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BGH - Entscheidung vom 23.09.2008

X ZB 31/07

Normen:
ZPO § 520 Abs. 3 § 233

BGH, Beschluß vom 23.09.2008 - Aktenzeichen X ZB 31/07

DRsp Nr. 2008/23543

Anforderungen an die Büroorganisation bei Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax

Werden in einem Anwaltsbüro Schriftsätze eingescannt, um sie alsdann per Telefax an das Gericht zu übermitteln, so hat der Rechtsanwalt sicherzustellen, dass noch am selben Tag zum einen die Sendeberichte kontrolliert werden und zum anderen überprüft wird, ob zu sämtlichen eingescannten Schriftsätzen ein Sendebericht vorliegt.

Normenkette:

ZPO § 520 Abs. 3 § 233 ;

Gründe:

I. Das Landgericht hat die Klage auf Zahlung von Mängelbeseitigungskosten aus einem Werkvertrag durch Urteil vom 19. Januar 2007 abgewiesen. Gegen das am 5. Februar 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 14. Februar 2007 Berufung eingelegt. Nach Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung bis zum 7. Mai 2007 ist am 8. Mai 2007 ein Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist bei dem Berufungsgericht eingegangen; am 10. Mai 2007 ist die Berufungsbegründungsschrift auf dem Postweg eingelangt.

Das Berufungsgericht hat unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags die Berufung durch Beschluss als unzulässig verworfen, weil bei den Prozessbevollmächtigten der Klägerin, die sich auf einen missglückten Versuch, die Berufungsbegründungsschrift am 7. Mai 2007 per Telefax einzureichen, berufen hatten, eine unmissverständliche Anweisung gefehlt habe, wie eingescannte, aber noch nicht versandte fristwahrende Schriftsätze zu behandeln seien, und auch eine eindeutige Anweisung, die Frist im Kalender erst nach Überprüfung des Sendeberichts zu streichen, nicht erteilt worden sei. Auch habe es an einer Überprüfung gefehlt, ob die am gleichen Tag ablaufenden Fristen auch tatsächlich gestrichen worden seien. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin, der die Beklagte entgegentritt.

II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Sätze 3 und 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ), aber nicht zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO ), da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

1. Die Klägerin macht geltend, zu der verspäteten Einreichung der Berufungsbegründung sei es gekommen, weil der Schriftsatz nicht, wie vorgesehen, am 7. Mai 2007 mittels Fax an das Berufungsgericht übermittelt worden sei. Ein Mitglied des Kanzleipersonals ihres Prozessbevollmächtigten habe den die Berufungsbegründung enthaltenden Schriftsatz eingescannt, eine Übermittlung an das Berufungsgericht sei aber nicht erfolgt, weil die Faxnummer des Gerichts unvollständig eingegeben worden sei. Dies sei erst bei der Kontrolle des Sendeberichts am folgenden Tag bemerkt worden. Beim Prozessbevollmächtigten der Klägerin bestehe Weisung, alle Sendeberichte bei faxübermittelten Schriftsätzen sofort nach Ausdruck dahin zu überprüfen, ob eine ordnungsgemäße Übermittlung erfolgt sei. Die Einhaltung dieser Anweisung werde stichprobenartig überwacht. Dem im vorliegenden Fall tätig gewordenen Angehörigen des Kanzleipersonals sei ein solcher Fehler in mehreren Jahren noch nicht unterlaufen. Die Überprüfung der Sendeprotokolle sei der täglichen Überwachung des Fristenkalenders vorgeschaltet. Erst nach der Feststellung der ordnungsgemäßen Übertragung sei die Frist im Fristenkalender durch die Person auszutragen, die überprüft habe, dass die Frist gewahrt sei. Diese Überprüfung anhand des Sendeberichts sei unterlassen worden.

2. Von der Rechtsbeschwerde nicht beanstandet wird die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Frist erst nach Kontrolle des Sendeberichts gelöscht werden durfte (vgl. BGH, Beschl. v. 19.11.1997 - VIII ZB 33/97, NJW 1998, 907 = VersR 1998, 607 ).

3. Die Rechtsbeschwerde rügt ohne Erfolg, dass das Berufungsgericht dem Antrag auf Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist nicht stattgegeben hat. Wiedereinsetzung kann nur dann gewährt werden, wenn fehlendes Verschulden der Partei an der Fristversäumnis dargelegt und glaubhaft gemacht ist (§ 236 Abs. 2 ZPO ). Dabei ist ein Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten der Partei zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO ; vgl. nur BGH, Beschl. v. 4.11.2003 - VI ZB 50/03, NJW 2004, 688 , 689 = VersR 2005, 94 ).

a) Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass es im Büro der Prozessbevollmächtigten der Klägerin an einer unmissverständlichen Anweisung hinsichtlich der Kontrolle eingescannter, aber noch nicht (als Telefax) versandter fristwahrender Schriftsätze gefehlt habe. Die Übersendung von Schriftsätzen erfolge nicht zwangsläufig unmittelbar nach Speicherung, sondern gegebenenfalls erst zu einem späteren Zeitpunkt. Für eine Anweisung, noch am selben Tag zum einen die Sendeberichte zu kontrollieren und zum anderen zu prüfen, ob zu sämtlichen eingescannten Schriftsätzen ein Sendebericht vorliege, beständen nach der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags und der eidesstattlichen Versicherung der Mitarbeiterin der Prozessbevollmächtigten keine Anhaltspunkte.

Ferner sei die Büroorganisation hinsichtlich der erforderlichen Fristenkontrolle nicht hinreichend. Eine ausreichende Anweisung müsse auch darauf gerichtet sein, vor Verlassen des Büros zu prüfen, ob sämtliche an dem betreffenden Tag ablaufenden Fristen gestrichen seien; zu einer solchen Anweisung sei aber nichts vorgetragen. Da die Berufungsbegründungsfrist nach dem Vorbringen der Klägerin im Fristenkalender nicht gestrichen worden sei, wäre dies bei ordnungsgemäßer Fristenkontrolle aufgefallen.

Jedenfalls die erste Begründung trägt die angefochtene Entscheidung. Dass sie nicht im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung stehe, legt die Rechtsbeschwerde nicht dar.

b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war es auch unter dem gerügten Gesichtspunkt der Wahrung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG ) nicht geboten, der Klägerin Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu eröffnen.

Die Partei muss im Rahmen ihres Antrags auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist die Tatsachen vortragen und glaubhaft machen, die die Wiedereinsetzung begründen sollen (§ 236 Abs. 2 ZPO ). Hierzu gehört eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus denen sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen die Fristversäumnis beruht (st. Rspr., u.a. BGH, Beschl. v. 17.5.2004 - II ZB 22/03, NJW 2004, 2525 , 2526 = VersR 2005, 525 ; v. 3.7.2008 - IX ZB 169/07, zur Veröffentlichung vorgesehen). Dabei sind regelmäßig Ausführungen zur Organisation der Fristenkontrolle im Allgemeinen und zur Ausgangskontrolle im Besonderen erforderlich (BGH, Beschl. v. 23.5.2006 - VI ZB 77/05, NJW 2006, 2638 = VersR 2006, 1563 ; Musielak/Grandel, ZPO , 6. Aufl., § 236 Rdn. 4). Der Antragsteller muss sich dabei auf einen Sachverhalt festlegen (BGH, Beschl. v. 3.7.2008, aaO.; Musielak/Grandel, aaO.; Hk-ZPO/Saenger, 2. Aufl., § 236 Rdn. 4). Nur wenn die Angaben erkennbar unklar oder ergänzungsbedürftig sind, können sie auch noch nach Fristablauf erläutert und vervollständigt werden (BGH, Beschl. v. 9.2.1998 - II ZB 15/97, NJW 1998, 1870 ; v. 6.5.1999 - VII ZB 6/99, NJW 1999, 2284 ). Nur dann kommt auch eine Verpflichtung des Gerichts in Betracht, auf eine solche Ergänzung hinzuwirken. So lag der Fall hier jedoch nicht.

Die vom Berufungsgericht vermisste klare Anweisung zur Ausgangskontrolle betrifft die Kontrolle des Fristenbuchs nicht unmittelbar. Zur Ausgangskontrolle war durch die eidesstattliche Versicherung nur belegt, dass entgegen bestehender Anweisung der Sendebericht und damit auch der Ausgang des Schriftsatzes nicht überprüft worden war, entgegen dem Rechtsbeschwerdevortrag nicht aber auch, dass eine Anweisung bestand, die Kanzlei erst nach Überprüfung aller Sendeberichte und damit nach Durchführung der Ausgangskontrolle zu verlassen. Dass allgemein eine Anweisung bestand, die Sendeberichte zu überprüfen, belegt nämlich noch nicht, dass diese Überprüfung auch am selben Tag und damit vor Fristablauf zu erfolgen hatte. Eine Ausgangskontrolle erst nach Fristablauf wäre zudem nicht geeignet gewesen, den mit der Ausgangskontrolle verbundenen Zweck zu erreichen. Die somit nicht belegte ausreichende Anweisung zur Ausgangskontrolle begründet mit dem Berufungsgericht jedenfalls ein der Wiedereinsetzung entgegenstehendes Organisationsverschulden.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO .

Vorinstanz: OLG Düsseldorf, vom 13.09.2007 - Vorinstanzaktenzeichen I-22 U 70/07
Vorinstanz: LG Wuppertal, vom 19.01.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 13 O 7/06