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BGH - Entscheidung vom 13.03.2008

I ZR 156/07

Normen:
ZPO § 712 Abs. 1 S. 1 § 719 Abs. 2 S. 1

BGH, Beschluß vom 13.03.2008 - Aktenzeichen I ZR 156/07

DRsp Nr. 2008/5990

Einstellung der Zwangsvollstreckung im Revisionsverfahren

Die Einstellung der Zwangsvollstreckung im Revisionsverfahren kommt nur in Betracht, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und kein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegen steht. Sie kommt darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn der Schuldner im Berufungsrechtszug einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO gestellt und substantiiert dargelegt hat, dass ihm die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde.

Normenkette:

ZPO § 712 Abs. 1 S. 1 § 719 Abs. 2 S. 1 ;

Gründe:

I. Den Beklagten ist durch Urteil des Landgerichts vom 2. Februar 2006 unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt worden, in Deutschland im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs ohne behördliche Erlaubnis Glücksspiele und/oder Sportwetten anzubieten und/oder zu bewerben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist vom Oberlandesgericht zurückgewiesen worden. Das Berufungsgericht hat das Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt, den Beklagten jedoch u.a. gestattet, die Vollstreckung des Unterlassungsausspruchs durch Sicherheitsleistung in Höhe von 400.000 Euro abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Einen weitergehenden Antrag der Beklagten auf Vollstreckungsschutz gemäß § 712 ZPO hat das Berufungsgericht (ohne besonderen Ausspruch) abgelehnt und dazu in den Entscheidungsgründen ausgeführt, die international tätigen Beklagten hätten nicht dargelegt, dass ihnen durch die Vollstreckung des Unterlassungstitels ein unersetzlicher Nachteil drohe. Dass die Befolgung des Unterlassungsgebots zu wirtschaftlichen Einbußen führe, liege in der Natur der Sache und könne allein kein Anlass sein, den Beklagten entgegen der gesetzlichen Wertung der § 708 Nr. 10, § 711 ZPO das Recht einzuräumen, ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Gläubigerin die Zwangsvollstreckung abzuwenden.

Die Beklagten haben von der Abwendungsbefugnis Gebrauch gemacht. Die Klägerin hat die Gegensicherheit gestellt und beantragt, die Vollstreckung gegen die Beklagten fortzusetzen.

Die Beklagten haben - die vom Berufungsgericht zugelassene - Revision gegen das Berufungsurteil eingelegt.

Sie beantragen,

die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 14. September 2007 einstweilen einzustellen.

Zur Begründung tragen sie vor, die Vollstreckung würde ihnen einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen. Dies liege schon deshalb auf der Hand, weil das Berufungsgericht die Gegensicherheit auf lediglich 400.000 Euro festgesetzt und es so der Klägerin ermöglicht habe, die Sicherheitsleistung der Beklagten mit unverhältnismäßig niedrigem Aufwand außer Kraft zu setzen. Außerdem habe die Beklagte zu 1 allein in den Jahren 2005 und 2006 in Deutschland Investitionen von über 85 Millionen Euro in den Aufbau ihrer Marke "B." getätigt, die vernichtet würden, wenn das Berufungsurteil vollstreckt würde. Der damit zugleich verbundene Imageschaden hätte auch in den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft massive negative Auswirkungen für die Beklagte zu 1.

II. Der Antrag der Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist unbegründet.

1. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung ist im Revisionsverfahren an besonders strenge Voraussetzungen geknüpft. Sie kommt nur in Betracht, wenn auf der einen Seite die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und auf der anderen Seite kein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht (§ 719 Abs. 2 Satz 1 ZPO ). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 2 Satz 1 ZPO regelmäßig dann abzulehnen, wenn der Schuldner von anderen ihm zu Gebote stehenden Möglichkeiten, seine Interessen zu wahren, keinen Gebrauch gemacht hat. Hierzu zählt namentlich, dass er es versäumt hat, im Berufungsrechtszug einen Vollstreckungsschutzantrag gemäß § 712 ZPO zu stellen, obwohl ihm ein solcher Antrag möglich und zuzumuten gewesen wäre (BGH, Beschl. v. 8.8.1991 - I ZR 141/91, GRUR 1991, 943 = WRP 1991, 721 - Einstellungsbegründung I; Beschl. v. 2.4.1997 - I ZR 14/97, GRUR 1997, 545, 546 - Einstellungsbegründung II; Beschl. v. 22.7.2002 - I ZR 135/02). Nicht anders ist der Fall zu behandeln, dass zwar ein Vollstreckungsschutzantrag gemäß § 712 ZPO gestellt worden ist, ihn rechtfertigende Gründe aber trotz Erkennbarkeit und Nachweisbarkeit nicht vorgebracht worden sind und der Antrag aus diesem Grund in der Berufungsinstanz keinen Erfolg hatte (BGH GRUR 1997, 545, 546 - Einstellungsbegründung II). Denn auch in diesem Fall verhindert der Vollstreckungsschuldner, wie bei der überhaupt fehlenden Antragstellung, die Prüfung der bereits erkennbaren und nachweisbaren Gründe für die begehrte Einstellung im Berufungsverfahren, in dem regelmäßig nach Anhörung des Vollstreckungsgläubigers aufgrund mündlicher Verhandlung, mithin nach zuverlässiger Sicherung des rechtlichen Gehörs, entschieden wird.

2. So liegt der Fall auch hier. Die Beklagten haben im Berufungsverfahren zwar einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 Abs. 1 Satz 1 ZPO gestellt. Sie haben dabei jedoch nicht substantiiert dargelegt, dass ihnen die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde.

a) Die Beklagten haben ihren Schutzantrag nach § 712 Abs. 1 Satz 1 ZPO mit Schriftsatz vom 28. August 2006 (S. 19, GA 647) lediglich damit begründet, im Falle der Bestätigung und Vollstreckung des erstinstanzlichen Urteils entstünde der Beklagten zu 1 durch die Untersagung der grenzüberschreitenden Erbringung ihrer Dienstleistungen ein nicht wiedergutzumachender Schaden. Das ist lediglich eine Wiederholung der gesetzlichen Voraussetzungen mit anderen Worten, der, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, eine Begründung für einen infolge der Vollstreckung drohenden nicht zu ersetzenden Nachteil nicht entnommen werden kann. Da bereits das Landgericht den in der ersten Instanz mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2005 (S. 82/83, GA 293/294) gestellten - gleichfalls nicht näher begründeten - Schutzantrag der Beklagten nach § 712 ZPO mit der Begründung abgelehnt hatte, es sei nicht ersichtlich, dass die Vollstreckung den Beklagten einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, und dem Antrag stehe zudem das überwiegende Interesse der Klägerin entgegen (LGU S. 23), bedurfte es eines (weiteren) Hinweises des Berufungsgerichts auf die mangelnde Substantiierung des Vollstreckungsschutzbegehrens der Beklagten nicht.

b) Es kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die nunmehr vorgetragenen Einbußen, die den Beklagten nach ihrem Vorbringen im Hinblick auf die von der Beklagten zu 1 in den Jahren 2005 und 2006 getätigten finanziellen Aufwendungen durch die Vollstreckung des Unterlassungsgebots drohen, bereits im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 14. September 2007 erkennbar und nachweisbar waren und die Beklagten sie daher schon im Berufungsrechtszug substantiiert hätten vortragen können. Die Frage, ob diese Einbußen als ein nicht zu ersetzender Nachteil im Sinne von § 719 Abs. 2 Satz 1 ZPO anzusehen sind, kann daher offenbleiben. Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich ein unersetzlicher Nachteil im Sinne von § 719 Abs. 2 ZPO nicht schon aus der Höhe der vom Berufungsgericht nach § 711 Satz 1 ZPO bestimmten Sicherheitsleistung. Die Höhe der Sicherheitsleistung des Gläubigers ist so zu bemessen, dass sie einen (etwaigen) Anspruch des Schuldners auf Ersatz seines Schadens aus einer ungerechtfertigten Vollstreckung abdeckt (vgl. Musielak/Lackmann, ZPO , 5. Aufl., § 709 Rdn. 4; Zöller/Herget, ZPO , 26. Aufl., § 709 Rdn. 3). Handelt es sich wie hier um ein Berufungsurteil nach § 708 Nr. 10 ZPO , ist der Erstattungsanspruch des Schuldners bei einer ungerechtfertigten Vollstreckung gemäß § 717 Abs. 3 Satz 2 und 3 ZPO auf die Rückgabe des von dem Schuldner aufgrund des vorläufig vollstreckbaren Urteils Gezahlten oder Geleisteten nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung beschränkt. Dem genügt die Höhe der vom Berufungsgericht angeordneten Sicherheitsleistung für die (vorläufige) Vollstreckung des Unterlassungsausspruchs. Auch der von den Beklagten angeführte Umstand, dass die Vollstreckung des Unterlassungsausspruchs das Prozessergebnis vorwegnehmen würde, ist als solcher kein unersetzlicher Nachteil im Sinne des § 719 Abs. 2 ZPO (BGH, Beschl. v. 6.7.1979 - I ZR 55/79, GRUR 1979, 807 = WRP 1979, 715 - Schlumpfserie; Beschl. v. 9.11.1995 - I ZR 220/95, GRUR 1996, 78 = WRP 1996, 107 - Umgehungsprogramm).

Vorinstanz: OLG Köln, vom 14.09.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 6 U 63/06
Vorinstanz: LG Köln, vom 02.02.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 31 O 605/04