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BGH - Entscheidung vom 09.10.2008

III ZR 37/08

Normen:
BGB § 839 § 249

BGH, Urteil vom 09.10.2008 - Aktenzeichen III ZR 37/08

DRsp Nr. 2008/19651

Haftungsausfüllende Kausalität bei Amtspflichtverletzung

1. Wird aufgrund eines Grundstückskaufvertrages ein Kaufpreisanteil in Höhe von 70 DM je qm zur Bestreitung der Erschließungskosten zurückbehalten und ist erst auf Bestätigung der Gemeinde über die Durchführung der Erschließungsarbeiten auszahlbar, so haftet die Gemeinde, wenn aufgrund einer unrichtigen Auskunft über die Durchführung der Erschließungsarbeiten der Kaufpreisanteil vor deren Fertigstellung an den Verkäufer ausgezahlt wird.2. Dem Käufer entsteht jedoch lediglich in der Höhe ein Schaden, in der er aufgrund der unrichtigen Auskunft der Gemeinde selbst zu Erschließungskosten herangezogen wird. Ein Anspruch auf Verhalt des die tatsächlich entstandenen Erschließungskosten übersteigenden Kaufpreisanteils steht ihm nicht zu.

Normenkette:

BGB § 839 § 249 ;

Tatbestand:

Aufgrund eines notariellen Kaufvertrages vom 3. Februar 1993 erwarben die Kläger von der Firma Wohnungs- und Gewerbebau S. GmbH (im Folgenden: Firma S.) ein in der damals selbständigen Gemeinde A., deren Rechtsnachfolgerin die nunmehr beklagte Stadt E. ist, belegenes Grundstück in der Größe von 1.080 m² zum Kaufpreis von 115 DM/m². In dem Kaufvertrag war unter anderem bestimmt:

"Erschließungsbeiträge nach dem Baugesetzbuch und Lasten nach dem Kommunalabgabengesetz trägt der Verkäufer, der die äußere und innere Erschließung entsprechend dem bestehenden Bebauungsplan gewährleistet ...

Der Notar wird angewiesen, einen Teil des Kaufpreises in Höhe von DM 70,00/qm ... der hier verkauften Fläche erst auszuzahlen, wenn ihm die Gemeinde A. schriftlich bestätigt hat, dass die äußere und innere Erschließung entsprechend dem bestehenden Bebauungsplan fertig gestellt, abgenommen, abgerechnet und bezahlt ist oder die Zahlung sichergestellt ist und feststeht, dass der Käufer nicht mehr für Erschließungskosten für die Erschließung entsprechend dem Bebauungsplan nach BauGB oder Kommunalabgabengesetz herangezogen wird.

Für den Fall, dass die Erschließungskosten durch die Gemeinde beim Käufer angefordert werden, kann insoweit der für die Erschließung zurückbehaltene Betrag an den Käufer ausgezahlt werden ..."

Mit Schreiben vom 3. Juni 1993 bestätigte der Bürgermeister der Gemeinde A. dem Urkundsnotar, dass (1) die Zahlung der Erschließungskosten für die äußere und innere Erschließung entsprechend dem bestehenden Bebauungsplan für das gesamte Baugebiet, einschließlich des Grundstücks der Kläger, sichergestellt sei und (2) feststehe, dass die Grundstückseigentümer der vorbezeichneten Grundstücke oder Teilflächen dieser Grundstücke nicht mehr für diese Erschließungskosten nach BauGB oder Kommunalabgabengesetz herangezogen würden.

Aufgrund dieser Erklärung zahlte der Notar am 6. August 1993 den für die Erschließung zurückbehaltenen Teilbetrag des Kaufpreises von 75.600 DM (= 70 DM/m²) an die Verkäuferin aus.

Die Erklärung des Bürgermeisters war unrichtig gewesen, da die Erschließungsanlagen tatsächlich durch die Verkäuferin, Firma S., nicht fertig gestellt worden waren. Die Firma S. wurde insolvent. Deshalb übernahm die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der Gemeinde A. die Erschließung und setzte hierfür mit Bescheid vom 17. Juni 1998 gegen die Kläger einen Beitrag in Höhe von 26.807,53 DM fest.

In einem Vorprozess gleichen Rubrums erwirkten die Kläger die rechtskräftige Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihnen den Schaden zu ersetzen, der ihnen aus der falschen Auskunft des Bürgermeisters der Gemeinde A. in dem Schreiben vom 3. Juni 1993 an den Urkundsnotar, betreffend die Erschließung des Baugebiets, entstanden ist und noch entstehen wird.

Mit ihrem Amtshaftungsanspruch haben die Kläger gegen den festgesetzten Erschließungskostenbeitrag der Beklagten aufgerechnet. Die Beklagte nimmt dies hin.

Die Kläger sind darüber hinaus der Auffassung, bei pflichtgemäßem Handeln des Bürgermeisters der Gemeinde A., d.h. wenn dieser die unrichtige Auskunft nicht erteilt hätte, hätte ihnen der auf dem Notarkonto hinterlegte Differenzbetrag von (75.600 DM abzüglich der festgesetzten Erschließungsbeiträge von 26.807,53 DM =) 48.792,47 DM [24.947,19 EUR] zugestanden. Diesen Betrag verlangen sie mit der vorliegenden Amtshaftungsklage von der Beklagten.

Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre Forderung gegen die Beklagte weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist nicht begründet.

Zwar haben die Kläger aufgrund der unstreitig amtspflichtwidrigen Falschauskunft des Bürgermeisters der Gemeinde A. einen Schaden erlitten. Dieser beschränkt sich jedoch auf die Belastung mit den von der Beklagten festgesetzten Erschließungsbeiträgen, die durch die von den Klägern erklärte Aufrechnung abgegolten und nicht mehr streitgegenständlich sind. Der allein noch im Streit befindliche weitergehende Anspruch steht den Klägern nicht zu,

1. Entgegen der Betrachtungsweise der Kläger hatten sie gegen ihre Vertragspartnerin, die Firma S., nicht etwa einen - isolierten - Anspruch auf Herstellung der Erschließungsanlagen zum Preise von 70 DM/m². Ihnen stand vielmehr lediglich ein kaufrechtlicher Anspruch auf Übereignung und Besitzübertragung des erschlossenen Grundstücks zum Kaufpreis von pauschal 115 DM/m² zu. Der auf die Erschließungskosten entfallende Betrag von 70 DM/m² war lediglich ein rechtlich unselbständiges Kalkulationselement innerhalb dieses Gesamtpreises.

2. Dementsprechend haben die Kläger selbst zutreffend darauf hingewiesen, dass hinter der Kalkulation von 70 DM/m² zum einen die Chance der Verkäuferin, Firma S., stand, tatsächlich billiger erschließen zu können und den Restbetrag behalten zu dürfen, zum anderen aber auch das Risiko der Verkäuferin, dass die Erschließung mehr kosten werde. Im ersteren Fall hätten die Kläger als Käufer den übrig gebliebenen Betrag nicht zurückverlangen können, im letzteren Fall hätten die Kläger aber dafür auch keine Nachzahlungen leisten müssen.

3. Bei amtspflichtgemäßem Handeln des Bürgermeisters der Gemeinde A. wäre der einbehaltene Betrag von 75.600 DM nicht an die Firma S. ausgekehrt worden, sondern bei dem Notar verblieben. Andererseits hätte sich dann die in dem Vertrag selbst bereits geregelte Möglichkeit verwirklicht, dass die Kläger unmittelbar von der Beklagten zur Zahlung der Erschließungsbeiträge herangezogen worden wären. In diesem Falle hätten sie die dafür erforderlichen Geldmittel aus dem beim Notar liegenden einbehaltenen Betrag entnehmen können.

4. Anhaltspunkte dafür, dass in diesem Falle der nicht verbrauchte Differenzbetrag den Klägern - und nicht etwa der Verkäuferin oder deren Insolvenzverwalter - hätte zustehen sollen, sind dem Vertrag dagegen nicht zu entnehmen. Nach der eingangs beschriebenen, von den Klägern selbst aufgezeigten Risikoverteilung hätte sich insoweit vielmehr eine Gewinnchance der Verkäuferin verwirklicht und hätte der Mehrbetrag als Teil des einheitlichen Kaufpreises für das voll erschlossene Grundstück der Verkäuferin zugestanden.

5. Im Ergebnis ist dieser Zustand auch eingetreten, indem die Kläger im Wege des von der Beklagten zu leistenden Schadensersatzes von der Belastung mit diesen Mehrkosten verschont geblieben sind. Zu Recht hat das Berufungsgericht daher darauf hingewiesen, dass eine darüber hinausgehende Rückzahlung der hinterlegten Erschließungskosten an die Kläger vertraglich nicht vorgesehen gewesen sei und die Kläger als Gegenleistung das erhalten haben, was ihnen auch ohne die falsche Auskunft zugeflossen wäre: Ein erschlossenes Baugrundstück zum vereinbarten Kaufpreis, insbesondere zu den ursprünglich vereinbarten Erschließungskosten. Die diesbezügliche Vertragsauslegung des Berufungsgerichts hält somit der revisionsgerichtlichen Nachprüfung in vollem Umfang stand und weist insbesondere - entgegen der Darstellung der Revisionsbegründung - weder Widersprüchlichkeiten noch sonstige Inkonsequenzen auf. Erst recht kann nicht die Rede davon sein, dass die Beklagte hier einseitig zu Lasten der Kläger bevorzugt worden ist.

Vorinstanz: OLG Thüringen, vom 23.01.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 4 U 83/06
Vorinstanz: LG Erfurt, vom 19.12.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 8 O 2769/04