Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 11.11.2008

VIII ZB 24/08

Normen:
RVG-VV Nr. 2300, Nr. 3100, Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4

BGH, Beschluß vom 11.11.2008 - Aktenzeichen VIII ZB 24/08

DRsp Nr. 2008/24053

Anrechnung der vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens

Durch die anteilige Anrechnung einer vorgerichtlich entstandenen anwaltlichen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens gemäß Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG -VV vermindert sich nicht die bereits entstandene Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG -VV, sondern die in dem anschließenden gerichtlichen Verfahren nach Nr. 3100 RVG -VV anfallende Verfahrensgebühr. Das ist wegen § 91 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 ZPO auch im Kostenfestsetzungsverfahren ohne Rücksicht darauf zu beachten, ob die Geschäftsgebühr auf materiell-rechtlicher Grundlage von Prozessgegner erstattet werden muss und ob sie unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder bereits beglichen ist.

Normenkette:

RVG -VV Nr. 2300 , Nr. 3100 , Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 ;

Gründe:

I. Nach dem in der Beschlussformel bezeichneten Vergleich haben von den Kosten des zwischen den Parteien geführten Rechtsstreits der Kläger 9/10 und die Beklagten als Gesamtschuldner 1/10 zu tragen. Das Amtsgericht hat auf die von den Parteien beantragte Kostenausgleichung die von dem Kläger an die Beklagten zu erstattenden Kosten durch Beschluss vom 13. August 2007 auf 1.749,77 EUR festgesetzt. Dem zugrunde gelegen hat unter anderem eine von beiden Parteien jeweils zur Ausgleichung angemeldete 1,3-Verfahrensgebühr nach § 13 Abs. 1 RVG i.V.m. Nr. 3100 VV RVG . Hiergegen hat sich die sofortige Beschwerde des Klägers gerichtet, mit der er geltend gemacht hat, dass die bei den Parteien angefallene außergerichtliche Geschäftsgebühr mit 0,65/10 auf die gerichtliche Verfahrensgebühr hätte angerechnet werden müssen.

Das Landgericht hat unter gleichzeitiger Verwerfung einer von den Beklagten erhobenen Anschlussbeschwerde als unzulässig die Beschwerde des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen wendet dieser sich mit seiner vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II. Die zulässig erhobene Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hat, soweit hier von Interesse, die Auffassung vertreten, die vorprozessual wegen desselben Gegenstandes angefallene Geschäftsgebühr könne im Rahmen eines Kostenfestsetzungsverfahrens nur unter besonderen, vorliegend nicht gegebenen Voraussetzungen (Titulierung, Begleichung oder Unstreitigkeit des Anrechnungseinwandes) berücksichtigt werden.

2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Senatsbeschlüsse vom 22. Januar 2008 - VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323 , Tz. 6 ff., und vom 3. Juni 2008 - VIII ZB 3/08, WuM 2008, 618 , Tz. 4; Beschluss vom 30. April 2008 - III ZB 8/08, NJW-RR 2008, 1095 , Tz. 4; Beschluss vom 3. Juni 2008 - VI ZB 55/07, AGS 2008, 441 ; Beschluss vom 16. Juli 2008 - IV ZB 24/07, AGS 2008, 377 ; Beschluss vom 24. September 2008 - IV ZB 26/07, Tz. 6 ff.; Beschlüsse vom 25. September 2008 - VII ZB 93/07 und VII ZB 23/08, jew. Tz. 5; Urteil vom 25. September 2008 - IX ZR 133/07, Tz. 12; Beschluss vom 2. Oktober 2008 - I ZR 30/08, Tz. 10) vermindert sich durch die anteilige Anrechnung einer vorgerichtlich entstandenen anwaltlichen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens gemäß Teil 3 Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG nicht die bereits entstandene Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG , sondern die in dem anschließenden gerichtlichen Verfahren nach Nr. 3100 VV RVG anfallende Verfahrensgebühr. Das ist wegen § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO auch im Kostenfestsetzungsverfahren ohne Rücksicht darauf zu beachten, ob die Geschäftsgebühr auf materiell-rechtlicher Grundlage vom Prozessgegner erstattet werden muss und ob sie unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder bereits beglichen ist. Der Senat sieht angesichts des klaren Wortlauts der genannten Anrechnungsbestimmung keine Veranlassung, hiervon abzurücken.

b) Die Rechtsbeschwerde rügt danach zu Recht, dass die Vorinstanzen die zur Ausgleichung angemeldeten 1,3-Verfahrensgebühren nach Nr. 3100 VV RVG ungekürzt in Ansatz gebracht haben. Diese Verfahrensgebühren hätten wegen der Geschäftsgebühren nach Nr. 2300 VV RVG , die angesichts der vorprozessual gewechselten Anwaltsschriftsätze vom 11. September 2006 und 14. Oktober 2006 auf beiden Seiten zur Anspruchsverfolgung bzw. Anspruchsabwehr unstreitig angefallen sind, jeweils auf eine 0,65-Gebühr gekürzt werden müssen. Wegen der auf diese Weise von 813,72 EUR auf jeweils 406,86 EUR brutto zu halbierenden Verfahrensgebühren der Prozessbevollmächtigten sind an außergerichtlichen Kosten der Parteien nicht 4.429,18 EUR, sondern nur 3.615,46 EUR zur Ausgleichung zu bringen, von denen der Kläger 9/10, also 3.253,91 EUR, zu tragen hat. Hierauf entfallen an eigenen Kosten 1.807,73 EUR (2.214,59 EUR abzüglich 406,86 EUR), so dass ein gegenüber den Beklagten bei den außergerichtlichen Kosten auszugleichender Betrag von 1.446,18 EUR verbleibt. Davon abzusetzen sind beim Kostenansatz auf die Kostenschuld der Beklagten angerechnete Gerichtskostenvorschüsse des Klägers in Höhe von 21,90 EUR, die die Beklagten deshalb umgekehrt an den Kläger zu erstatten haben. Das ergibt den Erstattungsbetrag von 1.424,28 EUR.

c) Da in der Sache keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, sondern der Sachverhalt zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat gemäß § 577 Abs. 5 ZPO nach Maßgabe vorstehender Beschlussformel in der Sache selbst entschieden.

Vorinstanz: LG Saarbrücken, vom 04.03.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 5 T 34/08
Vorinstanz: AG Homburg-Saar, vom 13.08.2007 - Vorinstanzaktenzeichen C 53/07