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BGH - Entscheidung vom 02.04.2008

XII ZR 44/06

Normen:
BGB § 1476 Abs. 2 § 1477 Abs. 2 S. 2

Fundstellen:
BGHReport 2008, 1018
FamRB 2008, 261
FuR 2008, 408
MDR 2008, 921
NJW 2008, 2983
NotBZ 2008, 340

BGH, Urteil vom 02.04.2008 - Aktenzeichen XII ZR 44/06

DRsp Nr. 2008/12138

Ansprüche der Ehegatten nach Beendigung der Gütergemeinschaft

»Nach Beendigung der Gütergemeinschaft kann ein Ehegatte die Übernahme von ihm eingebrachter Vermögensgegenstände auch dann verlangen, wenn das überschüssige Gesamtgut im Übrigen noch nicht verteilt ist. Dem anderen Ehegatten steht jedoch ein Anspruch auf Sicherheitsleistung in Höhe des hälftigen Wertes dieser Vermögensgegenstände zu; diesen Anspruch kann er gemäß § 273 BGB dem Übernahmeverlangen entgegensetzten (im Anschluss an BGHZ 71, 24).«

Normenkette:

BGB § 1476 Abs. 2 § 1477 Abs. 2 S. 2 ;

Tatbestand:

Die Parteien sind rechtskräftig geschiedene Eheleute. Die Klägerin begehrt die Übernahme mehrerer in die Gütergemeinschaft mit dem Beklagten eingebrachter Grundstücke, die ihr von ihren Eltern mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht übertragen worden waren.

Die Gütergemeinschaft ist noch nicht auseinandergesetzt. Die auf den Grundstücken lastenden Verbindlichkeiten bestehen nicht mehr oder sind von der Klägerin - unter Entlassung des Beklagten aus der gesamtschuldnerischen Mithaftung - allein übernommen worden. Sonstige aus dem Gesamtgut zu befriedigende Verbindlichkeiten bestehen nicht.

Der Beklagte hat den Übernahmeanspruch anerkannt, allerdings nur Zug um Zug gegen Ersatz des Wertes der Grundstücke, hilfsweise - für den Fall, dass die Klägerin von ihrer Abwendungsbefugnis aus § 273 Abs. 3 BGB Gebrauch macht - gegen Sicherheitsleistung.

Das Amtsgericht hat den Beklagten (uneingeschränkt) zur Übertragung des Eigentums an den Grundstücken verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung blieb ohne Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte das von ihm geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht weiter.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts kann die Klägerin vom Beklagten die Herausgabe der Grundstücke gemäß § 1477 Abs. 2 BGB verlangen. Zwar habe die Übernahme der Grundstücke gegen Ersatz ihres Wertes zu erfolgen. Dem Beklagten stehe jedoch kein Anspruch auf Zahlung des Wertersatzes und deshalb insoweit auch kein Zurückbehaltungsrecht zu, das er dem Übernahmeverlangen der Klägerin entgegensetzen könne. Der vom übernehmenden Ehegatten nach § 1477 Abs. 2 BGB geschuldete Wertersatz sei nicht durch Zahlung an das Gesamtgut zu leisten; vielmehr sei gemäß § 1476 Abs. 2 Satz 1 BGB eine Verrechnung mit dem Anteil am Überschuss vorzunehmen, der sich zugunsten des übernehmenden Ehegatten bei der Auseinandersetzung des Gesamtgutes (unter Hinzurechnung des Wertersatzes) ergebe. Dies gelte auch dann, wenn die Gütergemeinschaft noch nicht auseinandergesetzt sei. Gegenstand eines Zurückbehaltungsrechts des Beklagten könne deshalb nur dessen Anspruch auf Auszahlung seines Auseinandersetzungsguthabens sein. Der Beklagte habe indes die Höhe eines solchen Anspruchs nicht dargelegt.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Zu Recht und von der Revision nicht angegriffen hat das Oberlandesgericht der Klägerin einen Anspruch auf Übernahme der von ihr eingebrachten Grundstücke unbeschadet der noch auf einzelnen dieser Grundstücke lastenden Verbindlichkeiten zuerkannt.

Das Recht der Klägerin zur Übernahme der von ihr in die Gütergemeinschaft eingebrachten Grundstücke ergibt sich aus § 1477 Abs. 2 BGB . Mit der rechtskräftigen Scheidung ist die vereinbarte Gütergemeinschaft beendet; die Parteien haben sich jedoch noch über das Gesamtgut auseinanderzusetzen (§ 1471 BGB ). Nach §§ 1474 bis 1481 BGB sind dabei zunächst die Gesamtgutsverbindlichkeiten zu berichtigen. Erst danach wird der Überschuss verteilt. Zur Art und Weise der Verteilung des Überschusses gehört auch die Ausübung eines Übernahmerechts an einem eingebrachten Gegenstand; der Verteilung muss deshalb grundsätzlich die Berichtigung der Gesamtgutsverbindlichkeiten vorausgehen (zur Möglichkeit einer vorzeitigen Übernahme Senatsurteile vom 8. Juni 1988 - IVb ZR 18/87 - FamRZ 1988, 926 , 927 und BGHZ 171, 24 , 27 = FamRZ 2007, 625 , 626). Solche vorrangig zu berichtigenden Verbindlichkeiten liegen hier indes nicht vor. Zwar lasten auf den Grundstücken, deren Übernahme die Klägerin beansprucht, zum Teil noch Verbindlichkeiten. Die persönliche Haftung für diese Verbindlichkeiten hat die Klägerin jedoch - mit schuldbefreiender Wirkung für den Beklagten - übernommen; dessen Belange werden deshalb insoweit durch die mit der Übernahme der Grundstücke einhergehende Verkürzung des Gesamtguts als Haftungsmasse nicht tangiert. Sonstige Verbindlichkeiten, für die das Gesamtgut aufkommen müsste, bestehen nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts nicht.

b) Im Ansatz nicht zu beanstanden ist auch, dass das Oberlandesgericht der Klägerin das Übernahmerecht an den von ihr eingebrachten Grundstücken zugesprochen hat, obwohl das Gesamtgut im Übrigen von den Parteien noch nicht verteilt ist. Verkannt hat das Oberlandesgericht dabei allerdings, dass der Klägerin ein solcher Übernahmeanspruch jedenfalls derzeit nicht uneingeschränkt zusteht. Die Klägerin kann die Übernahme der Grundstücke vielmehr nur Zug um Zug gegen eine Sicherheitsleistung verlangen, deren Höhe sich nach dem hälftigen Wert dieser Grundstücke bemisst.

aa) Die Ausübung eines Übernahmerechts an einem eingebrachten Gegenstand führt nicht - wie der Verkauf eines zum Gesamtgut gehörenden Gegenstands gemäß § 1473 Abs. 1 BGB - zu einem rechtsgeschäftlich begründeten gegenseitigen Vertrag zwischen dem Übernehmer und dem Gesamtgut, aus dem sich ein Zahlungsanspruch des Gesamtguts gegen den Übernehmer in Höhe des Wertes des übernommenen Gegenstandes herleiten ließe. Was der übernehmende Ehegatte als Wert des übernommenen Gegenstandes zum Gesamtgut zu ersetzen hat (§ 1477 Abs. 2 BGB ), muss er deshalb nach § 1476 Abs. 2 Satz 1 BGB regelmäßig nicht in Geld zahlen, sondern kann es sich auf seinen Überschussanteil anrechnen lassen. Für die Berechnung des Überschusses tritt dann lediglich rechnerisch anstelle des übernommenen Gegenstandes dessen Wert, der schließlich vom Überschussanteil dieses Ehegatten - als schon erhalten - abzusetzen ist (Senatsurteile vom 8. Juni 1988 - IVb ZR 18/87 - FamRZ 1988, 926 , 927 und BGHZ 171, 24 , 28 = FamRZ 2007, 625 , 626). Nur wenn der Wert des übernommenen Gegenstandes den Wert des übrigen Überschusses übersteigt, reicht der diesem Ehegatten zustehende Überschussanteil nicht aus, um den Anspruch auf Wertersatz durch Anrechnung zu tilgen. Dann bleibt der übernehmende Ehegatte dem anderen Ehegatten bei der endgültigen Auseinandersetzung unmittelbar zum Wertersatz verpflichtet (§ 1476 Abs. 2 Satz 2 BGB ). Dieser direkte Ersatzanspruch des anderen Ehegatten kann sich allerdings höchstens auf die Hälfte des Wertes des übernommenen Gegenstandes belaufen - dies dann, wenn nach Berichtigung der Gesamtgutsverbindlichkeiten kein Überschuss verbleibt, der zwischen den Ehegatten geteilt werden kann (Senatsurteil BGHZ 171, 24 , 28 = FamRZ 2007, 625 , 626).

bb) Übernimmt ein Ehegatte einen von ihm eingebrachten Gegenstand erst bei der endgültigen Überschussverteilung, ist die Art und Weise des unmittelbar an den anderen Ehegatten zu zahlenden Ersatzes (§ 1476 Abs. 2 Satz 2 BGB ) ebenso wie die Anrechnung auf den Überschussanteil nach § 1476 Abs. 2 Satz 1 BGB unproblematisch. Anders ist es, wenn - wie hier - die Auseinandersetzung des Gesamtguts noch nicht abgeschlossen und deswegen die Höhe des Überschusses und damit auch die Höhe des Überschussanteils des übernehmenden Ehegatten noch nicht abschließend geklärt ist. In solchen Fällen steht dem Übernahmerecht des einen Ehegatten ein legitimes Interesse des anderen gegenüber, den Wert des Gegenstandes, den sein Ehegatte bereits jetzt zu übernehmen beansprucht, seinem Zugriff für eine künftige Auseinandersetzung insoweit zu erhalten, als dieser Wert nicht durch Verrechnung mit dem Überschussanteil des übernehmenden Ehegatten ausgeglichen werden kann. Steht nicht sicher fest, ob und in welchem Umfang eine Anrechnung auf den Anteil am Überschuss in Betracht kommt oder eine Verrechnung mit einem Anspruch aus § 1478 Abs. 1 BGB möglich ist, bemisst sich der Umfang dieses Sicherungsinteresses stets nach dem hälftigen Wert des übernommenen Gegenstands (Senatsurteil BGHZ 171, 24 , 29 f. = FamRZ 2007, 625 , 626 f.).

cc) In diesem Umfang steht, wie der Senat - nach Erlass des angefochtenen Urteils - entschieden hat, dem anderen Ehegatten ein Anspruch auf Sicherheitsleistung für seinen ggf. später geltend zu machenden (Zahlungs-) Anspruch auf Wertersatz zu; diesen Anspruch auf Sicherheitsleistung kann er dem Übernahmeverlangen nach § 273 BGB entgegensetzen (Senatsurteil BGHZ 171, 24 , 30 f. = FamRZ 2007, 625 , 627). Das ergibt aus folgenden Überlegungen:

Die Verpflichtung des übernehmenden Ehegatten zum Wertersatz nach § 1476 Abs. 2 Satz 2 BGB entstammt der vereinbarten Gütergemeinschaft und somit demselben rechtlichen Verhältnis wie das Übernahmerecht dieses Ehegatten.

Der Ersatzanspruch des anderen Ehegatten ist bereits mit der Ausübung des Übernahmerechts fällig. Nach § 1477 Abs. 2 BGB kann ein Ehegatte die eingebrachten Sachen nur gegen Ersatz ihres Wertes übernehmen. Dementsprechend sieht § 1476 Abs. 2 BGB ausdrücklich vor, dass der übernehmende Ehegatte dem anderen - soweit eine (spätere) Verrechnung mit seinem Überschussanteil aus der Auseinandersetzung des Gesamtguts nicht in Betracht kommt - persönlich zum Ersatz des Wertes nach § 1477 Abs. 2 BGB verpflichtet "bleibt". Das Gesetz schließt eine unmittelbare Zahlungspflicht bei - vorzeitiger - Übernahme eingebrachter Sachen somit nicht durch eine spätere Fälligkeit des Wertersatzes aus, sondern allein durch die besondere Verrechnungsklausel in § 1476 Abs. 2 BGB (Senatsurteil BGHZ 171, 24 , 30 = FamRZ 2007, 625 , 627).

Obwohl der Anspruch auf Wertersatz danach schon mit Ausübung des Übernahmerechts fällig wird, ordnet § 1476 Abs. 2 BGB eine vorrangige Verrechnung mit dem Anspruch auf den Überschussanteil an. Bis zur endgültigen Auseinandersetzung steht die vorrangige Verrechnung also der Durchsetzung eines unmittelbaren Zahlungsanspruchs entgegen. Dementsprechend kann der andere Ehegatten dem Übernahmeverlangen ein Zurückbehaltungsrecht insoweit entgegensetzen, als der mit einer Übernahme verbundene Wertersatz nicht vollständig durch Verrechnung mit dem anteiligen Überschuss aus dem Gesamtgut geleistet werden kann (Senatsurteil BGHZ 171, 24 , 30 f. = FamRZ 2007, 625 , 627 m.w.N.).

Steht allerdings - mangels Verteilung des Gesamtguts - der Anteil des übernehmenden Ehegatten hieran noch nicht fest, so ist auch ungewiss, in welchem Umfang dieser Ehegatte für den Gegenstand, dessen Übernahme er begehrt, nach Verrechnung mit seinem Anspruch auf Teilhabe am Gesamtgut Wertersatz zu leisten hat. Diese Ungewissheit führt indes nicht dazu, dem anderen Ehegatten einen im Wege des Zurückbehaltungsrechts zu sichernden Anspruch zu versagen. Zwar kann der andere Ehegatte - jedenfalls derzeit - nicht Zahlung von Wertersatz beanspruchen; er kann von dem übernehmenden Ehegatten jedoch die Leistung einer Sicherheit für einen gegen diesen gerichteten und ggf. später bezifferbaren Zahlungsanspruch verlangen. Dieser - vom übernehmenden Ehegatten etwa durch Einräumung einer Höchstbetragssicherungshypothek erfüllbare - Anspruch ist die dem anderen Ehegatten derzeit "gebührende Leistung", die er gemäß § 273 BGB dem Übernahmeverlangen seines Ehegatten entgegensetzen kann (Senatsurteil BGHZ 171, 24 , 31 f. = FamRZ 2007, 625 , 627).

dd) Im vorliegenden Fall hat sich der Beklagte auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen eines Anspruchs auf Ersatz des Wertes der von der Klägerin verlangten Grundstücke berufen. Ein solcher Anspruch steht dem Beklagten indes - wie dargelegt - nicht zu: Da das Gesamtgut nicht auseinandergesetzt ist und die Höhe der Überschussanteile der Parteien deshalb nicht feststeht, ist auch ungewiss, in welcher Höhe die Klägerin den Wert der Grundstücke mit ihrem Überschussanteil verrechnen kann und in welchem Umfang sie dem Beklagten zur Zahlung eines danach verbleibenden Wertersatzes verpflichtet ist. Der Beklagte kann deshalb von der Klägerin nur die Leistung einer Sicherheit verlangen, deren Höhe sich nach dem hälftigen Wert der Grundstücke bemisst. Diesen Anspruch auf Sicherheitsleistung kann der Beklagte dem Übernahmeanspruch der Klägerin im Wege des Zurückbehaltungsrechts entgegensetzen. Dieses Recht hat der Beklagte auch geltend gemacht. Zwar hat er sich insoweit in erster Linie eines Zahlungsanspruchs in Höhe des vollen Wertes der Grundstücke berühmt. In diesem geltend gemachten Gegenanspruch ist jedoch der Anspruch auf Sicherheitsleistung in Höhe des hälftigen Grundstückswertes als ein "minus" enthalten; dieses "minus" entspricht im Übrigen auch dem Hilfsbegehren des Beklagten. Die Klägerin kann deshalb die Übereignung der Grundstücke nur Zug um Zug gegen eine in dieser Höhe zu leistende Sicherheit beanspruchen. Ihr darüber hinausgehendes Klagebegehren ist nicht begründet.

3. Das angefochtene Urteil kann nach allem nicht bestehen bleiben. Der Senat vermag in der Sache nicht abschließend zu entscheiden, da das Oberlandesgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - zum Wert der Grundstücke, deren Übernahme die Klägerin begehrt, keine Feststellungen getroffen hat. Die Sache war daher an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, damit es diese Feststellungen nachholt und auf dieser Grundlage die dem Beklagten von der Klägerin zu erbringende Sicherheitsleistung bemisst.

Vorinstanz: OLG Nürnberg, vom 21.02.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 9 UF 1408/05
Vorinstanz: AG Ansbach, vom 03.11.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 3 F 544/05
Fundstellen
BGHReport 2008, 1018
FamRB 2008, 261
FuR 2008, 408
MDR 2008, 921
NJW 2008, 2983
NotBZ 2008, 340