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BGH - Entscheidung vom 26.09.2007

5 StR 208/07

Normen:
StGB § 66

Fundstellen:
NStZ-RR 2008, 107
StV 2007, 633

BGH, Beschluß vom 26.09.2007 - Aktenzeichen 5 StR 208/07

DRsp Nr. 2007/18186

Verschiedenartige Taten als Symptomtaten

Handelt es sich bei den Straftaten, welche die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung begründen (sog. Symptomtaten), um solche ganz verschiedener Art, die völlig unterschiedliche Rechtsgüter verletzen, ist ihr Indizwert für einen verbrecherischen Hang des Täters besonders sorgfältig zu prüfen und zu begründen.

Normenkette:

StGB § 66 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt. Zugleich hat es die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung der Anordnung der Sicherungsverwahrung; zum Schuld- und Strafausspruch hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Das Landgericht hat die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung auf die Vorschrift des § 66 Abs. 1 StGB gestützt, deren formelle Voraussetzungen noch hinreichend belegt sind. Indes ist die Gesamtwürdigung, mit der die Strafkammer zur Annahme eines Hangs im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB gelangt, nicht genügend begründet. Insoweit fehlt es an ausreichenden Feststellungen zum symptomatischen Zusammenhang zwischen der hier abgeurteilten Tat und den die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB begründenden Taten, durch den die Gefährlichkeit des in der Sicherungsverwahrung unterzubringenden Angeklagten zu belegen ist. Dabei handelt es sich zum einen um eine Verurteilung durch das Landgerichts Cottbus vom 13. Februar 1997 wegen mehrerer Fälle der unerlaubten Einfuhr von und des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und zum anderen um die Verurteilung durch das Landgericht Berlin vom 30. November 2000 wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten.

Handelt es sich - wie hier - bei den Straftaten, welche die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung begründen (sog. Symptomtaten), um solche ganz verschiedener Art, die völlig unterschiedliche Rechtsgüter verletzen, ist ihr Indizwert für einen verbrecherischen Hang des Täters besonders sorgfältig zu prüfen und zu begründen (vgl. BGHR StGB § 66 Abs. 1 Vorverurteilungen 5; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 10; BGH NStZ-RR 1998, 6 , 7; BGH NStZ 2002, 537 , 538; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 66 Rdn. 19).

Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Zwar können auch unterschiedliche Delikte in einem gleich gelagerten Verhältnis zur Täterpersönlichkeit stehen und Ausfluss eines gleichermaßen wirksam werdenden Hanges sein; dies lässt sich den Feststellungen hier aber nicht entnehmen. Zur Begründung des Hangs im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB stellt die Strafkammer allein auf die gegen die sexuelle Selbstbestimmung gerichtete Tat vom 30. November 2000 und auf die hier abgeurteilte ab, indem sie ausführt, dass es dem Angeklagten an Empathie mangele und er dazu neige, unterlegene andere zugunsten des eigenen Selbstwertgefühls auszubeuten und "eingenommen vom Gefühl eigener Grandiosität" ihnen gegenüber Macht auszuüben und erhebliche Straftaten zu begehen, welche die betroffenen Opfer seelisch oder körperlich stark schädigen. Dafür, dass dies auch für die vom Landgericht Cottbus abgeurteilten Betäubungsmitteldelikte gilt, ist nichts ersichtlich. Angesichts der Verschiedenartigkeit von Sexualdelikten einerseits und Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz andererseits versteht sich das hier auch nicht etwa von selbst.

Die ausgesprochene Maßregel kann daher nicht bestehen bleiben, wenngleich die Anordnung der Sicherungsverwahrung sowohl auf § 66 Abs. 2 StGB wie auch auf § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB , deren formelle Voraussetzungen ebenfalls vorliegen, hätte gestützt werden können. Die Strafkammer hat bei ihrer Entscheidung ausdrücklich auf § 66 Abs. 1 StGB abgestellt und die Möglichkeit der Anordnung nach § 66 Abs. 2 oder Abs. 3 Satz 2 StGB indes nicht erwähnt. Die Unterbringung nach diesen Vorschriften liegt aber im Unterschied zu der Unterbringung gemäß § 66 Abs. 1 StGB im Ermessen des Tatrichters; die Urteilsgründe müssten erkennen lassen, dass und aus welchen Gründen der Tatrichter von seiner Entscheidungsbefugnis in bestimmter Weise Gebrauch gemacht hat (BGH NStZ-RR 2004, 12 ; BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 5 m.w.N.).

Vorinstanz: LG Berlin, vom 17.11.2006
Fundstellen
NStZ-RR 2008, 107
StV 2007, 633