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BGH - Entscheidung vom 03.06.2008

3 StR 163/08

Normen:
StPO § 260 Abs. 1

Fundstellen:
NStZ-RR 2008, 316

BGH, Beschluß vom 03.06.2008 - Aktenzeichen 3 StR 163/08

DRsp Nr. 2008/13305

Erforderlichkeit eines Teilfreispruchs bei Anklage tatmehrheitlicher Taten

Ein Angeklagter, der nicht wegen aller Delikte verurteilt wird, die er der Anklage zufolge in Tatmehrheit begangen haben soll, ist insoweit freizusprechen, um Anklage und Eröffnungsbeschluss zu erschöpfen; dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn das Gericht das Konkurrenzverhältnis anders beurteilt und von Tateinheit ausgeht.

Normenkette:

StPO § 260 Abs. 1 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Bestimmens eines Minderjährigen zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und anderer Delikte zur Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch wie auch zum Strafausspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

1. Das Urteil hat indes keinen Bestand, soweit das Landgericht die Prüfung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB ) unterlassen hat. Nach den - rechtsfehlerfrei getroffenen - Urteilsfeststellungen war dies veranlasst. Der Angeklagte hat im Alter von 15 Jahren erstmals "gekifft". Später probierte er Kokain, Speed und chemische Drogen. Im letzten halben Jahr vor seiner Verhaftung konsumierte er täglich Betäubungsmittel und zusätzlich Alkohol. Nach den - insoweit unwiderlegt gebliebenen - Angaben des Angeklagten handelte er mit Betäubungsmitteln, um seinen - zuletzt stark angestiegenen - Drogenkonsum zu finanzieren.

Diese Sachlage legt nahe, dass die gegenständlichen Taten auf einen Hang des Angeklagten zurückgehen, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Daher hätte das Landgericht prüfen und entscheiden müssen, ob die Voraussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gegeben sind. Daran hat sich durch die Neufassung des § 64 StGB nichts geändert (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 72 ). Den bisher getroffenen Feststellungen ist auch nicht zu entnehmen, dass die Maßregelanordnung jedenfalls deswegen ausscheiden müsste, weil es an der hinreichend konkreten Aussicht eines Behandlungserfolges (§ 64 Satz 2 StGB ) fehlt.

Der aufgezeigte Rechtsfehler lässt hier den Strafausspruch unberührt. Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt mildere Einzelstrafen oder eine geringere Gesamtstrafe verhängt hätte.

Zur Prüfung der Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB bedarf es in der neuen Hauptverhandlung der Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246 a StPO ).

2. Der die Tatkomplexe eins bis sieben und neun bis 28 der Anklage betreffende Teilfreispruch kann insgesamt nicht bestehen bleiben.

Allerdings ist ein Angeklagter, der nicht wegen aller Delikte verurteilt wird, die er der Anklage zufolge in Tatmehrheit begangen haben soll, insoweit freizusprechen, um Anklage und Eröffnungsbeschluss zu erschöpfen; dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn das Gericht das Konkurrenzverhältnis anders beurteilt und von Tateinheit ausgeht (st. Rspr.; vgl. BGHSt 44, 196 , 202). Voraussetzung ist jedoch, dass das Gericht die als tatmehrheitlich angeklagte "Tat" nicht für erwiesen hält. So verhält es sich hier gerade nicht: Das Landgericht hat den Angeklagten lediglich deshalb freigesprochen, weil die tatmehrheitlich angeklagten Betäubungsmittelstraftaten nach seiner rechtlichen Würdigung nicht Gegenstand eines selbständigen Schuld- und Strafausspruchs sein konnten. Unter diesen Umständen ist für einen Teilfreispruch kein Raum (vgl. BGH NStZ 2003, 546 ; NStZ 2004, 554 ). Dieser muss daher entfallen. Das Verschlechterungsverbot steht dem nicht entgegen.

3. In den Fällen B. VII. und VIII. der Urteilsgründe (Fälle 31 und 32 der Anklage) hat das Landgericht Geldstrafen verhängt. Dabei hat es zwar die Tagessatzanzahl mit 90 bzw. 30 festgesetzt, aber unterlassen, die Höhe eines Tagessatzes zu bestimmen (§ 40 Abs. 2 Satz 1 StGB ). Dessen bedarf es auch dann, wenn wie hier aus den Einzelgeldstrafen und Einzelfreiheitsstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet worden ist (BGHSt 30, 93 , 96; BGHR StGB § 54 Abs. 3 Tagessatzhöhe 1). Der Senat hat dies dadurch nachgeholt, dass er den einzelnen Tagessatz auf das Mindestmaß von einem Euro festgesetzt hat (§ 40 Abs. 2 Satz 3 StGB ; vgl. BGH, Beschl. vom 11. Januar 2006 - 2 StR 571/05).

Vorinstanz: LG Düsseldorf, vom 21.12.2007
Fundstellen
NStZ-RR 2008, 316