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BSG - Entscheidung vom 18.01.2007

B 3 KR 27/06 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 § 160a Abs. 2

BSG, Beschluß vom 18.01.2007 - Aktenzeichen B 3 KR 27/06 B

DRsp Nr. 2007/6636

Zulassung der Revision im sozialgerichtlichen Verfahren zur Wahrung und Herstellung von Rechtseinheitlichkeit

Der Sinn der Zulassung der Revision liegt nicht in einer weiteren Entscheidung des Rechtsstreits im Einzelfall, sondern in der Wahrung und Herstellung von Rechtseinheitlichkeit. [Nicht amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 § 160a Abs. 2 ;

Gründe:

I

Die bei der Beklagten krankenversicherte V. S. hatte mit der Beschwerdeführerin einen Pflegevertrag geschlossen, wonach diese für die Versicherte bis auf Weiteres ua die Behandlungspflege nach ärztlicher Verordnung übernimmt. Im April 2002 verordneten die Ärzte für Allgemeinmedizin Dres. B. und S. der chronisch kranken Versicherten erstmals die Verabreichung des Medikaments "Melperon" 4-mal täglich, 7-mal wöchentlich. Auf Nachfrage der Beklagten reduzierten die Ärzte die Medikamentengabe auf 3-mal täglich. Die Beklagte genehmigte daraufhin eine 3-mal tägliche Medikamentengabe. Hiergegen legte die Versicherte - - erfolglos - Widerspruch mit der Begründung ein, die ursprünglich verordnete Medikamentengabe sei medizinisch notwendig und zudem sei deren Reduzierung ohne Absprache mit ihrer Betreuerin erfolgt. Das Sozialgericht ( SG ) hat die Klage der Versicherten abgewiesen, weil die Reduzierung der Verordnungsmenge auf einer vertragsärztlichen Korrektur des Bedarfsumfangs beruhe und kein unzulässiger Eingriff der Beklagten oder des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in den Behandlungsplan vorliege (Urteil vom 29. September 2004). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Versicherten als unzulässig verworfen, weil nur der Zeitraum vom 11. Mai bis 30. Juni 2002 betroffen sei und der Beschwerdewert 500 EUR nicht übersteige; ausweislich der von ihr vorgelegten Rechnungen der Beschwerdeführerin über 276 EUR und 193,20 EUR - von denen die Beklagte bereits 207 EUR bzw 144,90 EUR bezahlt habe - könne nur eine Erstattung dieser Kosten oder eine Freistellung hiervon streitbefangen sein - und damit eine Geldleistung unter 500 EUR (Beschluss vom 24. August 2006).

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorbezeichneten Beschluss des LSG und behauptet, sie sei Rechtsnachfolgerin der inzwischen verstorbenen Versicherten; dies ergebe sich aus einer Abtretungserklärung in dem ambulanten Pflegevertrag. Ferner macht sie als Zulassungsgrund die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz >SGG<) geltend.

II

Die Beschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdeführerin hat schon die sie angeblich zur Prozessführung legitimierenden Umstände nicht hinreichend dargelegt. Sie behauptet zwar, Rechtsnachfolgerin der verstorbenen Versicherten - der Klägerin der zugrunde liegenden SG - und LSG-Verfahren - zu sein, ohne sich mit dem grundsätzlichen Abtretungsverbot in § 53 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil ( SGB I ) auseinander zu setzen. Letztlich kann die Frage der Rechtsnachfolge aber offen bleiben.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil sie nicht in der durch die §§ 160 Abs 2 und 160a Abs 2 SGG normierten Form begründet worden ist. Sie ist deshalb ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 2 iVm § 169 SGG ).

Die Beschwerdeführerin macht als Zulassungsgrund allein geltend, der angegriffene Beschluss betreffe eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ). Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist es erforderlich, die grundsätzliche Rechtsfrage klar zu formulieren und aufzuzeigen, dass sie über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 und SozR 1500 § 160a Nr 39) und dass sie klärungsbedürftig sowie klärungsfähig ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 und 65), sie also im Falle der Revisionszulassung entscheidungserheblich wäre (BSG SozR 1500 § 160a Nr 54). Diese Erfordernisse betreffen die gesetzliche Form iS des § 169 Satz 1 SGG (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 48). Deren Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Die Beschwerdeführerin hat keine konkrete Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung formuliert und dem Senat zur Überprüfung der Nichtzulassungsentscheidung des LSG vorgelegt. Sie behauptet zwar, das LSG habe die sich aus der Begrenzung des Berufungsbeschwerdewerts bei Geld- und Sachleistungen auf 500 EUR (§ 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG ) ergebende folgenschwere Konsequenz nicht bedacht; diese Tatsache besitze grundsätzliche Bedeutung. Damit greift sie die Rechtsauffassung des LSG zur Zulässigkeit der Berufung an, ohne sich auf den Zulassungsgrund eines Verfahrensfehlers (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) zu berufen. Eine klare Herausarbeitung grundsätzlicher Rechtsfragen lässt sie vermissen. Dies wäre indes erforderlich, um an ihnen die weiteren Voraussetzungen für die Revisionszulassung nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG prüfen zu können, denn die Zulassung der Revision erfolgt zur Wahrung und Herstellung von Rechtseinheitlichkeit, nicht jedoch zur weiteren Entscheidung des Rechtsstreits im Einzelfall (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Aufl 2005, IX. Kap RdNr 181 mwN). Im Übrigen mangelt es auch an hinreichenden Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen. Zumindest wäre es erforderlich gewesen, sich mit den Hintergründen der gesetzlichen Regelung in § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG sowie mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) auseinander zu setzen, dass der Gesetzgeber Rechtsmittel im Interesse der Straffung von Gerichtsverfahren beschränken kann; Art 19 Abs 4 Grundgesetz garantiert nur die Kontrolle durch unabhängige Gerichte, aber keinen Instanzenzug (stRspr - vgl BVerfGE 4, 94; 78, 19; Meyer-Ladewig in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG , 8. Aufl 2005, § 144 RdNr 6 mwN).

Soweit die Beschwerdeführerin die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsfalles auch damit begründet, dass das vertragsärztliche Verordnungsverhalten und die Berechtigung der Krankenkasse zu dessen Beanstandung zu klären seien, fehlen jegliche Darlegungen dazu, wieso dies für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich sein könnte, obwohl das LSG keine Sachentscheidung getroffen hat. Der Hinweis des LSG, die Berufung sei "- ohne diesbezüglich eine Entscheidung zu treffen - allem Anschein nach auch unbegründet," ist für die konkrete Entscheidung nicht tragend. Abgesehen von der fehlenden Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Fragen finden sich aber auch hier keine Ausführungen dazu, weshalb sie einer höchstrichterlichen Klärung bedürfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung . Die Entscheidung zur Festsetzung des Streitwerts und seiner Höhe beruht auf §§ 63 Abs 2 , 47 , 52 Abs 1 Gerichtskostengesetz .

Vorinstanz: Bayerisches Landessozialgericht 4. Senat - L 4 KR 262/04 - 24.08.2006,
Vorinstanz: SG Nürnberg, vom 09.09.2004 - Vorinstanzaktenzeichen S 7 KR 391/02