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BSG - Entscheidung vom 04.06.2007

B 9a BL 2/07 B

Normen:
SGG § 103

BSG, Beschluss vom 04.06.2007 - Aktenzeichen B 9a BL 2/07 B

DRsp Nr. 2007/14956

Beweisanträge nicht rechtskundig vertretener Beteiligter im sozialgerichtlichen Verfahren

1. Geben Beteiligte ohne berufsmäßige Rechtsvertreter in der mündlichen Verhandlung lediglich einen Sachantrag zu Protokoll, lässt das grundsätzlich nicht darauf schließen, dass ein zuvor schriftsätzlich gestellter Beweisantrag fallen gelassen wird. 2. Hat das Gericht auf den schriftsätzlich gestellten Beweisantrag hin Ermittlungen angestellt, die ein Beteiligter für unzureichend hält, so hat er das dem Gericht mitzuteilen. Andernfalls kann das Gericht auch bei einem Beteiligten ohne berufsmäßigen Rechtsvertreter davon ausgehen, der Beweisantrag solle nicht weiter verfolgt werden. [Nicht amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Normenkette:

SGG § 103 ;

Gründe:

Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 16.1.2007 die Auffassung der Beklagten und das erstinstanzliche Urteil bestätigt, wonach die Klägerinnen als Rechtsnachfolgerinnen ihres verstorbenen Vaters keinen Anspruch auf Landesblindengeld bis zu dessen Tod haben, weil bei dem Verstorbenen Blindheit nicht ausreichend nachgewiesen sei. Die Revision hat das LSG nicht zugelassen.

Dagegen haben die Klägerinnen Beschwerde zum Bundessozialgericht (BSG) eingelegt. Sie machen geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung und das angegriffene Urteil weiche von einer Entscheidung des BSG ab.

Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ordnungsgemäß dargetan oder bezeichnet ist (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ).

Zunächst rügen die Klägerinnen eine Verletzung der tatrichterlichen Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG ). Hierfür muss eine Beschwerdebegründung jeweils folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, auf Grund deren bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Erkenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, den Beschwerdeführerinnen günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (BSG SozR 1500 § 160 Nr 5, 35, 45 und § 160a Nr 24, 34). Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Die Klägerinnen bezeichnen zwar die folgenden drei Aufforderungen an das Berufungsgericht, weiter zu ermitteln:

1. Frau Dr. L. als Zeugin zu vernehmen für den Fall, dass ihre Stellungnahme vom 23.1.2002 in der die am 21.9.2000 erhobenen Befunde dargestellt wurden, für das Gericht nicht ausreichen sollte (Schriftsatz vom 25.11.2004).

2. Den Hausarzt Klaus S. als Zeugen zu der Frage zu vernehmen, ob der verstorbene Kläger in einer geistigen Verfassung war, die ihm die Mitwirkung an Untersuchungen ermöglichte (Schriftsätze vom 25.11.2004 und 27.3.2006).

3. Vernehmung der Klägerinnen als Parteien zum Gesundheitszustand des verstorbenen Klägers.

Die Klägerinnen legen aber nicht dar, woraus sich ergibt, dass sie die Beweisanträge (zu 1. und 2.) im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 16.1.2007 aufrechterhalten haben.

Sie weisen zwar zu Recht auf Rechtsprechung des Senats hin, wonach bei der Frage, ob ein im Verlauf des Verfahrens schriftlich gestellter Beweisantrag bewusst nicht weiter verfolgt worden ist, zwischen Beteiligten mit berufsmäßigen Rechtsvertretern und Beteiligten ohne solche Prozessbevollmächtigte zu unterscheiden ist. Geben letztere - zu denen im Berufungsverfahren auch die Klägerinnen gehörten - in der mündlichen Verhandlung lediglich einen Sachantrag zu Protokoll, lässt das grundsätzlich nicht darauf schließen, ein zuvor schriftsätzlich gestellter Beweisantrag werde fallen gelassen (BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1). Anders verhält es sich aber, wenn das Gericht auf den schriftsätzlich gestellten Beweisantrag hin Ermittlungen angestellt hat, und zwar auch dann, wenn es dabei im Rahmen seines Ermessens ein anderes als das benannte Beweismittel nutzt. Hält ein Beteiligter diese Ermittlungen für unzureichend, so hat er das dem Gericht mitzuteilen. Tut er dies nicht, kann das Gericht auch bei einem Beteiligten ohne berufsmäßigen Rechtsvertreter davon ausgehen, der Beweisantrag solle nicht weiter verfolgt werden. Diesen Kriterien trägt die Beschwerdebegründung nicht hinreichend Rechnung.

Dem Beschwerdevorbringen der Klägerinnen lässt sich zunächst nicht entnehmen, ob und ggf welche Ermittlungen das LSG im Hinblick auf deren Antrag auf Vernehmung von Frau Dr. L. durchgeführt hat. Dementsprechend gehen die Klägerinnen nicht darauf ein, dass vom LSG ein Befundbericht dieser Ärztin vom 21.1.2005 nebst Ablichtung der Patientenkartei eingeholt worden ist. Ebenso wenig behaupten sie, das LSG zu weiteren Ermittlungen aufgefordert zu haben.

Ähnlich verhält es sich mit dem Antrag auf Vernehmung der Hausarztes Klaus S.. Hierzu erwähnen die Klägerinnen zwar den vom LSG eingeholten Befundbericht dieses Arztes vom 14.8.2006, legen jedoch nicht dar, dass sie dieses Beweisergebnis dem LSG gegenüber als unzureichend bezeichnet und eine weitere Beweiserhebung gefordert hätten.

Die von den Klägerinnen beantragte "Parteivernehmung" (oben unter 3.) ist nach dem SGG kein Mittel der Sachaufklärung (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG , 8. Aufl 2005, § 103 RdNr 12 mwN zur Rspr des BSG); insoweit bezeichnet die Beschwerdebegründung mithin keinen prozessordnungsgerechten Beweisantrag, den das LSG übergangen haben könnte (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ). Den Klägerinnen hätte es frei gestanden, alles aus ihrer Sicht Wesentliche zum Gesundheitszustand des Verstorbenen vorzutragen. Das LSG hätte dieses Beteiligtenvorbringen zu würdigen gehabt (BSG SozR Nr 56 zu § 128 SGG ).

Soweit die Klägerinnen rügen, das LSG sei von Rechtsprechung des BSG abgewichen, indem es ihnen die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt habe, kann die Revision schon deshalb nicht zugelassen werden, weil sie nach dem oben Gesagten in der Hauptsache nicht zuzulassen ist. Eine nur auf den Kostenpunkt beschränkte Revision müsste als unzulässig verworfen werden. Dies folgt aus dem allgemeinen prozessrechtlichen Grundsatz, dass die Anfechtung der Entscheidung über den Kostenpunkt unzulässig ist, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel gegeben ist (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 54).

Mit einem am 10.5.2007 beim BSG eingegangenen Schriftsatz haben die Klägerinnen als weiteren Verfahrensfehler eine überlange Verfahrensdauer gerügt. Diese weitere Begründung bleibt unberücksichtigt, weil sie erst nach Ablauf der Begründungsfrist (am 8.5.2007) vorgebracht worden ist.

Die danach unzulässige Beschwerde ist nach § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG (vgl dazu BSG SozR 4-1500 § 183 Nr 1).

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 16.01.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 15 BL 2/04
Vorinstanz: SG München, vom 12.12.2003 - Vorinstanzaktenzeichen 1 BL 17/01