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BGH - Entscheidung vom 14.07.2008

II ZR 92/07

Normen:
ZPO § 544 Abs. 7
GG Art. 103 Abs. 1

BGH, Beschluß vom 14.07.2008 - Aktenzeichen II ZR 92/07

DRsp Nr. 2008/16521

Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs

Das rechtliche Gehör im Zivilverfahren ist verletzt, wenn ein Gericht den Vortrag einer Partei nur selektiv zur Kenntnis nimmt und erforderliche Beweise nicht erhebt.

Normenkette:

ZPO § 544 Abs. 7 ; GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe:

I. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird zurückgewiesen, weil, soweit er durch das angegriffene Urteil beschwert ist, keiner der im Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO ) vorgesehenen Gründe vorliegt, nach denen der Senat die Revision zulassen darf. Der Rechtsstreit der Parteien hat insoweit weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO abgesehen.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerden der Beklagten zu 2 und 3 sind begründet und führen gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit die Beklagten zu 2 und 3 durch das angefochtene Urteil beschwert sind.

Das Berufungsgericht hat im Hinblick auf die Beklagten zu 2 und 3 deren Vortrag nur selektiv zur Kenntnis genommen, erforderliche Beweise nicht erhoben und dadurch den Anspruch der Beklagten zu 2 und 3 auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG ) in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

1. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob bereits der Firmengründer K. S. und dessen Erbe und Nachfolger P. S. die Grundstücke dem Werte nach in die Gesellschaft eingebracht haben, eine solche Einbringung jedoch auf Grund der von ihm ausgewerteten Indizien festgestellt für die Zeit nach dem Tode des P. S. bzw. (erneut) nach dem Ausscheiden der Frau O. zum 31. Dezember 1987.

a) Gerade für diesen Zeitpunkt hatte der Beklagte zu 3 jedoch bereits erstinstanzlich vorgetragen und unter Beweis durch Zeugnis der ausgeschiedenen Gesellschafterin O. sowie der an der Auseinandersetzung der Parteien beteiligten Berater S. und v. d. H. gestellt, dass die Beteiligten der Erbauseinandersetzung, d.h. die Beklagten zu 1 bis 3 sowie Frau O., anlässlich der Auseinandersetzung übereinstimmend davon ausgegangen seien, dass die Grundstücke nicht, auch nicht wertmäßig, in die Insolvenzschuldnerin eingebracht worden seien. Die Beklagten hätten auch nicht beschlossen, die neu gebildeten Miteigentumsanteile nach dem Ausscheiden von Frau O. wertmäßig in die spätere Insolvenzschuldnerin einzubringen. Diese Beweisantritte hat er in der Berufungsinstanz wiederholt (GA I 91 f., 199, GA II 77, 161 f., 175, i.V.m. Anlage B 2).

Angesichts dieses unter Beweis gestellten Vorbringens konnte das Berufungsgericht nicht allein auf Grund der Indizien als bewiesen ansehen, dass die Grundstücke zu den von ihm angenommenen Zeitpunkten nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien eingebracht waren. Insbesondere trägt insoweit die Begründung BU 15, 4. Absatz nicht. Gingen, wie der Beklagte zu 3 behauptet, alle Beteiligten im Zeitpunkt der Auseinandersetzung davon aus, dass die Grundstücke nicht wertmäßig eingebracht waren und dies auch nicht ab diesem Zeitpunkt erfolgen sollte, durfte das Berufungsgericht die diesbezüglichen Beweisantritte nicht mit der Begründung übergehen, es könne als wahr unterstellt werden, dass kein ausdrücklicher Beschluss über die Einbringung gefasst worden sei. Damit hat es den Kern des Vorbringens in einer Weise nicht zur Kenntnis genommen, der einer Nichtzurkenntnisnahme gleich kommt. Darin liegt ein Verstoß gegen Art. 103 GG .

b) Dieser Verstoß des Berufungsgerichts gegen das Grundrecht der Beklagten auf rechtliches Gehör ist auch entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Zeugen die Darstellung der Beklagten bestätigen. Dann ist aber nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht die von ihm festgestellten Indizien nicht mehr als ausreichenden Nachweis für die Behauptung des Klägers, das Grundstück sei wertmäßig in die Gesellschaft eingebracht worden, hätte ausreichen lassen.

2. a) Da das Berufungsgericht eine Einbringung dem Werte nach durch die Firmengründer nicht festgestellt hat, musste es, da es im Übrigen vorwiegend auf Indizien abgestellt hat, die schon seit dem Jahre 1962 unverändert bestanden, bei der Feststellung des von ihm angenommenen Veränderungswillens der Beklagten im Sinne einer von ihnen gewollten Einbringung quoad sortem, den diesbezüglichen Vortrag der Parteien nicht nur selektiv, sondern vollständig zur Kenntnis nehmen. Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass gerade die Beklagte zu 2 durchgängig vorgetragen hat, dass die Beklagten keinen derartigen Willen gebildet haben. Insbesondere ist die Beklagte zu 2 dem gegenteiligen Vortrag des Beklagten zu 3 in den früheren gerichtlichen Streitigkeiten - unstreitig - stets entgegengetreten. Angesichts dessen konnte das Berufungsgericht zur Unterstützung des von ihm gefundenen Ergebnisses nicht die - einmalige - gegenteilige Äußerung der Beklagten zu 2 (K 28) zur Begründung seiner Entscheidung heranziehen, ohne dabei zu berücksichtigen, dass die Beklagte zu 2 ihre diesbezügliche Äußerung ausdrücklich als Versehen richtig gestellt hatte. Gerade im Hinblick darauf, dass es für die von dem Berufungsgericht angenommene Einbringung im Zeitpunkt nach dem Tode des P. S. bzw. im Zeitpunkt der Erbauseinandersetzung auf den übereinstimmenden Willen der dann verbliebenen Gesellschafter ankam, stellt diese nur selektive Wahrnehmung des Sachvortrags der Beklagten zu 2 einen weiteren Verstoß des Berufungsgerichts gegen Art. 103 GG dar.

b) Ebenso wenig durfte das Berufungsgericht den Vortrag unberücksichtigt lassen, dass die Umbaumaßnahmen auf den Grundstücken mit privatem Geld und im Namen des Paul S. durchgeführt worden sind.

c) Auch hinsichtlich dieses übergangenen Vortrags ist der darin liegende Verstoß gegen Art. 103 GG entscheidungserheblich, da auch insoweit nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht die Indizien anders gewertet hätte, wenn es den Vortrag vollständig zur Kenntnis genommen hätte.

Vorinstanz: OLG Karlsruhe, vom 05.04.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 14 U 225/04
Vorinstanz: LG Freiburg, vom 19.11.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 12 O 35/04