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BGH - Entscheidung vom 25.09.2007

X ZR 52/05

Normen:
JVEG § 7

BGH, Beschluß vom 25.09.2007 - Aktenzeichen X ZR 52/05

DRsp Nr. 2007/21515

Angemessenheit der Honorarforderung eines Sachverständigen im Patentnichtigkeitsverfahren

Von einem Sachverständigen im Patentnichtigkeitsverfahren wird zwar eine eingehende Auseinandersetzung mit der geschützten Erfindung und dem Stand der Technik erwartet, nachdem er sich mit der Aufbereitung des Streitstoffs in den Gerichtsakten vertraut gemacht und in die Entgegenhaltungen in ihrer zumeist typisch patentrechtlichen Diktion eingearbeitet hat. Dem unter Beachtung dieser Umstände anrechenbaren zeitlichen Aufwand ist aber dadurch eine Obergrenze gesetzt, dass ein gerichtlicher Sachverständiger, zumal ein Hochschullehrer, fachliche Kompetenz gerade für das Gebiet besitzt und besitzen muss, auf das sich die Begutachtung bezieht. Zwischen Fachkunde und zeitlichem Begutachtungsaufwand muss eine gewisse plausible Proportionalität gewahrt bleiben. Vor diesem Hintergrund ist ein zeitlicher Aufwand von 11 Arbeitstagen für die Durcharbeit der Akten, Literatur und Patentschriften und von 18 Arbeitstagen für Prüfung und Bewertung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit sowie der Neben- und Unteransprüche nicht mehr angemessen. Dies gilt umso mehr, wenn das Gutachten mit insgesamt 16 Seiten äußerst knapp gehalten ist und sich bei seiner Beantwortung der im Beweisbeschluss enthaltenen Fragen im Wesentlichen auf Kurzstellungnahmen beschränkt.

Normenkette:

JVEG § 7 ;

Gründe:

I. Der gerichtliche Sachverständige hat sein mit Schreiben vom 27. Februar 2006 in Auftrag gegebenes schriftliches Gutachten zunächst pauschal mit 18.445,00 EUR einschließlich Umsatzsteuer abgerechnet. Nachdem die Beklagte dem Vergütungsvorschlag widersprochen hat, hat er, auf Aufforderung des Senats, eine aufgeschlüsselte Rechnung für 250 Stunden zu einem Stundensatz von 65,00 EUR über 19.337,50 EUR einschließlich Umsatzsteuer gestellt. Im Einzelnen hat er angesetzt:

Durcharbeit der Akten, Literatur und Patentschriften 88 h

Prüfen und Bewerten der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit 96 h

Prüfen und Bewerten der Neben- und Unteransprüche 48 h

Fertigstellung des Gutachtens 18 h.

II. Die vom gerichtlichen Sachverständigen verlangte Vergütung kann nur teilweise festgesetzt werden; sein weitergehender Antrag ist zurückzuweisen.

1. Für die Vergütung des gerichtlichen Sachverständigen ist das Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG; BGBl. 2004 I S. 718, 776) maßgeblich.

2. Angesichts des Umfangs des Gutachtenauftrags und unter Berücksichtigung aller Umstände vermag der Senat die Notwendigkeit von mehr als 150 Stunden Arbeitszeit nicht anzuerkennen.

a) Die Arbeitsweise des gerichtlichen Sachverständigen bleibt zwar grundsätzlich diesem selbst überlassen. Dabei ist davon auszugehen, dass von ihm eine eingehende Auseinandersetzung mit der geschützten Erfindung und dem Stand der Technik erwartet wird, nachdem er sich mit der Aufbereitung des Streitstoffs in den Gerichtsakten vertraut und in die Entgegenhaltungen in ihrer zumeist typisch patentrechtlichen Diktion eingearbeitet hat.

Dem unter Beachtung dieser Umstände anrechenbaren zeitlichen Aufwand ist aber dadurch eine Obergrenze gesetzt, dass ein gerichtlicher Sachverständiger, zumal ein Hochschullehrer, fachliche Kompetenz gerade für das Gebiet besitzt und besitzen muss, auf das sich die Begutachtung bezieht. Zwischen Fachkunde und zeitlichem Begutachtungsaufwand muss eine gewisse plausible Proportionalität gewahrt bleiben.

b) Die Begutachtung bezieht sich auf ein raumlufttechnisches Gerät, in dem sich der gerichtliche Sachverständige mit 13 Entgegenhaltungen und sechs Patentansprüchen auseinanderzusetzen hatte. Dabei umfasst die Streitpatentschrift in der üblichen Formatierung europäischer Patentschriften mit zweispaltig bedruckten Seiten für Beschreibung und sechs Patentansprüche sechs Spalten sowie zehn Figuren. Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils des Bundespatentgerichts belaufen sich auf etwas mehr als 13 Seiten. Veröffentlichung 1 (V 1) in der Zusammenstellung der Entgegenhaltungen im Beweisbeschluss ist ein im Wesentlichen zwölfseitiger Prospekt für Klimaschränke; V 2 ein siebenseitiger Auszug aus dem Fachbuch "Klimatechnik für Heizungsbauer" aus der Schriftenreihe "Der Heizungsingenieur" und V 3 ein eine Seite umfassender Beitrag "Gepumpte Wärme" aus "Klipp und klar 100 X Technik im Alltag" mit einer zusätzlichen Seite mit Abbildungen. Die deutsche Offenlegungsschrift 30 27 447 (V 4) betrifft eine Vorrichtung zur Be- und Entlüftung und umfasst eine neunseitige Beschreibung, neun auf zwei Seiten formulierte Patentansprüche sowie zwei Figuren. V 5 ist ein sechsseitiger Fachzeitschriftenbeitrag mit mehreren Abbildungen. Die einen Klimaschrank betreffende deutsche Offenlegungsschrift 34 05 584 umfasst, in großzügiger Formatierung, eine zehnseitige Beschreibung mit 24 auf fünf Seiten niedergelegten Patentansprüchen sowie zwei Figuren. Die deutsche Auslegeschrift 26 27 734 betrifft ein Lüftungs- und Klimagerät mit Wärmepumpe; die fünf Patentansprüche und die Beschreibung sind auf viereinhalb Spalten niedergelegt; dazu kommen drei Figuren. Die französische Patentanmeldung 24 02 163 betreffend Apparate zur Klimatisierung eines Wohn- oder Industrieraumes umfasst in deutscher Übersetzung eine siebenseitige Beschreibung sowie auf eineinhalb Seiten formulierte Patentansprüche und neun Figuren. Die deutsche Offenlegungsschrift 33 15 444 bezieht sich auf eine Vorrichtung zum Belüften und Heizen von Räumen und enthält auf gut einer Seite die Patentansprüche, eine siebenseitige Beschreibung und vier Figuren. Die deutsche Auslegeschrift 23 58 884 (V 10) betrifft eine Anlage zur Klimatisierung der Luft und umfasst einen Patentanspruch und eine Beschreibung auf insgesamt sechs Spalten sowie drei Figuren. Die französische Offenlegungsschrift 2 196 452 (V 11) betrifft ein Lüftungsgerät insbesondere für Schwimmhallen und besteht in deutscher Übersetzung aus einer dreiseitigen Beschreibung, drei auf einer halben Seite formulierten Patentansprüchen sowie drei Figuren. Die US-Patentschrift betreffend ein Energie-Wiedergewinnungssystem vom Umlauf-Typ enthält eine 22-seitige Beschreibung, elf Patentansprüche und zehn Figuren. Die Übersetzung des Beitrags V 13 schließlich umfasst einen rund zehnseitigen Text, drei Tabellen und einige Zeichnungen.

c) Auch unter zusätzlicher Berücksichtigung des Umfangs der Prozessakten ist der für die Durcharbeit der Akten, Literatur und Patentschriften angesetzte Aufwand von 88 Stunden, mithin - gemessen an einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden - von elf vollen Werktagen, nicht mehr plausibel. Das Gleiche gilt für die insgesamt 144 Stunden für Prüfen und Bewerten der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit sowie der Neben- und Unteransprüche, zumal eine Prüfung und Bewertung der erfinderischen Tätigkeit im Wesentlichen entfallen ist, weil der Sachverständige das Streitpatent dem Stand der Technik zugeordnet hat. Das Gutachten selbst ist mit insgesamt 16 Seiten äußerst knapp gehalten und beschränkt sich bei seiner Beantwortung der im Beweisbeschluss enthaltenen Fragen im Wesentlichen auf Kurzstellungnahmen. Mit den Entgegenhaltungen beschäftigt es sich ausschließlich im Rahmen einer Merkmalstabelle. Die Frage etwa danach, worin sich die Lehre nach dem Streitpatent von dem Inhalt der einzelnen Veröffentlichungen unterscheidet, wird mit dem Verweis auf die Merkmalstabelle beantwortet.

3. Der vom Sachverständigen angesetzte Stundensatz ergibt sich aus der für Heizungs-, Klima- und Lüftungstechnik vorgesehenen Honorargruppe des JVEG und ist deshalb nicht zu beanstanden.

4. Damit ergibt sich für den gerichtlichen Sachverständigen zunächst eine gesetzliche Vergütung von 150 Stunden zu je 65,00 EUR, d.h. von 9.750,00 EUR.

Weiter zu vergüten sind Schreibaufwendungen, und zwar 0,75 EUR je angefangene 1.000 Anschläge (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 JVEG). Der Senat schätzt die Zahl der Anschläge pro Seite des Gutachtens durchschnittlich auf 2.000, was einem Betrag von 24,00 EUR entspricht. Weiter hinzuzusetzen sind gemäß § 7 Abs. 2 JVEG die Auslagen für zehn Mehrexemplare à 16 Seiten, insgesamt also 160 Seiten, wovon dem Sachverständigen für die ersten 50 Seiten je 0,50 EUR und für die weiteren Seiten je 0,15 EUR zustehen, mithin insgesamt 41,50 EUR zustehen, insgesamt also:

150 Stunden je 65,00 EUR 9.750,00 EUR

Schreibauslagen 24,00 EUR

Mehrexemplare 41,50 EUR

Summe 9.815,50 EUR

Umsatzsteuer 1.864,95 EUR

insgesamt 11.680,45 EUR

Vorinstanz: BPatG, vom 16.11.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 1 Ni 15/03 (EU)