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BGH - Entscheidung vom 18.10.2006

XII ZB 244/04

Normen:
ZPO § 42 § 46 Abs. 2 § 567 Abs. 1 Nr. 1 § 97 Abs. 1

Fundstellen:
BGHReport 2007, 225
FamRZ 2007, 274
FuR 2007, 127
MDR 2007, 288
NJ 2007, 223
NJW-RR 2007, 411

BGH, Beschluß vom 18.10.2006 - Aktenzeichen XII ZB 244/04

DRsp Nr. 2007/10

Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs

»Weist ein abgelehnter Richter das gegen ihn gerichtete Ablehnungsgesuch zurück und entscheidet sodann in der Hauptsache, so entfällt für eine sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs regelmäßig das Rechtsschutzinteresse, wenn eine Berufung in der Hauptsache statthaft ist, da in deren Rahmen auf entsprechende Rüge auch über die Ablehnung zu entscheiden ist. Der Beschwerdeführer muss dann die sofortige Beschwerde für erledigt erklären, um der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zu entgehen.«

Normenkette:

ZPO § 42 § 46 Abs. 2 § 567 Abs. 1 Nr. 1 § 97 Abs. 1 ;

Gründe:

I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte aus einem gewerblichen Mietverhältnis Zahlungsansprüche in Höhe von rund 170.000 EUR geltend.

Das Landgericht hat nach Eingang der Klage und Durchführung des schriftlichen Vorverfahrens Haupttermin auf den 1. Oktober 2004 bestimmt. Wegen Verhinderung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten hat das Landgericht den Termin auf Antrag der Beklagten auf den 21. September 2004 verlegt. Daraufhin hat die Beklagte erneut wegen Verhinderung ihres Prozessbevollmächtigten die Verlegung dieses Termins beantragt und eine Terminierung auf den 24. September 2004 angeregt. Nachdem eine telefonische Anfrage des Gerichts bei dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin ergeben hatte, dass diese an dem von der Beklagten vorgeschlagenen Ausweichtermin verhindert seien, hat das Landgericht den Verlegungsantrag der Beklagten mit Schreiben vom 3. September 2004 zurückgewiesen. Im Hinblick darauf hat die Beklagte am 14. September 2004 den als Einzelrichter amtierenden Vorsitzenden Richter am Landgericht D. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Mit Beschluss vom 17. September 2004, der Beklagten am 20. September 2004 zugestellt, hat der abgelehnte Richter selbst das Ersuchen als rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat die Beklagte am 20. September 2004 sofortige Beschwerde eingelegt. In der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2004 unter Vorsitz des abgelehnten Richters als Einzelrichter hat das Landgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben.

Die Beklagte hat gegen dieses Urteil, das ihr am 29. September 2004 zugestellt worden ist, Berufung zum Kammergericht eingelegt. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde der Beklagten gegen die Zurückweisung des Ablehnungsgesuches nicht abgeholfen, sondern sie dem Kammergericht vorgelegt. Der dort zuständige Einzelrichter hat mit Beschluss vom 12. Oktober 2004 das Verfahren auf das Kollegium übertragen. Dieses hat mit Beschluss vom 5. November 2004 die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Beklagten sei unzulässig. Ihr fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Zwar werde die Frage in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet, ob das Rechtsschutzbedürfnis entfalle, wenn, wie hier, die Instanz unter Mitwirkung des abgelehnten Richters vollständig abgeschlossen sei. Zutreffend sei jedoch eine vermittelnde Meinung, wonach das Rechtsschutzinteresse für die Beschwerde gegen die Befangenheitsentscheidung jedenfalls dann entfalle, wenn gegen die Sachentscheidung ebenfalls ein Rechtsmittel statthaft sei. Die Rechtsbeschwerde hat es zugelassen. Mit ihr sucht die Beklagte die Ablehnung des Richters zu erreichen.

II. Die Rechtsbeschwerde der Beklagten ist unbegründet.

Das Kammergericht hat die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts vom 17. September 2004, mit dem der abgelehnte Richter das Ablehnungsgesuch als rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen hat, zu Recht, wie sich aus den Gründen der Entscheidung ergibt, als unzulässig verworfen. Denn der nach § 46 Abs. 2 , § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an sich statthaften sofortigen Beschwerde der Beklagten fehlt das Rechtsschutzbedürfnis.

Allerdings ist es in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und in der Literatur streitig, ob das Rechtsschutzbedürfnis einer sofortigen Beschwerde gegen den zurückweisenden Ablehnungsbeschluss tatsächlich wegfällt, wenn, wie hier, die Instanz unter Mitwirkung des abgelehnten Richters vollständig abgeschlossen ist (vgl. zum Streitstand Günther MDR 1989, 691 ff.).

Nach einer Auffassung besteht das Rechtsschutzbedürfnis einer sofortigen Beschwerde gegen die Ablehnungsentscheidung grundsätzlich fort, auch wenn die Entscheidung in der Hauptsache unanfechtbar ist (Schellhammer Zivilprozess 10. Aufl. Rdn. 1336). Gegen diese könne nämlich dann Nichtigkeitsklage nach § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO erhoben werden (KG MDR 1988, 237 ; OLG Koblenz NJW-RR 1992, 1464 ; Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 27. Aufl. § 46 Rdn. 8). Zum Teil wird diese Auffassung dahin eingeschränkt, dass die sofortige Beschwerde nur zulässig sein soll, solange die Hauptsachenentscheidung noch anfechtbar ist (Stein/Jonas/Borg ZPO 22. Aufl. § 46 Rdn. 6; Rosenberg/Schwab/Gottwald Zivilprozessrecht 16. Aufl. § 24 Rdn. 23). Denn § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO sei wegen seines klaren Wortlauts nicht anzuwenden, wenn der Richter im Zeitpunkt des Erlasses der Hauptentscheidung noch nicht mit Erfolg abgelehnt worden sei. Nach der Gegenauffassung erlischt das Rechtsschutzinteresse stets mit Erlass einer die Instanz endgültig beendenden Entscheidung (OLG Frankfurt MDR 1985, 1032 ; Baumbach/Lauterbach/Hartmann ZPO 64. Aufl. § 46 Rdn. 14 f.; Feiber in MünchKomm/ZPO 2. Aufl. § 46 Rdn. 5; Zimmermann ZPO 6. Aufl. § 47 Rdn. 6). Nach einer weiteren Meinung entfällt das Rechtsschutzinteresse für die Beschwerde gegen die Ablehnung der Befangenheit dann, wenn gegen die Entscheidung in der Hauptsache - wie hier - ein Rechtsmittel statthaft ist. Der Ablehnungsgrund sei dann in der Berufungsinstanz als Verfahrensfehler geltend zu machen (Musielak/Heinrich ZPO 4. Aufl. § 46 Rdn. 7; Zöller/Vollkommer ZPO 25. Aufl. § 46 Rdn. 18 ff.)

Der Senat schließt sich wie das Beschwerdegericht der zuletzt genannten Ansicht an:

Ziel einer Richterablehnung ist es, den abgelehnten Richter an der (weiteren) Mitwirkung in dem Verfahren zu hindern. Dieses Ziel kann nicht mehr erreicht werden, wenn eine die Instanz abschließende Entscheidung unter Mitwirkung des abgelehnten Richters ergangen ist. Ist jedoch ein solches Ablehnungsgesuch begründet, ist es erforderlich, ein dennoch ergangenes Urteil im Hinblick auf den verfassungsrechtlich begründeten Anspruch der Prozessparteien auf ein neutrales, unbefangenes Gericht (vgl. BVerfGE 21, 139 , 145; 89, 28, 36) aufzuheben oder abzuändern. Dies kann bei einem landgerichtlichen Urteil grundsätzlich nur im Berufungsrechtszug geschehen. Die Prozessökonomie erfordert, die Prüfung, ob ein Ablehnungsgrund gegeben ist, im Berufungsrechtszug vorzunehmen. § 512 ZPO widerspricht dem entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht. Nach dieser Vorschrift kann das Berufungsgericht Zwischenentscheidungen nicht überprüfen, die, wie die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs, selbständig anfechtbar sind. Die Voraussetzungen der Vorschrift sind jedoch hier nicht erfüllt. Vielmehr ist die Zurückweisung des Ablehnungsgesuches wegen der instanzabschließenden Entscheidung des abgelehnten Richters mangels Rechtsschutzbedürfnis gerade nicht mehr selbständig anfechtbar. Aus dem von der Rechtsbeschwerde angeführten Beschluss des II. Zivilsenats vom 8. November 2004 - II ZB 24/03 - NJW-RR 2005,294 folgt nichts anderes. Nach jener Entscheidung schließt zwar § 557 Abs. 2 ZPO , der weitgehend § 512 ZPO entspricht, die Inzidentprüfung eines Ablehnungsgesuchs im Rahmen des Revisionsverfahrens gegen die Hauptsachenentscheidung des abgelehnten Richters aus. Doch lag in dem genannten Verfahren bereits eine rechtskräftige Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs durch das Berufungsgericht vor. Im vorliegenden Verfahren geht es hingegen darum, ob die nicht rechtskräftige Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs im Beschwerdeverfahren oder - aus Gründen der Prozessökonomie - im Berufungsverfahren gegen die Hauptsachenentscheidung des abgelehnten Richters zu überprüfen ist. Die Verweisung der Beklagten auf die Berufung führt auch nicht zu einer Verkürzung ihres Rechtsschutzes. Richtig ist zwar, wie die Rechtsbeschwerde geltend macht, dass für die Einlegung und Durchführung der Berufung strengere Vorschriften gelten als für die sofortige Beschwerde. Dies ist der Beklagten jedoch zuzumuten, da sie ohnehin, wenn sie die Entscheidung des abgelehnten Richters nicht hinnehmen will, in der Hauptsache ein Rechtsmittel einlegen muss.

Die Beklagte hätte daher bei Einlegung der Berufung die sofortige Beschwerde für erledigt erklären müssen (vgl. BGH Beschluss vom 11. Januar2001 - V ZB 40/99 - NJW-RR 2001, 1007 ), um einer Kostenentscheidung nach § 97 Abs. 1 ZPO zu entgehen und eine Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO zu erreichen.

Vorinstanz: KG, vom 05.11.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 15 W 105/04
Vorinstanz: LG Berlin, vom 17.09.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 32 O 296/04
Fundstellen
BGHReport 2007, 225
FamRZ 2007, 274
FuR 2007, 127
MDR 2007, 288
NJ 2007, 223
NJW-RR 2007, 411