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BSG - Entscheidung vom 04.12.2007

B 2 U 34/06 R

Normen:
FRG § 2 S. 1 § 2 S. 2 Art. 1 lit. a Art. 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. a
RV/UVAbk POL Art. 4
RV/UVAbkPOLG Art. 5
SGB VII § 214 Abs. 3 § 217 Abs. 2 § 65 Abs. 5 S. 1
SozSichAbk POL § 11 Abs. 3 § 27 Abs. 1 § 27 Abs. 2 S. 1

Fundstellen:
NZS 2008, 659

BSG, Urteil vom 04.12.2007 - Aktenzeichen B 2 U 34/06 R

DRsp Nr. 2008/15789

Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen aus der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung für vertriebene Polen

Ist der Ehegatte von Vertriebenen aus Polen dort an den Folgen eines Arbeitsunfalls gestorben und haben sie dort wieder geheiratet, so besteht nach der Aussiedlung nach Deutschland und Scheidung der zweiten Ehe Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen aus der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Normenkette:

FRG § 2 S. 1 § 2 S. 2 Art. 1 lit. a Art. 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. a ; RV/UVAbk POL Art. 4 ; RV/UVAbkPOLG Art. 5 ; SGB VII § 214 Abs. 3 § 217 Abs. 2 § 65 Abs. 5 S. 1 ; SozSichAbk POL § 11 Abs. 3 § 27 Abs. 1 § 27 Abs. 2 S. 1 ;

Gründe:

I. Umstritten ist eine Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem vorletzten Ehemann an die Klägerin.

Die 1954 in Polen geborene und dort bis zum Jahre 1989 wohnhafte Klägerin heiratete erstmals im Jahre 1978. Ihr damaliger Ehemann verstarb aufgrund eines in Polen erlittenen Arbeitsunfalls am 10. September 1982. Am 30. April 1986 heiratete die Klägerin erneut. Im Mai 1989 verlegte sie ihren Wohnsitz nach Deutschland, wurde eingebürgert und erhielt einen Ausweis für Flüchtlinge und Vertriebene A. Die zweite Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts Witten vom 22. September 2004, rechtskräftig ab 13. November 2004, geschieden. Den im Oktober 2004 gestellten Antrag auf Hinterbliebenenrente nach dem vorletzten Ehemann lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 14. Dezember 2004, Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2005).

Das Sozialgericht ( SG ) hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 13. Juli 2005). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 5. September 2006), obwohl diese angegeben habe, sie habe nach dem Tod ihres ersten Ehemannes keine Witwenrente bezogen, weil die Rente so niedrig gewesen sei, dass sie habe arbeiten müssen. Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt: Anzuwenden seien die Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung ( SGB VII ). Nach § 214 Abs 3 SGB VII würden dessen Vorschriften über Renten auch für Versicherungsfälle gelten, die vor dem Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997 eingetreten seien, wenn diese Leistungen erstmals nach dem Inkrafttreten festzusetzen seien. Die Bestandsschutzregelung des § 217 Abs 2 SGB VII gelte nicht, da die damals maßgebliche Vorschrift über Rente nach dem vorletzten Ehemann § 615 der Reichsversicherungsordnung ( RVO ) gewesen sei, der in dieser Regelung nicht aufgeführt werde. Die Voraussetzungen des § 65 Abs 5 SGB VII für eine Witwenrente nach dem vorletzten Ehemann seien nicht erfüllt, weil die Klägerin zum Zeitpunkt der Wiederheirat keinen Anspruch auf Witwenrente iS dieser Vorschrift gehabt habe. Hierfür genüge zwar ein Stammrecht auf eine solche Rente, ein solches habe der Klägerin aber nicht zugestanden. Denn nach § 7 Abs 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung vom 9. Oktober 1975 (BGBl II 1976, 396, im Folgenden: deutsch-polnisches Sozialversicherungsabkommen bzw abgekürzt: DPSVA 1975) würden Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung vom Versicherungsträger des Staates gewährt, in dem der Berechtigte wohne, und dies sei bei der Klägerin damals Polen gewesen. Ein Anspruch gegen einen deutschen Unfallversicherungsträger sei damit ausgeschlossen gewesen.

Mit ihrer - vom LSG zugelassenen - Revision macht die Klägerin geltend, die Auffassung des LSG führe dazu, dass eine Witwe, die noch einmal in ihrem Heimatland heirate und dann erst nach Deutschland ziehe, nie einen Anspruch nach § 65 Abs 5 SGB VII haben könne. Dies führe zu einer Ungleichbehandlung, die nicht zu rechtfertigen sei. Gegen diese Ungleichbehandlung spräche auch die Bewilligung von Waisenrente an die Tochter der Klägerin. § 65 Abs 5 SGB VII solle eine Versorgungslücke vermeiden und dies werde nur durch eine Auslegung erreicht, bei der nicht auf den Zeitpunkt des Zuzuges, sondern den der zweiten Eheschließung abgestellt werde.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. September 2006 und des Sozialgerichts Dortmund vom 13. Juli 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Hinterbliebenenrente nach ihrem ersten Ehemann ab 1. Dezember 2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Die Urteile des LSG vom 5. September 2006 und des SG vom 13. Juli 2005 sowie der Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2005 sind aufzuheben, und die Beklagte ist zu verurteilen, der Klägerin Hinterbliebenenrente nach ihrem vorletzten Ehemann nach § 65 Abs 5 SGB VII ab 1. Dezember 2004 zu gewähren.

Anzuwenden auf den vorliegenden Rechtsstreit ist, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, das am 1. Januar 1997 in Kraft getretene SGB VII , obwohl sich der Versicherungsfall schon im Jahr 1982 durch den Arbeitsunfall und Tod des vorletzten Ehemanns der Klägerin ereignet hat. Denn nach § 214 Abs 3 SGB VII gelten die Vorschriften des SGB VII über Renten auch für Versicherungsfälle, die vor dem Tag des Inkrafttretens des SGB VII eingetreten sind, wenn diese Leistungen erstmals nach dem Inkrafttreten des SGB VII festzusetzen sind. Über die umstrittene Witwenrente nach dem vorletzten Ehemann aufgrund des heutigen § 65 Abs 5 SGB VII ist erstmals im Herbst 2004 nach der kurz zuvor erfolgten Scheidung der weiteren Ehe der Klägerin zu entscheiden gewesen. Aus dem Abs 2 des mit der Überschrift "Bestandsschutz" versehenen § 217 SGB VII , nach dem bestimmte Paragrafen des Hinterbliebenenrechts der RVO in der bis zum 31. Dezember 1985 geltenden Fassung weiter anzuwenden sind, wenn der Tod des Versicherten - wie vorliegend - vor dem 1. Januar 1986 eingetreten ist, folgt nichts anderes. Denn die heute in § 65 Abs 5 SGB VII geregelte Witwenrente nach dem vorletzten Ehemann war bis zum 31. Dezember 1985 in § 615 Abs 2 RVO geregelt und dieser Paragraf wird in § 217 Abs 2 SGB VII nicht aufgeführt.

Nach § 65 Abs 5 Satz 1 SGB VII wird Witwen- oder Witwerrente auf Antrag auch an überlebende Ehegatten gezahlt, die wiedergeheiratet haben, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist und sie zum Zeitpunkt der Wiederheirat Anspruch auf eine solche Rente hatten. Diese Voraussetzungen werden von der Klägerin nach den nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen und daher für den Senat bindenden (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) tatsächlichen Feststellungen des LSG insofern erfüllt, als die von ihr nach dem Tode des Versicherten geschlossene weitere Ehe aufgrund des Urteils des Amtsgerichts Witten vom 22. September 2004, rechtskräftig ab 13. November 2004, geschieden wurde und sie einen entsprechenden Antrag gestellt hat.

Aber auch die weitere und vorliegend allein umstrittene Voraussetzung - ein Anspruch der Klägerin auf Witwenrente zum Zeitpunkt der Wiederheirat aufgrund des Todes ihres ersten Ehemannes am 10. September 1982 infolge des Arbeitsunfalls - ist entgegen der Ansicht des LSG erfüllt. Das LSG hat diese Voraussetzung unter Bezugnahme auf die zur gesetzlichen Rentenversicherung ergangene Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 7. Juni 1988 - 8/5a RKn 22/87 - verneint, weil die Klägerin zum Zeitpunkt ihrer Wiederheirat am 30. April 1986 in Polen gelebt und sie nach dem damals geltenden DPSVA 1975 einen Anspruch auf Witwenrente gegen den polnischen Versicherungsträger gehabt habe, womit ein Anspruch gegen einen deutschen Unfallversicherungsträger ausgeschlossen sei. An dieser alleine am DPSVA 1975 orientierten Auslegung kann jedoch heute nicht mehr festgehalten werden.

In dem vom LSG genannten Urteil des 8. Senats vom 7. Juni 1988 - 8/5a RKn 22/87 - wird unter Hinweis auf das Urteil des BSG vom 18. Mai 1966 (BSGE 25, 20, 23 = SozR Nr 15 zu § 1291 RVO ) eine Hinterbliebenrente nach dem vorletzten Ehemann nach § 83 Abs 3 des damals geltenden Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) aus der knappschaftlichen Rentenversicherung verneint, weil die Klägerin zuvor in Polen gelebt hatte und erst nach der zweiten Eheschließung nach Deutschland übergesiedelt war. Zur Begründung wird ausgeführt, die polnische Hinterbliebenenrente, die durch die zweite Eheschließung weggefallen sei, könne nicht Gegenstand eines Wiederauflebens nach § 83 Abs 3 RKG sein, weil es sich nicht um einen Rentenanspruch nach Vorschriften des Deutschen Reichs- oder Bundesrechts gehandelt habe. Denn nach Art 4 DPSVA 1975 habe die Klägerin nur einen Anspruch gegen den polnischen Versicherungsträger gehabt, auch wenn bei dem verstorbenen ersten Ehemann Zeiten nach dem Reichsrecht zu berücksichtigen gewesen wären. In der Entscheidung des BSG vom 18. Mai 1966 war ein Witwenrentenanspruch nach dem vorletzten Ehemann nach § 68 Abs 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes ( AVG ) verneint worden, weil zum Zeitpunkt der Wiederverheiratung im Jahre 1954 nur die Voraussetzungen für die Gewährung von Witwenrenten nach dem Recht der "SBZ" (damalige Abkürzung für "Sowjetische Besatzungszone" an Stelle von "DDR" für "Deutsche Demokratische Republik") erfüllt waren. Diese zuletzt angeführte Auffassung haben die Rentensenate des BSG jedoch seit der Entscheidung vom 28. Februar 1978 (BSGE 46, 51 = SozR 2200 § 1291 Nr 14) insoweit aufgegeben, als sie im Hinblick auf die zwischenzeitlichen Änderungen des Fremdrentengesetzes ( FRG ) zum 1. Januar 1959 zu der identischen Fallgestaltung (Tod des ersten Ehemannes und Wiederheirat in der DDR, anschließend Umsiedlung in die Bundesrepublik) einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach dem vorletzten Ehemann bejahten. Zwar könne nur wiederaufleben, was vorher schon einmal existent gewesen sei, sodass im Zeitpunkt der Wiederheirat ein Witwenrentenanspruch bestanden haben müsse, der auf Vorschriften des Reichs- oder Bundesrechts beruht habe. Hierfür reiche jedoch ein Stammrecht (Grundanspruch, Gesamtanspruch) auf Witwenrente aus. Nicht erforderlich sei ein Rentenanspruch iS eines Anspruchs auf Auszahlung des jeweils fällig werdenden einzelnen (monatlichen) Betrages. Dieses Rentenstammrecht entstehe seit dem 1. Januar 1959 nach dem neuen FRG unabhängig davon, ob der Berechtigte sich - vor der Wiederheirat - im Geltungsbereich des bundesdeutschen Rechts aufgehalten habe (BSGE 46, 51 = SozR 2200 § 1291 Nr 14; BSG SozR 2200 § 1291 Nr 24; BSG SozR 3-2200 § 1291 Nr 1; BSG SozR 3-2200 § 1291 Nr 3, jeweils mwN).

Hinsichtlich seines oben angeführten Urteils vom 7. Juni 1988 hat der 8. Senat in der Entscheidung vom 30. Mai 1990 (BSG SozR 3-2200 § 1291 Nr 3) darauf hingewiesen, dass in jener Entscheidung die Voraussetzungen nach § 2 Buchst b FRG , der dem heutigen § 2 Satz 1 Buchst b FRG entspricht, vorgelegen hätten, wonach die sonstigen Vorschriften des FRG nicht anwendbar gewesen seien. Damit hat der 8. Senat wohl zum Ausdruck bringen wollen, dass die Klägerin des Verfahrens, das zu dem Urteil vom 7. Juni 1988 geführt hat, kein Stammrecht erworben habe, weil sie zur Zeit der Wiederheirat in Polen lebte und damit nach dem DPSVA 1975 zu diesem Zeitpunkt polnisches Recht für sie anwendbar war, während die Klägerin in dem Verfahren, das zu dem Urteil vom 30. Mai 1990 führte, aus der UDSSR kam, mit der es kein Sozialversicherungsabkommen (SVA) gab. Im Ergebnis würde dies dazu führen, dass FRG -Berechtigte aus Staaten, mit denen ein SVA wie das DPSVA 1975 besteht, immer von einer Hinterbliebenenrente nach dem vorletzten Ehemann ausgeschlossen wären, während FRG -Berechtigte aus einem Staat, mit dem kein SVA besteht, Leistungen erhielten, weil die genannte Ausschlussvorschrift des heutigen § 2 Satz 1 FRG nicht eingreift. Dies würde zu einem Wertungswiderspruch führen, weil Personen aus einem Staat, mit dem ein SVA besteht, schlechter gestellt werden, als Personen aus einem Staat, mit dem kein SVA besteht, obwohl eine Zielsetzung von SVA die Gleichbehandlung der jeweiligen Staatsangehörigen ist, also gerade kein Nachteil aus dem Umzug von dem einen in den anderen Staat entstehen soll (vgl Raschke in Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, Unfallversicherung, 1996, § 74 RdNr 1; Petersen in Sozialrechtshandbuch, 3. Aufl 2003, § 34 Nr 40).

Dieser Wertungswiderspruch wird durch das seit dem 1. Oktober 1991 geltende Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über Soziale Sicherheit vom 8. Dezember 1990 (BGBl II 1991, 743, im Folgenden: deutsch-polnisches Sozialversicherungsabkommen 1990, abgekürzt DPSVA 1990) und das dazu ergangene Gesetz vom 18. Juni 1991 (BGBl II 794, im Folgenden: Zustimmungsgesetz DPSVA 1990) gelöst. Durch Art 5 Zustimmungsgesetz DPSVA 1990 ist § 2 FRG um folgenden Satz ergänzt worden: "Satz 1 gilt nicht, soweit nach einem zwischenstaatlichen Abkommen die Rechtsvorschriften über Leistungen für nach diesem Gesetz anrechenbare Versicherungszeiten oder zu entschädigende Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten unberührt bleiben." Eine dementsprechende Vorbehaltsregelung ist in Art 11 Abs 3 DPSVA 1990 enthalten, der lautet: "Die deutschen Rechtsvorschriften über Leistungen aus Arbeitsunfällen (Berufskrankheiten), die nicht im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingetreten sind, sowie über Leistungen für nach Fremdrentenrecht zu entschädigende Arbeitsunfälle (Berufskrankheiten) bleiben unberührt." Dies bedeutet, dass die Klägerin einen Anspruch auf Witwenrente nach § 65 Abs 5 SGB VII iVm dem FRG hätte, wenn das DPSVA 1990 auf sie Anwendung finden würde.

Das DPSVA 1990 ist auf das vorliegende Verfahren jedoch nicht unmittelbar anwendbar. Nach seinen Übergangs- und Schlussvorschriften gilt das DPSVA 1990 für Ansprüche aus Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, die nach dem 31. Dezember 1990 im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates eingetreten sind, und für Ansprüche von Personen, die nach dem 31. Dezember 1990 ihren Wohnort in das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates verlegen, dort neu begründen oder in einem Drittstaat haben (Art 27 Abs 1 Satz 1, 2 DPSVA 1990). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, weil sich der Arbeitsunfall des vorletzten Ehemannes der Klägerin in 1982 ereignete und die Klägerin ihren Wohnsitz schon im Jahre 1989 nach Deutschland verlegt hatte.

Aber auch die Voraussetzungen des Art 27 Abs 2 bis 4 DPSVA 1990, der die Fortgeltung des DPSVA 1975 regelt, liegen bei der Klägerin nicht vor. Nach dem hier allein in Frage kommenden Art 27 Abs 2 Satz 1 DPSVA 1990 werden die vor dem 1. Januar 1991 aufgrund des DPSVA 1975 erworbenen Ansprüche und Anwartschaften durch das DPSVA 1990 nicht berührt, solange diese Personen auch nach dem 31. Dezember 1990 ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet des Vertragsstaates beibehalten. Einen Witwenrentenanspruch aufgrund des DPSVA 1975 hatte die Klägerin durch ihre Wiederheirat nicht mehr. Ob der Anspruch einer Witwe eines Arbeitsunfallopfers, die wiedergeheiratet hat, nach § 65 Abs 5 SGB VII als Anwartschaft im Sinne dieser Übergangsvorschrift angesehen werden kann, ist zumindest fraglich (vgl zB Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand März 2007, § 65 SGB VII , RdNr 20, der von einem "Sicherungsrecht" spricht). Gegen eine Anwendung des DPSVA 1975 spricht jedoch entscheidend, dass dies zu einem logischen Widerspruch führen würde: Wird die Anwendung des DPSVA 1975 bejaht, liegt nach dem Urteil des 8. Senats vom 7. Juni 1988 keine Anwartschaft vor. Wenn aber nicht zumindest eine Anwartschaft vorliegt, ist das DPSVA 1975 nicht anzuwenden.

Die so entstandene Regelungslücke kann entsprechend der heute geltenden Rechtslage nach dem DPSVA 1990 und dem dazu ergangenen Zustimmungsgesetz nur dadurch geschlossen werden, dass ein Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente nach § 65 Abs 5 SGB VII iVm dem Fremdrentengesetz bejaht wird. Die Behebung des sich aus der oben aufgezeigten früheren und weitgehend aufgegebenen Rechtsprechung folgenden Wertungswiderspruchs ist auch das erklärte Ziel der durch Art 5 Zustimmungsgesetz DPSVA 1990 erfolgten Ergänzung des § 2 FRG und der Vorbehaltsregelung in Art 11 Abs 3 DPSVA 1990, wie sich aus der Denkschrift zu dem DPSVA 1990 und der Begründung zum Zustimmungsgesetz DPSVA 1990 ergibt, nach denen die Ansprüche nach dem FRG durch das SVA nicht ausgeschlossen werden sollen (BT-Drucks 12/470 S 7, 22 f).

Als anerkannte Vertriebene gehört die Klägerin zu dem durch das FRG begünstigten Personenkreis (§ 1 Buchst a FRG ). Der tragende Rechtsgedanke der fremdrentenrechtlichen Gesamtregelung des FRG besagt, dass die in der Bundesrepublik Deutschland zuziehenden nach § 1 FRG anzuerkennenden Personen renten- und unfallversicherungsrechtlich so gestellt werden sollen, als ob sie im Bundesgebiet beschäftigt gewesen wären (vgl zur gesetzlichen Rentenversicherung: BSGE 60, 100, 106 f = SozR 5050 § 15 Nr 22). Diesem Eingliederungsprinzip entspricht es, alle in die Bundesrepublik Deutschland zugewanderten, vom FRG geschützten Personen, die ihren im Herkunftsgebiet erworbenen Versicherungsschutz verloren haben, unfallversicherungsrechtlich grundsätzlich so zu stellen, als hätten sie ihren Anspruch auf Leistungen hier erworben (BSGE 63, 282 , 287 = SozR 2200 § 1251a Nr 2). Trotz der zwischenzeitlich vor allem in der gesetzlichen Rentenversicherung eingeführten Abschläge (vgl ua das Rentenüberleitungsgesetz vom 25. Juli 1991, BGBl I 1606; zur Rechtsentwicklung in der gesetzlichen Rentenversicherung zB Polster, DRV 1997, 63 ff mwN) liegt dem FRG nach wie vor insbesondere hinsichtlich der den Anspruchsgrund betreffenden Regelungen das Eingliederungsprinzip zugrunde, wie sich auch aus der praktisch unveränderten Fassung des § 5 FRG über die Entschädigung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten seit dem 1. Januar 1964 bis heute ergibt. Mit anderen Worten: Sobald ein solcher "Versicherter" oder Hinterbliebener Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich des FRG nimmt, ist er renten- und unfallversicherungsrechtlich grundsätzlich so einzugliedern, als habe von Anfang an Versicherungsschutz nach den einschlägigen Vorschriften des bundesdeutschen Rechts bestanden (vgl zur gesetzlichen Rentenversicherung: BSG SozR 3-2200 § 1291 Nr 1).

Durch ihre Einbeziehung in den Regelungsbereich des FRG hat die Klägerin einen eigenständigen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen. Nach dem Grundgedanken des Fremdrentenrechts ist ihr eine gleichrangige, an sich nur dem Versicherten zustehende Stellung eingeräumt worden. Hinterbliebene mit einer eigenen Berechtigung nach § 1 Buchst a FRG erwerben infolge ihrer Vertreibung ein Recht auf Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung und werden dadurch so gestellt, als ob sich das Arbeits- und Versicherungsleben des Versicherten und ihr eigenes Leben im Geltungsbereich des FRG abgespielt hätte. Ansprüche der Klägerin nach den Vorschriften des FRG entstehen aus eigenem Recht und sind vom Bestand von Rechten des Versicherten weitgehend losgelöst (vgl ebenso zur gesetzlichen Rentenversicherung: BSGE 49, 175 = SozR 5050 § 15 Nr 13; BSG SozR 3-2200 § 1291 Nr 3).

Übertragen auf den vorliegenden Sachverhalt bedeutet dies, dass die Klägerin, die heute in Deutschland lebt, so zu stellen ist, als ob der Arbeitsunfall ihres vorletzten Ehemannes sich in Deutschland ereignet hätte und sie einen Anspruch auf Witwenrente aus der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung gehabt hätte. Dieses Stammrecht auf eine Witwenrente aus der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung nach der damals geltenden RVO hat die Klägerin als Berechtigte nach dem FRG ebenso wie die Versicherten in den aufgezeigten Entscheidungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahre 1982 erworben. Dass die Klägerin keinen Anspruch auf Auszahlung dieser Witwenrente hatte, ist ebenso wie in der gesetzlichen Rentenversicherung unschädlich.

Nach § 5 Abs 1 Nr 2 Buchst a FRG wird nach den für die gesetzliche Unfallversicherung maßgebenden Vorschriften auch ein Arbeitsunfall entschädigt, wenn der Verletzte im Zeitpunkt des Unfalls bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung versichert war. Diese Voraussetzungen sind dem Grunde nach vorliegend ebenfalls erfüllt, wie sich aus den insofern unstreitigen Feststellungen des LSG und auch der Gewährung einer Halbwaisenrente seitens der Beklagten an die gemeinsame Tochter der Klägerin und ihres ersten Ehemannes ergibt.

Rentenbeginn ist vorbehaltlich der Anrechungsregelungen des § 65 Abs 5 SGB VII der 1. Dezember 2004. Hinterbliebenenrente ist zu zahlen vom Beginn des Monats an, der auf den Monat folgt, in dem die Antragstellung erfolgte, und ab dem Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Rentengewährung (vgl § 72 Abs 2 Satz 2 SGB VII ). Dies ist bei der Klägerin der 1. Dezember 2004, weil sie schon im Oktober 2004 die Hinterbliebenenrente beantragte und das Scheidungsurteil im November 2004 rechtskräftig wurde.

Eine Anfrage an den 8. Senat bzw den heute für die knappschaftliche Rentenversicherung zuständigen 5b-Senat nach § 41 Abs 3 SGG ist nicht notwendig, weil sich neben der Änderung der rentenversicherungsrechtlichen Vorschriften (Aufhebung des RKG, Einführung des von § 65 Abs 5 SGB VII abweichenden § 46 Abs 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung) die Rechtslage aufgrund des DPSVA 1990 und der Ergänzung des FRG grundlegend geändert hat und eine Anwendung des DPSVA 1975 verneint wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG .

Fundstellen
NZS 2008, 659