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BGH - Entscheidung vom 01.10.2008

IV ZR 133/07

Normen:
Teilungsabkommen
SGB X § 116 Abs. 1
BGB § 133 § 157

BGH, Urteil vom 01.10.2008 - Aktenzeichen IV ZR 133/07

DRsp Nr. 2008/19260

Inanspruchnahme des Haftpflichtversicherers für Aufwendungen für die Heilbehandlung von gestürzten, gesetzlich krankenversicherten pflegebedürftigen Heimbewohnern

Zur Bedeutung des in der Haftpflichtversicherung geltenden Trennungsprinzips für die Auslegung eines Teilungsabkommens.

Normenkette:

Teilungsabkommen; SGB X § 116 Abs. 1 ; BGB § 133 § 157 ;

Tatbestand:

Die Klägerin, eine gesetzliche Krankenkasse, nimmt die Beklagte als Haftpflichtversicherer von Pflegeheimen aus einem zwischen dem Bundesverband der Ortskrankenkassen und der Beklagten geschlossenen Teilungsabkommen, dem die Klägerin beigetreten ist, auf Ersatz von Kosten in Höhe von 10.365,74 EUR in Anspruch, die sie für die Heilbehandlung von 5 in Pflegeheimen gestürzte, bei ihr gesetzlich krankenversicherte pflegebedürftige Heimbewohner aufgewendet hatte. Das Teilungsabkommen enthält unter anderem folgende Regelungen:

"§ 1

(1) Kann eine diesem Abkommen beigetretene Krankenkasse ("K") gegen eine natürliche oder juristische Person, die bei der "H" haftpflichtversichert ist, gemäß § 116 SGB X Ersatzansprüche aus Schadenfällen ihrer Versicherten oder deren mitversicherten Familienangehörigen (Geschädigte) geltend machen, so verzichtet die "H" auf die Prüfung der Haftungsfrage.

(2) Voraussetzung für die Anwendung des Abkommens ist in der Kraftfahrt-Haftpflichtversicherung ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen dem Schadenfall und dem Gebrauch eines Kraftfahrzeugs; bei der Allgemeinen Haftpflichtversicherung ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen dem Schadenfall und dem versicherten Haftpflichtbereich.

(3) Die Leistungspflicht der "H" entfällt, wenn schon aufgrund des unstreitigen Sachverhalts unzweifelhaft und offensichtlich ist, dass eine Schadenersatzpflicht des Haftpflichtversicherten gar nicht in Frage kommt. Dies gilt nicht für den Einwand des unabwendbaren Ereignisses (§ 7 II StVG ) und für den Fall, daß der Schaden durch eigenes Verschulden - jedoch nicht durch Vorsatz - des Geschädigten entstanden ist.

(4) Ferner findet in der Allgemeinen Haftpflichtversicherung das Abkommen keine Anwendung, wenn nach dem unstreitigen Sachverhalt kein objektiver Verstoß gegen Sorgfalts- und Verhaltensvorschriften vorliegt.

...

(8) Das Abkommen ist nur insoweit anwendbar, als die "H" für den Schadenfall Versicherungsschutz zu gewähren hat. ...

(9) Die "H" ersetzt der "K"

...

b) in übrigen Fällen der Allgemeinen Haftpflichtversicherung 45% der von ihr zu gewährenden Leistungen im Rahmen des § 4 dieses Abkommens.

..."

Die Beklagte meint, das Teilungsabkommen sei nicht anwendbar, weil es an dem nach § 1 Abs. 2 Halbs. 2 des Teilungsabkommens (TA) erforderlichen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Schadenfall und dem versicherten Haftpflichtbereich fehle. Hierzu genüge es nicht, dass die Verletzten einer der drei Pflegestufen des § 15 Abs. 1 SGB XI zugeordnet worden und im Rahmen ihres stationären Heimaufenthalts gestürzt seien. Allein aus dem Umstand, dass ein Heimbewohner gestürzt sei, könne nach der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. April 2005 (BGHZ 163, 53 ) nicht auf eine schuldhafte Pflichtverletzung des Pflegepersonals geschlossen werden. Vielmehr könne sich in dem Sturz auch nur das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht haben, für das der Haftpflichtbereich nicht eröffnet sei.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Das Berufungsgericht (OLG Rostock OLG-Report 2007, 734) hält die Voraussetzungen für die Anwendung des Teilungsabkommens nach § 1 Abs. 2 TA für gegeben. Es reiche aus, dass das Schadenereignis seiner Art nach in den Gefahrenbereich falle, für den der Haftpflichtversicherer Versicherungsschutz zu gewähren habe. Das sei der Fall, weil sich beim Sturz eines pflegebedürftigen Bewohners im Heim das typische Haftungsrisiko des Heimträgers verwirklicht haben könne. Entgegen der Ansicht der Beklagten könne für die Anwendbarkeit des Teilungsabkommens von der Klägerin nicht die konkrete Darlegung einer objektiven Pflichtverletzung verlangt werden. Dies würde die mit dem Teilungsabkommen gewollte pauschale Regulierung ohne Prüfung der Haftungsfrage aushebeln. Daran ändere auch die von der Beklagten angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs nichts, weil diese den Bereich der Haftung des Heimträgers gegenüber dem Heimbewohner betreffe.

II. Das Berufungsurteil ist richtig. Der Senat hat durch Urteil vom heutigen Tag in der Sache IV ZR 285/06 im selben Sinne entschieden. Er hat das klagabweisende Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg vom 18. Oktober 2006 ( 6 U 85/06) aufgehoben, das Urteil des Landgerichts geändert und der Klage einer anderen Allgemeinen Ortskrankenkasse aus demselben Teilungsabkommen gegen dieselbe Beklagte stattgegeben. Der Anwendungsbereich des Teilungsabkommens ist nach § 1 Abs. 2 TA bereits dann eröffnet, wenn der wegen der Verletzung des Heimbewohners geltend gemachte Schadensersatzanspruch, sein Bestehen unterstellt, unter das versicherte Wagnis fallen würde. Ob der Anspruch begründet ist, also dem Versicherungsnehmer unter anderem eine objektive Pflichtverletzung anzulasten ist, ist dagegen unerheblich, weil es dabei um die Haftungsfrage geht, auf deren Prüfung die Parteien verzichtet haben, und weil jede andere Auslegung dem Wortlaut und dem Zweck des Teilungsabkommens widersprechen würde. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das Senatsurteil verwiesen.

Vorinstanz: OLG Rostock, vom 11.05.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 8 U 73/06
Vorinstanz: LG Schwerin, vom 28.07.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 4 O 129/06