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BSG - Entscheidung vom 06.03.2007

B 12 KR 100/06 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 § 160a Abs. 2 S. 3

BSG, Beschluss vom 06.03.2007 - Aktenzeichen B 12 KR 100/06 B

DRsp Nr. 2007/8848

Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache

Voraussetzung für die Annahme erneuter Klärungsbedürftigkeit bei einer bereits höchstrichterlich entschiedenen Rechtsfrage ist das Vorbringen wesentlich neuer Gesichtspunkte, dh ganz erheblicher Bedenken bzw gewichtiger Argumente gegen die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung in der Nichtzulassungsbeschwerde. [Nicht amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 § 160a Abs. 2 S. 3 ;

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten um die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung bei der Klägerin stellte der beklagte Rentenversicherungsträger die Versicherungspflicht ua der Beigeladenen zu 1. in allen Zweigen der Sozialversicherung fest und forderte Gesamtsozialversicherungsbeiträge nach. Widerspruch, Klage und Berufung blieben erfolglos.

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) vom 11. Oktober 2006.

II

Die Beschwerde ist in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 des Sozialgerichtsgesetzes ( SGG ) als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das Bundessozialgericht (BSG) darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

1. Die Klägerin beruft sich zunächst auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ). Hierzu muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; BVerwG NJW 1999, 304 ; vgl auch BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne weiteres zu beantworten ist und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im Allgemeininteresse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). - Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Die Klägerin hat die Frage formuliert,

"ob eine Sonderzahlung zum regelmäßigen Entgelt gemäß § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV zu zählen ist, wenn auf die Sonderzahlung kein Anspruch besteht und über deren Gewährung jeweils unterjährig und tatsächlich nach Prüfung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens entschieden wird".

Der Senat kann offen lassen, ob die Klägerin hiermit überhaupt eine Rechtsfrage und nicht nur eine Tatsachenfrage, etwa eine Frage zur tatsächlichen Beurteilung des maßgeblichen Lebenssachverhalts auf der Grundlage der hierzu bereits vorhandenen Rechtsprechung des Senats gestellt hat. Jedenfalls hat sie nicht in der erforderlichen Weise dargelegt, warum der von ihr angesprochene Fragenkreis klärungsbedürftig geblieben oder erneut klärungsbedürftig geworden ist, nachdem der Senat in dem vom Berufungsgericht herangezogenen Urteil vom 28. Februar 1984 (12 RK 21/83 = SozR 2100 § 8 Nr 4) unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 9. Dezember 1981 (12 RK 20/81 = SozR 2200 § 165 Nr 65) und in einem späteren Urteil vom 11. Mai 1993 ( 12 RK 23/91 = SozR 3-2400 § 8 Nr 3) dazu Stellung genommen hat, unter welchen Voraussetzungen - im Hinblick auf die Geringfügigkeitsgrenze in § 8 Abs 1 Nr 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung ( SGB IV ) - anzunehmen ist, dass Sonderzahlungen des Arbeitgebers regelmäßig gewährt werden. Zwar steht der Umstand, dass über eine Rechtsfrage bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, der Annahme von Klärungsbedürftigkeit nicht von vornherein entgegen. Jedoch ist Voraussetzung für die Annahme erneuter Klärungsbedürftigkeit, dass in der Nichtzulassungsbeschwerde wesentlich neue Gesichtspunkte, dh ganz erhebliche Bedenken bzw gewichtige Argumente gegen die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung vorgebracht werden. Solche können den Ausführungen in der Beschwerdebegründung nicht entnommen werden. Insoweit reicht es nicht aus vorzutragen, dass die Frage der Regelmäßigkeit im Kontext des der Berufungsentscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts, aber auch im Kontext der Senatsentscheidung vom 28. Februar 1984 und des dortigen Sachverhalts als Rechts- und nicht als Tatsachenfrage zu beantworten gewesen sei, und der Senat den Rechtsstreit seinerzeit nicht an das LSG habe zurückverweisen müssen. Ebenso wenig genügt den in einem solchen Fall gesteigerten Darlegungsanforderungen, wenn - wie hier - eingewandt wird, ob Sonderzahlungen zum regelmäßigen Entgelt zählten, sei "im Wege der Auslegung" zu ermitteln und "könne und müsse nicht dadurch umgangen werden, dass ein weiteres, nicht geschriebenes Tatbestandsmerkmal - die Planbarkeit - eingefügt" werde, oder wenn lediglich vorgebracht wird, dass ein sinnvolles Kriterium, "unter welchen Voraussetzungen eine Zahlung, auf die kein Anspruch besteht, planbar sein soll", nicht denkbar sei. Die Klägerin hat mit diesen Ausführungen nicht in der gebotenen Weise dargetan, dass es einer erneuten Prüfung der im Zusammenhang mit der Feststellung der Regelmäßigkeit von Sonderzahlungen rechtsgrundsätzlich geklärten Fragen mit der Möglichkeit der Aufgabe oder Modifizierung der bisherigen Senatsrechtsprechung und damit einer erneuten Revisionszulassung bedarf.

Ob die Entscheidung des LSG auf der Grundlage der genannten Rechtsprechung des Senats zutreffend ist, ist bei der Entscheidung über die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung indessen unerheblich.

2. Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ), die zur Zulassung der Revision führen könnten, sind nicht in der gebotenen Weise bezeichnet.

Die Klägerin legt dar, dass das LSG auf ihr in der Klagebegründung vom 17. Februar 2004 und in der Berufungsbegründung vom 11. Mai 2005 enthaltenes Beweisangebot durch Einvernahme der Zeugin K. F. nicht eingegangen sei. Die als Verfahrensfehler geltend gemachte Verletzung des § 103 SGG kann gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nur darauf gestützt werden, dass das Berufungsgericht einem Beweisantrag (im hier maßgeblichen Sinn der Zivilprozessordnung ) ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Es kann unerörtert bleiben, ob die Klägerin überhaupt einen diesen Anforderungen genügenden Beweisantrag bezeichnet hat. Jedenfalls muss ein Beweisantrag, um der hiermit verbundenen Warnfunktion (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 9) genügen zu können, der Tatsacheninstanz unmittelbar vor deren abschließender Entscheidung vor Augen führen, dass die Klagepartei die gerichtliche Sachaufklärung in einem bestimmten Punkt noch nicht als erfüllt ansieht. Die Klägerin hat indes nicht - wie dies demzufolge erforderlich gewesen wäre - vorgetragen, dass sie einen im Rahmen der Berufungsbegründung vom 11. Mai 2005 gestellten Antrag auf Zeugeneinvernahme noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 11. Oktober 2006 - etwa durch Wiederholung in der mündlichen Verhandlung - aufrecht erhalten hat (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 64).

Soweit die Klägerin einwendet, das Berufungsgericht habe die Aussagen der Beigeladenen zu 1., die diese ua im Erörterungstermin am 28. Juni 2006 gemacht hat, unzutreffend gewürdigt, hat sie einen entscheidungserheblichen Verfahrensmangel ebenfalls nicht dargetan. Denn auf eine darin möglicherweise liegende Rüge, das LSG habe die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung (vgl § 128 Abs 1 Satz 1 SGG ) verletzt, kann die Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ).

Die Klägerin bewertet schließlich als Verfahrensfehler, dass das Berufungsgericht die Voraussetzungen für die Prüfungen, ob eine Sonderzahlung gewährt wird, in den Entscheidungsgründen seines Urteils als "(fast schon theatralisches) Ritual" bezeichnet hat. Ein entscheidungserheblicher Verfahrensmangel ist hiermit nicht bezeichnet, weil schon nicht dargelegt ist, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt in dieser Äußerung ein verfahrensfehlerhaftes Verhalten der Vorinstanz zu sehen sein soll. Im Übrigen hat die Klägerin selbst diese Äußerung zwar als sachfremd, jedoch - lediglich - als "mindestens eigenwillig" angesehen, "für die es keinen Anlass gebe", und nicht etwa vorgetragen, dass sie Ausdruck eines Verstoßes gegen Verfahrensvorschriften (welche?) ist, auf dem das Berufungsurteil beruht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG iVm mit § 154 Abs 2 der Verwaltungsgerichtsordnung .

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren war gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 , § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 des Gerichtskostengesetzes entsprechend den von den Beteiligten nicht beanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts in Höhe der mit der Klage angegriffenen Beitragsforderung festzusetzen.

Vorinstanz: LSG Stuttgart - L 5 KR 530/05 - 11.10.2006,
Vorinstanz: SG Heilbronn, vom 26.11.2004 - Vorinstanzaktenzeichen S 9 KR 796/04