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BVerfG - Entscheidung vom 29.03.2007

2 BvR 189/07

Normen:
JVEG § 1

Fundstellen:
NJW 2007, 2393

BVerfG, Beschluss vom 29.03.2007 - Aktenzeichen 2 BvR 189/07

DRsp Nr. 2007/6810

Vergütung von Dolmetscher bei Heranziehung durch die Polizei

Die Regelung des § 1 JVEG, wonach zwischen der Heranziehung eines Dolmetschers durch die Justizbehörden und durch die Polizei zu unterscheiden ist, ist verfassungsrechtlich nicht zu bestanden.

Normenkette:

JVEG § 1 ;

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor. Die fristgerecht eingelegte Verfassungsbeschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet.

Die Entscheidung der Fachgerichte verstößt weder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz noch beruht sie auf sachfremden oder willkürlichen Erwägungen. Sie ist vielmehr auf nachvollziehbare Überlegungen gestützt und bringt § 1 JVEG unter Berücksichtigung der Verschiedenheit der vom Beschwerdeführer in Relation zueinander gesetzten Sachverhalte in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zur Anwendung.

1. Der Gesetzgeber hat in § 1 JVEG - im Gegensatz zu § 1 ZSEG in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung - zwischen der Heranziehung eines Dolmetschers durch die Justizbehörden (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 JVEG) und der Heranziehung durch die Polizei (§ 1 Abs. 3 JVEG) unterschieden. Die Heranziehung durch die Polizei steht einer solchen durch Justizbehörden dann gleich, wenn sie im Auftrag oder mit vorheriger Billigung der Staatsanwaltschaft erfolgt. Der Wortlaut der ab dem 1. Juli 2004 geltenden Vorschrift ist insofern eindeutig, als die Staatsanwaltschaft vor der polizeilichen Heranziehung einen entsprechenden Auftrag erteilt oder ein von der Polizei mitgeteiltes Handeln ausdrücklich gebilligt haben muss (vgl. Zimmermann, Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz - JVEG, 1. Aufl. 2005, § 1 Rn. 53; Meyer/Höver/Bach, Die Vergütung und Entschädigung von Sachverständigen, Zeugen, Dritten und von ehrenamtlichen Richtern nach dem JVEG, 23. Aufl. 2005, § 1 Rn. 1.8; Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl. 2006, § 1 JVEG Rn. 6; Bund, Die für den Sachverständigen wichtigsten Neuerungen im JVEG, veröffentlicht DS 2005, S. 99). Die zu § 1 ZSEG vertretenen, gegensätzlichen Ansichten zur Frage, inwiefern das Gesetz anlässlich einer Heranziehung durch die Polizei überhaupt zur Anwendung kommen dürfe, mithin der Justizhaushalt zu belasten sei (vgl. Meyer/Höver/Bach, Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen , 22. Aufl. 2002, § 1 Rn. 4.1.2), ist durch die Einführung des JVEG hinfällig geworden: Während die Polizei als Ermittlungsbehörde im ZSEG keine Erwähnung fand, die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Mittler- oder Botentätigkeit für die Staatsanwaltschaft in Betracht komme, mithin offen schien, wird die Heranziehung eines Dolmetschers durch die Polizei oder durch eine andere Strafverfolgungsbehörde im JVEG ausdrücklich abschließend geregelt. Dies hatte der Gesetzgeber zur Beendigung der oben genannten Meinungsverschiedenheiten in Fachkreisen auch beabsichtigt. Insbesondere sollten Fälle einer nachträglichen Billigung des Vorgehens der Polizei durch die Staatsanwaltschaft nicht vom Anwendungsbereich des JVEG erfasst werden (vgl. Begründung im Gesetzentwurf zum KostRMoG zu § 1 JVEG, BTDrucks 15/1971 S. 177).

2. Die Fachgerichte gehen recht in der Annahme, dass eine vorherige Billigung oder ein Auftrag der Staatsanwaltschaft im Sinne von § 1 JVEG nicht vorgelegen habe.

Soweit es üblich ist, einen Beschuldigten vor einer Vorführung zunächst polizeilich zu vernehmen, bedingt diese Übung weder einen Auftrag noch eine ausdrückliche oder "eindeutig stillschweigende" Billigung (vgl. Hartmann, aaO., § 1 JVEG Rn. 6) einer Übersetzertätigkeit. Von der Erforderlichkeit einer solchen im Einzelfall müsste die Staatsanwaltschaft zumindest Kenntnis erlangen. Hat sie jedoch keinerlei Wissen um die Notwendigkeit einer Übertragung ins Deutsche und der Beauftragung eines Dolmetschers als kostenauslösendem Moment für den Justizhaushalt, kann weder von einer ausdrücklichen noch von einer eindeutigen, a priori erfolgten Billigung ausgegangen werden. Überlegungen sachfremder oder willkürlicher Art liegen dieser Gedankenführung ersichtlich nicht zu Grunde. Sie entspricht vielmehr dem vom Gesetzgeber mit der Reformierung des Kostenrechts verfolgten Ziel einer klareren Zuordnung der Ansprüche einzelner Berechtigter zu dem Budget des Innen- oder des Justizressorts.

3. Die fachgerichtlichen Überlegungen lassen eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung des Beschwerdeführers abhängig von dem Umstand, ob die Beauftragung durch die Polizei oder durch die Staatsanwaltschaft erfolgt, nicht erkennen. Die Beauftragung durch die Polizei erfolgt in einem privatrechtlichen Vertragsverhältnis. Abgerechnet wird unter Zugrundelegung einer privatrechtlichen Rahmenvereinbarung. Das Rechtsverhältnis der Vertragspartner ist mithin ein grundsätzlich anderes als jenes, das in der Beauftragung durch die Staatsanwaltschaft unter Anwendung der Vorschriften des JVEG seinen Rechtsgrund findet. Insbesondere steht es dem Leistenden anlässlich der polizeilichen Hinzuziehung frei, eine Beauftragung durch die Staatsanwaltschaft zu veranlassen, oder - erfolgt eine solche nicht - keine Übersetzertätigkeit zu erbringen. Trägt der Beschwerdeführer vor, dass als Vergleichsmaßstab die Qualität seiner Arbeit heranzuziehen und diese identisch sei, so verkennt er, dass er auch anlässlich der privatrechtlichen Beauftragung durch Dritte die grundsätzlich identische Arbeit - Dolmetschen - zu erbringen hat. Die bloße Tatsache, dass er durch eine öffentliche Stelle beauftragt wird, lässt eine andere Wertung nicht zu: Das Rechtsverhältnis ist privatrechtlicher Natur, seine Gegenleistung erhält er nicht unter Zugrundelegung einer gesetzlichen Regelung, sondern diese ist Ausfluss der bestehenden privatvertraglichen Bindung.

4. Trägt der Beschwerdeführer vor, der Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht hätten in zwei Entscheidungen dargetan, dass mit den anlässlich eines Ermittlungsverfahrens entstehenden Kosten der Justizhaushalt zu belasten sei und eine Erstattung nicht durch die Polizei zu erfolgen habe, so verkennt er, dass die Entscheidungen unter Zugrundelegung grundsätzlich anderer Tatsachen erfolgten und ihnen ein derart allgemeiner Aussagegehalt nicht eigen ist.

Die vom Beschwerdeführer angeführte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts betrifft die Frage, ob Dolmetscherkosten, die zwischen einem Beschuldigten und einem Wahlverteidiger entstanden sind, von der Staatskasse zu tragen sind (vgl. BVerfGK 1, 331 ff.). Eine Differenzierung zwischen Justiz- und Innenressort steht nicht in Rede.

Der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Beschluss des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 25. August 2004 - 2 ARs 280/04 -, juris) lassen sich lediglich Überlegungen zur Bestimmung des nach dem damals geltenden ZSEG für die Festsetzung einer Entschädigung zuständigen Gerichts entnehmen. Insbesondere erfolgte im dort in Rede stehenden Sachverhalt die Beauftragung eines Sachverständigen nach Einholung der Zustimmung der Staatsanwaltschaft. Dies war bei den der hiesigen Verfassungbeschwerde zugrundeliegenden Umständen nicht der Fall.

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG ).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Vorinstanz: OLG Nürnberg, vom 04.10.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 1 Ws 596/06
Vorinstanz: LG Nürnberg-Fürth, vom 22.12.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 1 Qs 56/2005
Vorinstanz: AG Nürnberg, vom 20.06.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 372 Js 17927/04
Fundstellen
NJW 2007, 2393