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BGH - Entscheidung vom 05.08.2008

5 StR 319/08

Normen:
StPO § 261

Fundstellen:
StraFo 2008, 431

BGH, Beschluß vom 05.08.2008 - Aktenzeichen 5 StR 319/08

DRsp Nr. 2008/16788

Ausschöpfen einer akzeptierten Alibibehauptung

Eine vom Tatgericht akzeptierte Alibibehauptung muss erschöpfend ausgewertet werden.

Normenkette:

StPO § 261 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen sowie wegen Vornahme exhibitionistischer Handlungen in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit tätlicher Beleidigung, schuldig gesprochen und unter Einbeziehung einer anderweitig verhängten Freiheitsstrafe zu einer (ersten) Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Angeklagte wurde ferner wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern, des Besitzes kinderpornografischer Schriften sowie des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Das Landgericht hat zudem einen Laptop des Angeklagten eingezogen und Führungsaufsicht angeordnet. Die Revision erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO ; insoweit bleiben Schuld- und Einzelstrafaussprüche sowie die zweite Gesamtstrafe und die dieser zugrunde liegenden Feststellungen, damit auch sämtliche Feststellungen zur Person des Angeklagten, aufrechterhalten.

1. Im Fall II. 5. der Urteilsgründe - sexueller Missbrauch eines Kindes gemäß § 174 Abs. 4 Nr. 1 StGB - hat sich das Landgericht durch die Aussage der elf Jahre alten Zeugin K. von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt. Der Schuldspruch hat in diesem Fall keinen Bestand, weil das Landgericht eine im Ansatz akzeptierte Alibibehauptung nicht erschöpfend ausgewertet hat (vgl. BGH NJW 2003, 150 , 152; 2006, 925, 928; Brause NStZ 2007, 505, 506).

Das Landgericht hat Bekundungen der damaligen Freundin des Angeklagten "als richtig unterstellt" (UA S. 53), dass der Angeklagte sie gegen 12:05 Uhr mit dem PKW an ihrer Arbeitsstelle abgeholt hatte und nach einer 15 Minuten dauernden Fahrt zu dem etwas außerhalb Northeims gelegenen Marktkauf gefahren sei, wo sie einen 30 bis 35 Minuten dauernden Einkauf getätigt hätten. Dessen Bezahlung erfolgte laut elektronisch erstelltem Beleg um 13:17 Uhr per ec-Karte, die Belastung des Kontos des Angeklagten um 13:29 Uhr (UA S. 53). Das Landgericht sieht in der Differenz von 20 Minuten zwischen dem Ende des Einkaufs, wie ihn die Zeugin geschildert hat (12:50 bis 12:55 Uhr), und dem durch den Zahlungsbeleg ausgewiesenen Zeitpunkt (13:17 Uhr) einen Zeitraum, den der Angeklagte zur Tatausführung genutzt hat (UA S. 53 f.).

Diese Beweisführung lässt - abgesehen von näheren Überlegungen zum Aufenthalt des Angeklagten beim Bezahlvorgang - schon außer Acht, dass es angesichts des Einkaufsendes um 12:50 Uhr ausgeschlossen erscheint, dass der Angeklagte zur Tatzeit "kurz vor 13:00 Uhr" (UA S. 21) an dem nicht offensichtlich in unmittelbarer Nähe des Marktkaufs befindlichen Tatort erscheinen konnte. Darüber hinaus hat das Landgericht den Beweiswert der elektronisch erstellten Zahlungsbelege nicht ausgeschöpft (vgl. auch BGH wistra 2007, 108 , 109). Eventuell hätten freilich auch die Zeitangaben der Zeugin, der mehr als zwei Jahre zurückliegende Einkauf habe 30 bis 35 Minuten gedauert, kritischer bewertet werden müssen. Von alldem war das Landgericht nicht etwa durch die besondere Qualität der Aussage der Belastungszeugin enthoben.

2. Der Fall II. 5. der Urteilsgründe bedarf demnach neuer Aufklärung und Bewertung. Der Wegfall eines Schuldspruchs führt zur Aufhebung der ersten Gesamtfreiheitsstrafe und der Anordnung der Maßregel der Führungsaufsicht. Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, den Umfang der Anrechnung einer vom Angeklagten erfüllten Bewährungsauflage im Tenor zu bestimmen (vgl. BGHSt 36, 378 ).

Vorinstanz: LG Göttingen,
Fundstellen
StraFo 2008, 431