nicht begründeten Zusammenfassungen der einzelnen Betrugstaten zu zwei einheitlichen Haupttaten und die Annahme lediglich zweier Beihilfehandlungen des Angeklagten, der über Jahre hinweg die drei Firmen mit Diamanten belieferte, stellen zwar keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler dar. Die konkurrenzrechtliche Beurteilung der Taten lässt jedoch besorgen, dass insoweit eine verbotene Absprache über den Schuldspruch getroffen worden ist.

4.

Mit Blick auf das Revisionsvorbringen des Beschwerdeführers zur rechtlichen Beurteilung berufstypischer neutraler Handlungen (vgl. hierzu BGHSt 46, 107, 112 ; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 20, 24), weist der Senat auf Folgendes hin:

Die von der Revision vorgenommene Differenzierung zwischen Tatwerkzeugen und Bezugsobjekten (unter Bezugnahme auf SchweizBGE 119 (IV), 289; Wohlers NStZ 2000, 169, 172; Roxin in FS für Miyazawa S. 501, 512) mit dem Ziel, der Lieferung von Farbdiamanten als "neutralen" Bezugsobjekten ihren deliktischen Sinnbezug zu nehmen, findet im Gesetz keine Stütze. Die bei berufstypischen neutralen Handlungen gegebenenfalls erforderliche Beschränkung der Strafbarkeit lässt sich bei sachgerechter Auslegung nach den herkömmlichen und allgemein anerkannten Regeln über die objektive Zurechnung oder den Gehilfenvorsatz in ausreichendem Maße erreichen (vgl. BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 26).

Fundstellen
BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleistung 30
NStZ 2009, 467
StV 2009, 232
StraFo 2009, 152
wistra 2009, 242