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BGH - Entscheidung vom 01.10.2008

IV ZR 157/07

Normen:
Teilungsabkommen
SGB X § 116 Abs. 1
BGB § 133 § 157

BGH, Urteil vom 01.10.2008 - Aktenzeichen IV ZR 157/07

DRsp Nr. 2008/19262

Inanspruchnahme des Haftpflichtversicherers für Aufwendungen für die Heilbehandlung von gestürzten, gesetzlich krankenversicherten pflegebedürftigen Heimbewohnern

Zur Bedeutung des in der Haftpflichtversicherung geltenden Trennungsprinzips für die Auslegung eines Teilungsabkommens.

Normenkette:

Teilungsabkommen; SGB X § 116 Abs. 1 ; BGB § 133 § 157 ;

Tatbestand:

Die Klägerin, eine gesetzliche Krankenkasse, nimmt die Beklagte als Haftpflichtversicherer von Pflegeheimen aus einem zwischen dem Bundesverband der Ortskrankenkassen und der Beklagten geschlossenen Teilungsabkommen, dem die Klägerin beigetreten ist, auf Ersatz von Kosten in Höhe von 33.949,16 EUR in Anspruch, die sie für die Heilbehandlung von 54 in Pflegeheimen gestürzte, bei ihr gesetzlich krankenversicherte pflegebedürftige Heimbewohner aufgewendet hatte. Das Teilungsabkommen enthält unter anderem folgende Regelungen:

"§ 1

(1) Kann eine diesem Abkommen beigetretene Krankenkasse ("K") gegen eine natürliche oder juristische Person, die bei der "H" haftpflichtversichert ist, gemäß § 116 SGB X Ersatzansprüche aus Schadenfällen ihrer Versicherten oder deren mitversicherten Familienangehörigen (Geschädigte) geltend machen, so verzichtet die "H" auf die Prüfung der Haftungsfrage.

(2) Voraussetzung für die Anwendung des Abkommens ist in der Kraftfahrt-Haftpflichtversicherung ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen dem Schadenfall und dem Gebrauch eines Kraftfahrzeugs; bei der Allgemeinen Haftpflichtversicherung ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen dem Schadenfall und dem versicherten Haftpflichtbereich.

(3) Die Leistungspflicht der "H" entfällt, wenn schon aufgrund des unstreitigen Sachverhalts unzweifelhaft und offensichtlich ist, dass eine Schadenersatzpflicht des Haftpflichtversicherten gar nicht in Frage kommt. Dies gilt nicht für den Einwand des unabwendbaren Ereignisses (§ 7 II StVG ) und für den Fall, daß der Schaden durch eigenes Verschulden - jedoch nicht durch Vorsatz - des Geschädigten entstanden ist.

(4) Ferner findet in der Allgemeinen Haftpflichtversicherung das Abkommen keine Anwendung, wenn nach dem unstreitigen Sachverhalt kein objektiver Verstoß gegen Sorgfalts- und Verhaltensvorschriften vorliegt.

...

(8) Das Abkommen ist nur insoweit anwendbar, als die "H" für den Schadenfall Versicherungsschutz zu gewähren hat. ...

(9) Die "H" ersetzt der "K"

...

b) in übrigen Fällen der Allgemeinen Haftpflichtversicherung 45% der von ihr zu gewährenden Leistungen im Rahmen des § 4 dieses Abkommens.

..."

Die Beklagte meint, das Teilungsabkommen sei nicht anwendbar, weil es an dem nach § 1 Abs. 2 Halbs. 2 des Teilungsabkommens (TA) erforderlichen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Schadenfall und dem versicherten Haftpflichtbereich fehle. Hierzu genüge es nicht, dass die Verletzten einer der drei Pflegestufen des § 15 Abs. 1 SGB XI zugeordnet worden und im Rahmen ihres stationären Heimaufenthalts gestürzt seien.

Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 15.382,41 EUR nebst Zinsen stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und sie auf die Berufung der Klägerin zur Zahlung weiterer 18.566,75 EUR nebst Zinsen verurteilt. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Wegen des Verzichts auf die Prüfung der Haftungsfrage in § 1 Abs. 1 TA sei nicht zu prüfen, ob im Einzelfall ein Schadensersatzanspruch des Verletzten gegenüber dem Schädiger bestehe. Allerdings bleibe auch in diesem Fall Voraussetzung für die Anwendung des Teilungsabkommens, dass der Haftpflichtversicherer zur Schadensdeckung verpflichtet sei. Dies habe zur Folge, dass es unabhängig von der Haftungsfrage nur Anwendung finde, wenn das Schadenereignis seiner Art nach in den Kreis der versicherten Risiken falle. Das versicherte Risiko sei gleichzusetzen mit der Gefahr, durch ein bestimmtes Verhalten wegen eines Personenschadens in Anspruch genommen zu werden, und zwar unabhängig davon, ob der Anspruch berechtigt sei oder nicht. Hier unterliege es keinem Zweifel, das die Beklagte zur Deckungszusage gegenüber dem bei ihr versicherten Heimbetreiber verpflichtet wäre, wenn sich ein Heimbewohner darauf berufen würde, es habe in der konkreten Situation erstens objektiv eine Pflicht zur Sturzprophylaxe bestanden und zweitens ein Verstoß hiergegen vorgelegen. Die Beklagte könnte sich dem nicht mit der Begründung entziehen, in der konkreten Situation hätten die Voraussetzungen für eine Haftung nicht vorgelegen. Dies festzustellen wäre gerade Gegenstand der nach dem Teilungsabkommen ausgeschlossenen Prüfung der Haftungsfrage.

II. Das Berufungsurteil ist richtig. Der Senat hat durch Urteil vom heutigen Tag in der Sache IV ZR 285/06 im selben Sinne entschieden. Er hat das klagabweisende Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg vom 18. Oktober 2006 ( 6 U 85/06) aufgehoben, das Urteil des Landgerichts geändert und der Klage einer anderen Allgemeinen Ortskrankenkasse aus demselben Teilungsabkommen gegen dieselbe Beklagte stattgegeben. Der Anwendungsbereich des Teilungsabkommens ist nach § 1 Abs. 2 TA bereits dann eröffnet, wenn der wegen der Verletzung des Heimbewohners geltend gemachte Schadensersatzanspruch, sein Bestehen unterstellt, unter das versicherte Wagnis fallen würde. Ob der Anspruch begründet ist, also dem Versicherungsnehmer unter anderem eine objektive Pflichtverletzung anzulasten ist, ist dagegen unerheblich, weil es dabei um die Haftungsfrage geht, auf deren Prüfung die Parteien verzichtet haben, und weil jede andere Auslegung dem Wortlaut und dem Zweck des Teilungsabkommens widersprechen würde. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das Senatsurteil verwiesen.

Die im Berufungsverfahren noch umstrittene Frage, ob die Leistungspflicht der Beklagten in einzelnen Fällen nach § 1 Abs. 3 Satz 1 oder § 1 Abs. 4 Satz 1 TA ausgeschlossen ist, ist nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens.

Vorinstanz: OLG Dresden, vom 31.05.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 4 U 287/07
Vorinstanz: LG Dresden, vom 24.01.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 8 O 66/06