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BVerfG - Entscheidung vom 20.12.2006

1 BvR 271/05

Normen:
StGB § 284
BVerfGG § 32
GG Art. 12 Abs. 1

BVerfG, Beschluss vom 20.12.2006 - Aktenzeichen 1 BvR 271/05

DRsp Nr. 2007/277

Einstweiliger Rechtsschutz gegen die Untersagung der Vermittlung von Sportwetten

Die Ausgestaltung des staatlichen Sportwettmonopols ist mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar. Im einstweiligen Rechtsschutz ist der Betroffene hierdurch jedoch nicht beschwert, solange ergangene Untersagungsverfügungen nicht vollstreckt werden.

Normenkette:

StGB § 284 ; BVerfGG § 32 ; GG Art. 12 Abs. 1 ;

Gründe:

I. 1. Die Verfassungsbeschwerde betrifft die sofortige Vollziehbarkeit einer von der Stadt Hof im Juli 2003 erlassenen Verfügung, durch die dem Beschwerdeführer der Betrieb einer Wettannahmestelle untersagt wird, in der er für die O. GmbH Sportwetten mit festen Gewinnquoten vermittelt, die von der S. GmbH in G. angeboten werden.

Das Verwaltungsgericht lehnte den gegen die - unter Ziffer 3 des betreffenden Bescheids der Stadt angeordnete - sofortige Vollziehung gestellten Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Hauptsacherechtsbehelfs ab. Die Untersagungsverfügung stelle sich als voraussichtlich rechtmäßig dar. Die Geschäftstätigkeit des Beschwerdeführers verstoße nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 28. März 2001 - BVerwG 6 C 2.01 -) gegen § 284 StGB , der das unerlaubte Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten unter Strafe verbiete. Sie sei einer gewerblichen Ausübung daher nicht zugänglich. Auf die gewerberechtliche Erlaubnis, die der S. GmbH in G. im Jahre 1990 vom Magistrat der Stadt G. nach dem Gewerbegesetz der Deutschen Demokratischen Republik (künftig: DDR-Gewerbegesetz) vom 6. März 1990 (GBl I S. 138) in Verbindung mit der Durchführungsverordnung zum Gewerbegesetz vom 8. März 1990 (GBl I S. 140) erteilt worden sei, könne sich der Beschwerdeführer nicht berufen, da diese in Bayern nicht gelte. Das Verbot der Vermittlung und Veranstaltung gewerblicher Sportwetten sei mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Insbesondere stehe der Zumutbarkeit des Verbots gewerblicher Sportwetten nicht der Umstand entgegen, dass der Staat selbst Sportwetten anbiete.

Der Verwaltungsgerichtshof wies die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Beschwerde mit im Wesentlichen identischer Begründung zurück. Das besondere öffentliche Vollzugsinteresse ergebe sich schon aus dem Umstand, dass die Untersagungsverfügung der Unterbindung strafbaren Verhaltens diene. Zur Vereinbarkeit des § 284 StGB mit Verfassungsrecht verweist der Verwaltungsgerichtshof auf sein Urteil vom 29. September 2004 - 24 BV 03.3162 - (vgl. GewArch 2005, S. 78 ff.).

2. Mit seiner mit Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 19 Abs. 4, Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 sowie seiner grundrechtsgleichen Rechte aus Art. 103 Abs. 2 und Art. 103 Abs. 1 GG . Er ist insbesondere der Auffassung, dass die angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Beschlüsse seinen grundrechtlichen Anspruch auf Gewährung effektiven Eilrechtsschutzes in unzumutbarer Weise zurückstellen. Dadurch werde er unwiederbringlich in seiner Gewerbe- und wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit beschränkt, obwohl an der Strafbarkeit der Vermittlung der als erlaubt anzusehenden Wetten der S. GmbH in G. erhebliche Zweifel bestünden. Dem trügen die angegriffenen Entscheidungen nicht ausreichend Rechnung.

3. Zum Verfahren hat das Bayerische Staatsministerium des Innern Stellung genommen. Die Stadt Hof hat von einer Stellungnahme abgesehen.

II. Gründe für die Annahme der Verfassungsbeschwerde im Sinne von § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.

1. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne von § 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG zu. Sie wirft keine verfassungsrechtlichen Fragen auf, die sich nicht ohne weiteres aus dem Grundgesetz beantworten lassen oder die noch nicht durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geklärt sind (vgl. BVerfGE 90, 22 [24 f.]).

Dies gilt neben der Frage, welche Anforderungen die Verfassung an die Gewährung effektiven verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes stellt, auch soweit mit der Verfassungsbeschwerde eine Verletzung der Berufsfreiheit des Beschwerdeführers gerügt wird. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - (vgl. NJW 2006, S. 1261 ff.) grundsätzlich geklärt, welche Anforderungen das Grundrecht der Berufsfreiheit an die Errichtung eines staatlichen Sportwettmonopols stellt und inwieweit die damit einhergehenden Beschränkungen gerechtfertigt sein können. Danach ist die bisherige Ausgestaltung des staatlichen Sportwettmonopols in Bayern mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar.

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung von in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechten des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG ).

a) Zwar verkennen die angegriffenen Entscheidungen bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung die verfassungsrechtlichen Anforderungen, die das Grundrecht der Berufsfreiheit an einen verfassungsrechtlich gerechtfertigten Ausschluss der Veranstaltung und Vermittlung gewerblicher Sportwetten durch ein staatliches Sportwettmonopol stellt (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 -, NJW 2006, S. 1264 ff.). Dem Beschwerdeführer ist aber aus der sofortigen Vollziehbarkeit bisher kein gewichtiger Nachteil entstanden, da die Behörde im Hinblick auf das vorliegende Verfahren von Vollstreckungsmaßnahmen abgesehen hat.

Soweit die Behörde unter Berufung auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 das Verbot gewerblicher Sportwettangebote und die sofortige Vollziehung der gegenüber dem Beschwerdeführer ergangenen Untersagungsverfügung aufrecht erhält, steht dem Beschwerdeführer zur Kontrolle der Einhaltung der dies rechtfertigenden verfassungsgerichtlichen Vorgaben zunächst das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten nach § 80 Abs. 7 VwGO offen (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 4. Juli 2006 - 1 BvR 138/05 -, juris).

b) Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grund- und grundrechtsgleichen Rechte unter dem Gesichtspunkt rügt, die angegriffenen Entscheidungen würden verkennen, dass die von ihm vermittelten Sportwetten aufgrund der Erlaubnis, die der S. GmbH in G. nach dem DDR-Gewerbegesetz erteilt wurde, erlaubt seien, ist die Verfassungsbeschwerde subsidiär und hat daher keine Aussicht auf Erfolg. Dem Beschwerdeführer ist es zumutbar, eine fachgerichtliche Klärung der rechtlichen Wirkungen dieser Erlaubnis im Hauptsacheverfahren abzuwarten. Die insoweit aufgeworfenen Fragen sind, auch hinsichtlich etwaiger Grundrechtsverletzungen, die aus der Versagung der Anerkennung einer Legalisierungswirkung der nach dem DDR-Gewerbegesetz erteilten Erlaubnis für den Freistaat Bayern herrühren könnten, vorrangig im Rahmen der von dem Beschwerdeführer erhobenen Anfechtungsklage zu entscheiden (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 18. Dezember 2006 - 1 BvR 874/05 -).

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

III. Da die Kammer die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung annimmt, wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (vgl. § 40 Abs. 3 GOBVerfG).

Die Anordnung der Auslagenerstattung erfolgt aufgrund § 34 a Abs. 3 BVerfGG . Sie entspricht vorliegend der Billigkeit, da die angegriffenen Entscheidungen bei ihrem Erlass, wie unter II. 2. a) ausgeführt, mit dem Grundgesetz unvereinbar waren.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG ).

Vorinstanz: VGH Bayern, vom 05.01.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 24 CS 04.2454
Vorinstanz: VG Bayreuth, vom 09.08.2004 - Vorinstanzaktenzeichen B 1 S 03.939