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BSG - Entscheidung vom 29.11.2007

B 6 KA 52/07 B

Normen:
BMV-Ä § 45 Abs. 2 S. 1
EBM-Ä (2005) Nr. 5, Nr. 6
EKV-Ä § 34 Abs. 4 S. 2
SGB V § 106 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 § 106a § 83 Abs. 1

BSG, Beschluss vom 29.11.2007 - Aktenzeichen B 6 KA 52/07 B

DRsp Nr. 2008/3946

Honorarberichtigung bei der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung des Ansatzes von Leistungen nach Nr. 5 EBM-Ä

Bietet der Vertragsarzt, der einen Patienten zu den in der Leistungslegende benannten Zeiten zur Unzeit behandelt, in diesem Zeitraum faktisch eine Sprechstunde an, so darf nicht die EBM-Ä Nr. 5, sondern an Samstagen, Sonn- und Feiertagen selbst dann lediglich EBM-Ä Nr. 6 abgerechnet werden, wenn der nicht einbestellte, aber zu der faktischen Sprechstunde erschienene Patient dringend behandlungsbedürftig war. [Nicht amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Normenkette:

BMV-Ä § 45 Abs. 2 S. 1 ; EBM-Ä (2005) Nr. 5, Nr. 6; EKV-Ä § 34 Abs. 4 S. 2 ; SGB V § 106 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 § 106a § 83 Abs. 1 ;

Gründe:

I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Bescheides über nachträgliche Richtigstellungen von Honorarabrechnungen hinsichtlich der Leistungen nach Nr 5 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä - in der bis zum 31.3.2005 geltenden Fassung) samt Rückforderung des überzahlten Honorars.

Die in einer Gemeinschaftspraxis allgemeinärztlich tätigen Kläger überschritten mit ihren Ansätzen der Nr 5 EBM-Ä (Inanspruchnahme zur Unzeit) den Durchschnitt der Allgemeinmediziner um Werte zwischen 230 % und 640 %. Dies veranlasste die Rechtsvorgängerin der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zu einer Plausibilitätsprüfung, bei der sie zu der Überzeugung gelangte, die Kläger hätten insbesondere an Samstagen eine reguläre Sprechstunde angeboten. Da die Leistungen nach Nr 5 EBM-Ä unter diesen Umständen nicht hätten angesetzt werden dürfen, hob die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Honorarbescheide für die Quartale I/1997 bis I/2000 auf, setzte das Honorar neu fest und machte einen Rückforderungsbetrag in Höhe von 100.077,75 Euro geltend, den sie später um 7.003 Euro reduzierte (Bescheid vom 17.12.2002, Widerspruchsbescheid vom 10.6.2003, Änderungsbescheid vom 14.6.2005).

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat ausgeführt, es stehe fest, dass die Kläger im streitigen Zeitraum Patienten routinemäßig außerhalb der veröffentlichten Sprechstunde behandelt hätten. Die unzutreffende Abrechnung der Leistung nach Nr 5 EBM-Ä für Behandlungen während einer routinemäßigen Samstagssprechstunde sei grob fahrlässig erfolgt. Die Kläger hätten nach den gesamten Umständen erkennen müssen, dass sie in diesen Fällen die Leistung nach Nr 5 EBM-Ä nicht hätten berechnen dürfen (Urteil vom 14.6.2007).

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG machen die Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Angelegenheit sowie einen Verfahrensmangel (Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 und 3 SGG ) geltend.

II. Die Beschwerde der Kläger ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 SGG abzuleitenden Darlegungsanforderungen.

1. Dies gilt zunächst, soweit die Kläger einen Verfahrensmangel des Berufungsgerichts geltend machen.

Wer die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels begehrt, muss in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die bundesrechtliche Verfahrensnorm, die das Berufungsgericht verletzt haben soll, hinreichend genau bezeichnen. Zudem muss er die tatsächlichen Umstände, welche den Verstoß begründen sollen, substantiiert dartun und darüber hinaus darlegen, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruht (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4, mwN; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Aufl 2005, Kapitel IX RdNr 202 ff). Dabei ist zu beachten, dass gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Zur Darlegung eines solchen Verfahrensmangels muss die Beschwerdebegründung (1) einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, (2) die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, auf deren Grundlage bestimmte Tatfragen klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) die von dem Beweisantrag betroffenen Tatumstände aufzeigen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme angeben und (5) erläutern, weshalb die Entscheidung des LSG auf der unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5; Bundessozialgericht >BSG<, Beschluss vom 23.5.2007 - B 6 KA 27/06 B - juris, dort RdNr 20).

Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der Kläger nicht gerecht. Sie machen allerdings geltend, das LSG sei mehreren von ihnen mit Schriftsatz vom 14.6.2007 erhobenen Beweisanträgen nicht nachgegangen und habe hierdurch § 103 SGG verletzt. Insbesondere habe das Berufungsgericht das von ihnen beantragte Sachverständigengutachten zu der Frage, ob die Nr 5 EBM-Ä stets bei Patienten abrechenbar sei, die den Arzt aus eigenem Antrieb - ohne einbestellt worden zu sein - aufsuchten, nicht erhoben, und hierauf beruhe die Entscheidung des LSG. Mit diesen Ausführungen ist jedoch kein formeller Beweisantrag iS von §§ 373 , 403 ZPO iVm § 118 SGG bezeichnet, denn es sind keine tatsächlichen Umstände benannt, die auf der Grundlage der Rechtsauffassung des LSG weiterer Aufklärung bedurft hätten. Entscheidend für den rechtmäßigen Ansatz der Nr 5 EBM-Ä ist nach deren Auslegung durch das LSG und den Senat, ob der Vertragsarzt, der einen Patienten zu den in der Leistungslegende benannten Zeiten ("zur Unzeit") behandelt, in diesem Zeitraum faktisch eine Sprechstunde angeboten, dh seine Praxis generell für alle - aus welchen Gründen auch immer - zu diesen Zeiten erscheinenden Patienten geöffnet hat. Ist dies der Fall, darf nicht die Nr 5 EBM-Ä, sondern an Samstagen, Sonn- und Feiertagen lediglich Nr 6 EBM-Ä abgerechnet werden, selbst wenn der nicht einbestellte, aber zu der faktischen Sprechstunde erschienene Patient dringend behandlungsbedürftig war (vgl BSG, Urteil vom 6.9.2006 - B 6 KA 40/05 R - RdNr 21, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen; s auch Senatsbeschluss vom 29.8.2007 - B 6 KA 31/07 B - juris, dort RdNr 15). Die Kläger haben nicht dargetan, welche Tatfragen auf dieser Grundlage in ihrem Fall weiter klärungsbedürftig waren; sie ziehen vielmehr die genannte Auslegung in Zweifel. Zur Klärung dieser Rechtsfrage kann ein Sachverständigengutachten nichts beitragen.

2. Auch das Vorbringen, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, ist nicht in zulässiger Weise dargetan.

Wer die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung erstrebt, muss in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung bezeichnen, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 5 RdNr 2 ff und Nr 9 RdNr 4, mwN). Es muss aus der Beschwerdebegründung ersichtlich sein, dass sich die Antwort auf die Rechtsfrage nicht ohne Weiteres aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt; hierzu bedarf es der Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Entscheidungen und sonstiger einschlägiger Rechtsprechung. Diese Anforderungen, die allerdings nicht überspannt werden dürfen, sind verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG >Kammer< SozR 4-1500 § 160a Nr 12 RdNr 3 f).

Die Darlegungen der Kläger erfüllen diese Anforderungen nicht. Sie lassen keine konkrete Rechtsfrage erkennen, die in einem Revisionsverfahren grundsätzlich und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus geklärt werden könnte. Die Kläger machen im Kern lediglich geltend, das LSG sei in ihrem Fall zu Unrecht von grober Fahrlässigkeit ausgegangen. Das Vorbringen einer im Einzelfall fehlerhaften Rechtsanwendung durch das Berufungsgericht kann jedoch nicht zur Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung führen (vgl Senatsbeschluss vom 23.5.2007 - B 6 KA 27/06 B - juris, dort RdNr 11; s auch Krasney/Udsching, aaO, RdNr 58 und 181 f).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 160a Abs 4 Satz 3 Halbsatz 2 SGG ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von § 154 Abs 2 und § 159 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung . Hiernach haben die Kläger die Kosten des von ihnen erfolglos geführten Rechtsmittels als Gesamtschuldner zu tragen.

Der Streitwert ist auf der Grundlage von § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 , § 52 Abs 3 , § 47 Abs 1 und 3 , § 40 Gerichtskostengesetz in Höhe des in den angefochtenen Bescheiden zuletzt noch zurückgeforderten Honorars festzusetzen.

Vorinstanz: LSG Rheinland-Pfalz, vom 14.06.2007 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 KA 58/05
Vorinstanz: SG Mainz, vom 17.08.2005 - Vorinstanzaktenzeichen S 6 KA 673/03