Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 07.04.2006

V ZR 144/05

Normen:
BGB § 1004
AKG § 19 Abs. 2 Nr. 1 § 28 Abs. 1 S. 2 Nr. 1

Fundstellen:
BGHReport 2006, 1258
DVBl 2006, 1111
MDR 2006, 1102
NJW-RR 2006, 1496
VersR 2007, 112
WM 2006, 1862

BGH, Urteil vom 07.04.2006 - Aktenzeichen V ZR 144/05

DRsp Nr. 2006/16000

Voraussetzungen eines Anspruchs auf Beseitigung von Luftschutzstollen aus dem 2. Weltkrieg

»Ein Anspruch auf Beseitigung aus § 1004 BGB ist im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AKG mit dem Eintritt der Eigentumsstörung, und nicht erst dann entstanden, wenn diese zu einer unmittelbaren Gefahr für Leben oder Gesundheit geführt hat.«

Normenkette:

BGB § 1004 ; AKG § 19 Abs. 2 Nr. 1 § 28 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ;

Tatbestand:

Die klagende Stadt (fortan Klägerin) beantragt die Feststellung der Verpflichtung der beklagten Bundesrepublik Deutschland (fortan Beklagte), die von zehn näher bezeichneten Luftschutzstollen unter ihren Grundstücken derzeit und künftig ausgehenden Gefahren auf ihre Kosten zu beseitigen.

Diese Luftschutzstollen waren im Vorfeld der Gründung der Klägerin am 1. Januar 1942 von der Wohnungs-AG, einer Tochtergesellschaft der damaligen H.-Werke AG, unter zwischen den Parteien im Einzelnen streitigen Umständen bei der Errichtung der Wohnanlagen für die schnell wachsende Belegschaft der H.-Werke AG angelegt und nach Kriegsende verschlossen worden.

Im Jahr 1946 stellte die Klägerin erste Einbrüche und eine Einsturzgefährdung bei einem der hier zu beurteilenden und einem anderen Luftschutzstollen fest. Für zwei weitere Stollen meldete sie am 7. März 1994 bei der damals zuständigen Oberfinanzdirektion Hannover Ansprüche an, die von dieser mit Bescheid vom 18. September 1995 abgelehnt wurden. Nach einem weiteren Einbruch und weiteren Untersuchungen meldete die Klägerin am 2. November 2000 und am 29. Januar 2001 bei der Oberfinanzdirektion Magdeburg Ansprüche wegen der erwähnten zehn Luftschutzstollen an, die diese zurückwies.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts kann dahinstehen, ob die Anlegung der Stollen überhaupt durch das Reich veranlasst worden sei. Jedenfalls seien etwaige Ansprüche nach § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes (AKG - in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 653-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 16 des Gesetzes v. 12. August 2005, BGBl. I S. 2354) erloschen. Sie seien mit der Entwidmung der Luftschutzstollen entstanden. Diese sei mit dem Kriegsende und dem Fortfall der Funktion der Stollen als Luftschutzeinrichtung konkludent erfolgt, ohne dass es dazu noch eines ausdrücklichen Entwidmungsaktes bedurft habe. Dass eine unmittelbare Gefahr für Leben oder Gesundheit erst später eingetreten sei, ändere an dem Entstehen des Anspruchs nichts. § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG mache davon nur die Erfüllung etwaiger Ansprüche abhängig, modifiziere damit aber nicht die in § 1004 BGB bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen für ihr Entstehen. Der Ausschluss von Ansprüchen entspreche auch dem Zweck der Vorschrift, die die finanziellen Belastungen des Bundes habe begrenzen sollen.

II. Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung stand.

1. Im Ansatz zutreffend leitet das Berufungsgericht den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Beseitigung von Gefahren, die von den Luftschutzstollen ausgehen oder ausgehen werden, aus § 1004 BGB ab. Zutreffend ist auch, dass die Beklagte nach § 25 Abs. 1 AKG nach ständiger Rechtsprechung des Senats nur dann Schuldnerin eines etwaigen Anspruchs auf Beseitigung von Luftschutzstollen, die während des Krieges angelegt worden sind, oder der von solchen Luftschutzstollen ausgehenden Gefahren ist, wenn dargelegt und erforderlichenfalls auch bewiesen wird, dass die Anlegung der Luftschutzstollen auf Veranlassung des Reichs erfolgte (Urt. v. 29. Juni 1965, V ZR 261/62, WM 1965, 977, 978; Urt. v. 24. November 1972, V ZR 191/70, WM 1973, 846, 848). Ob das hier geschehen ist, bedarf aber keiner Entscheidung.

2. Etwa entstandene Ansprüche gegen die Beklagte sind jedenfalls erloschen.

a) Das ergibt sich allerdings, wie das Berufungsgericht auch nicht verkennt, nicht schon aus § 1 Abs. 1 AKG. Für Ansprüche auf Beseitigung einer Eigentumsstörung gälte zwar nicht die allgemeine Ausnahme nach § 19 Abs. 1 Satz 1 AKG, wonach Ansprüche aus dem Eigentum zu erfüllen sind. Einschlägig ist aber § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG, wonach solche Ansprüche zu erfüllen sind, wenn die Beseitigung der Störung zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leben oder Gesundheit erforderlich ist. Eine solche Gefahr ergibt sich für die hier zu beurteilenden Stollen jedenfalls aus Untersuchungen, die nach dem Inkrafttreten des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes durchgeführt worden sind. Deren Ergebnisse hat die Beklagte zwar bestritten. Das ist aber unerheblich, weil sie zugleich behauptet hat, die Einsturzgefahr sei seit 1946 bekannt gewesen.

b) Etwaige Ansprüche der Klägerin sind indessen erloschen, weil die Klägerin sie nicht rechtzeitig angemeldet hat.

aa) Nach § 26 AKG können Leistungen aufgrund der unter anderem nach § 19 Abs. 2 AKG zu erfüllenden Ansprüche nur verlangt werden, wenn sie innerhalb der Frist des § 28 AKG angemeldet werden. Sie beträgt nach § 28 Abs. 1 Satz 1 AKG ein Jahr und beginnt grundsätzlich mit dem Inkrafttreten des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes am 1. Januar 1958. Entsteht der Anspruch nach diesem Zeitpunkt, beginnt die Frist nach § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AKG mit dem Entstehen des Anspruchs.

bb) Diese Frist hat die Klägerin versäumt.

(1) Wann ein Anspruch im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AKG entstanden ist, wird in dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz nicht ausdrücklich bestimmt und lässt sich auch den Materialien nicht entnehmen. Dort wird nur ausgeführt, dass zwar nicht alle, wohl aber die in § 28 Abs. 1 Satz 1 AKG bezeichneten Ansprüche mit einer Ausschlussfrist versehen werden sollten (Drucksache zu der Beschlussempfehlung der Ausschüsse zum Entwurf des AKG in BT-Drucks II/3529 S. 8). Einigkeit besteht darüber, dass es nicht genügt, wenn der Anspruch schon dem Grunde nach angelegt war; vielmehr müssen auch die sonstigen Voraussetzungen wie der Eintritt einer Bedingung, der Fälligkeit oder eines Schadens eingetreten sein (Döll, AKG, § 28 Anm. 4; Féaux de la Croix/Beyss/Tröger/Fischer/Schindelwick, AKG, § 28 Anm. B 2). Deshalb können Ansprüche grundsätzlich auch jetzt noch im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AKG entstehen, etwa Schadensersatzansprüche bei gesundheitlichen Spätschäden (Wirth, in: Das Deutsche Bundesrecht, Gliederungsnummer VII G 10 , Erläuterung des AKG S. 61 zu § 28 ). Ob ein Anspruch aus § 1004 BGB in diesem Sinne schon entstanden ist, wenn seine Voraussetzungen nach bürgerlichem Recht vorliegen oder erst dann, wenn auch die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG eingetreten sind, wird in der Literatur nicht erörtert. Auch der Bundesgerichtshof hat sich mit dieser Frage bislang nicht befasst. In dem Urteil vom 19. Oktober 1978 (III ZR 4/77, NJW 1980, 283, 284) kam es auf die Frage nicht an, weil es schon an einer Gefahr im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG fehlte. Ähnlich lag es bei dem Urteil des Senats vom 24. November 1972 (V ZR 191/70, WM 1973, 846). In dem Urteil des Senats vom 8. Juni 1965 (V ZR 28/64, WM 1965, 851, 852) ging es um den hier nicht vorliegenden Sonderfall einer Dauerstörung durch die fortdauernde anderweitige Nutzung eines Bunkers durch die Beklagte.

(2) In der Literatur wird § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG teilweise eine nach wie vor erhebliche praktische Bedeutung gerade auch für Sicherungsmaßnahmen an ehemaligen Luftschutzstollen auf nichtbundeseigenen Grundstücken zugeschrieben (Wirth aaO., S. 57 zu § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG). Begründet wird diese Ansicht nicht näher. Sie setzt aber gedanklich entweder eine vom Gesetz abweichende Staatspraxis voraus oder dass ein Anspruch aus § 1004 BGB im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AKG erst entstanden ist, wenn auch die Voraussetzungen für seine Erfüllung nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG eingetreten sind. Demgegenüber ist das Berufungsgericht der Ansicht, dass es auf das Eintreten der Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG nicht ankomme, der Anspruch vielmehr auch im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 2 AKG entstanden sei, wenn seine Voraussetzungen nach § 1004 BGB vorlägen. Das wäre hier das Verschließen der Stollen nach Kriegsende, das nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei jedem der hier in Rede stehenden Stollen vor dem Inkrafttreten des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes am 1. Januar 1958 erfolgte.

(3) Die zuletzt genannte Ansicht teilt der Senat.

(a) Es spricht viel dafür, dass der historische Gesetzgeber des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes den Begriff des Anspruchs genauso verstanden hat wie das Bürgerliche Gesetzbuch. Der Anspruch aus § 1004 BGB unterliegt der regelmäßigen Verjährung (BGHZ 60, 235 , 238 f. [Senat]; 98, 235, 241 [Senat]; 125, 56, 63; Senatsurt. v. 8. Juni 1979, V ZR 46/78, LM Nr. 156 zu § 1004 BGB ; v. 22. Juni 1990, V ZR 3/89, NJW 1990, 2555 , 2556, insoweit in BGHZ 112, 1 , nicht abgedruckt; Urt. v. 12. Dezember 2003, V ZR 98/03, NJW 2004, 1035 , 1036), was bei Inkrafttreten des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes unstreitig war (Erman/Peters, BGB , 1. Aufl., § 1004 Anm. 10; Palandt/Hoche, BGB , 14. Aufl., § 1004 Anm. 8). Die damals anzuwendende Verjährungsfrist nach § 195 BGB a. F. begann nach § 198 BGB a. F. mit dem Entstehen des Anspruchs. Der Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch entsteht mit der Beeinträchtigung des fremden Grundstücks (Senat, BGHZ 60, 235 , 240; Urt. v. 12. Dezember 2003, V ZR 98/03, NJW 2004, 1035 , 1036; Wenzel, NJW 2005, 241, 242). Diese Beeinträchtigung hat der Senat bereits in der Anlegung von Luftschutzstollen auf dem fremden Grundstück als solcher gesehen, die mit dem Fortfall der durch den Luftschutzzweck bedingten Duldungspflicht abwehrfähig wird, der wiederum durch Entwidmung, etwa durch Verschließen der Stollen, eintritt (BGHZ 40, 18, 20; ebenso Féaux de la Croix/Beyss/Tröger/Fischer/Schindelwick, aaO., § 19 Anm. 2). Darauf, ob der Hohlraum einsturzgefährdet ist und eine unmittelbare Gefahr für Leben oder Gesundheit darstellt, kommt es nicht an. Das spätere Auftreten einer solchen Gefahr ist keine neue Störung, wie sie der Senat in der wiederholten Vornahme einer störenden Handlung (Senatsurt. v. 22. Juni 1990, V ZR 3/89, NJW 1990, 2555 , 2556) oder in der Aufrechterhaltung eines Zustands auf dem eigenen Grundstück gesehen hat, der sich zur Störung des Nachbargrundstücks entwickelt (Senat, BGHZ 60, 235 , 242; Urt. v. 14. November 2003, V ZR 102/03, NJW 2004, 1037 , 1038). Die Annahme einer neuen Störung setzt bei Luftschutzanlagen auf fremdem Grundstück eine fortdauernde Inanspruchnahme der Anlagen durch die Beklagte, etwa durch ihre Nutzung zur Vermietung, voraus (Senat, Urt. 8. Juni 1965, V ZR 28/64, WM 1965, 851, 852). Daran fehlt es hier, weil die Luftschutzstollen nach Kriegsende verschlossen und (von der Beklagten) nicht weiter genutzt worden sind. Ein fortdauerndes Untätigbleiben der Beklagten genügt für die Annahme einer neuen Störung nicht (vgl. BGH, Urt. 19. Oktober 1978, III ZR 4/77, NJW 1980, 283, 284; Döll, aaO. § 19 Anm. 4, S. 145).

(b) Die Voraussetzungen des Beseitigungsanspruchs aus § 1004 BGB werden mit § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG auch nicht modifiziert. Das Allgemeine Kriegsfolgengesetz bestimmt zwar, dass die nach seinem Zweiten Teil, insbesondere nach § 19 AKG, noch zu erfüllenden Ansprüche gegen das Reich nunmehr grundsätzlich vom Bund zu erfüllen sind, § 25 Abs. 1 AKG. Es ändert die Ansprüche aber sonst inhaltlich nicht. Es setzt sie vielmehr voraus und beschränkt sich auf die Festlegung, dass solche Ansprüche grundsätzlich erlöschen (§ 1 AKG) und nur in den unter anderem im Zweiten Teil des Gesetzes bestimmten Fällen erfüllt werden sollen. Auch § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG bestimmt nicht, dass der Anspruch auf Beseitigung einer Eigentumsstörung abweichend von § 1004 BGB von zusätzlichen, dort nicht bestimmten Voraussetzungen abhängen soll. Die Norm legt lediglich fest, dass solche Ansprüche aus dem Eigentum abweichend von § 19 Abs. 1 Satz 1 AKG grundsätzlich nicht erfüllt werden, sondern erlöschen sollen. Außerdem bestimmt sie unter anderem, dass dieses Erlöschen nicht eintreten soll, wenn die Erfüllung solcher Ansprüche zur Beseitigung einer unmittelbaren Gefahr für Leben oder Gesundheit erforderlich ist. Damit ändert das Allgemeine Kriegsfolgengesetz nicht etwa die Vorschrift des § 1004 BGB . Es legt vielmehr nur die Bedingungen fest, unter denen Ansprüche, die danach bestehen, ausnahmsweise erfüllt werden sollen (Senatsurt. v. 29. Juni 1965, V ZR 261/62, WM 1965, 977, 979). Für das Entstehen des Anspruchs, das in der Vorschrift vorausgesetzt wird, sind sie ohne Bedeutung.

(c) Auch der Umstand, dass die Erlöschenswirkung der §§ 1 Abs. 1, 19 Abs. 2 AKG nicht in jedem Fall mit dem Inkrafttreten des Gesetzes endgültig eingetreten ist, sondern nachträglich wieder entfallen konnte, wenn eine unmittelbare Gefahr für Leben oder Gesundheit innerhalb der Anmeldefrist des § 28 Abs. 1 AKG oder der sog. Nachsichtsfrist des § 28 Abs. 2 AKG eintrat, hilft der Klägerin nicht. Denn auch das betrifft nicht das Entstehen des Anspruchs, sondern nur allein seine Durchsetzung.

(d) Die von der Klägerin befürwortete Auslegung der Vorschrift steht demgegenüber im Widerspruch zum Zweck der Vorschrift. Die Regelung war in dem Entwurf des Gesetzes noch nicht vorgesehen, der sich auf den weitgehenden Ausschluss von Ansprüchen gegen das Reich und seine Untergliederungen beschränkte. Im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens hat der Gesetzgeber diese Ausschlussregelung verstärkt, indem zwar nicht für alle zu erfüllenden Ansprüche, wohl aber (unter anderen) für Beseitigungsansprüche aus § 1004 BGB (vgl. § 18 Abs. 1 Nr. 3 des Regierungsentwurfs in BT-Drucks. II/1659 S. 10 und die Beschlussempfehlung der Ausschüsse zum Entwurf des AKG in Drucksache zu BT-Drucks. II/3529 S. 9) eine Ausschlussfrist eingeführt wurde, innerhalb welcher diese Ansprüche geltend zu machen waren. Damit sollte erreicht werden, dass baldmöglichst Klarheit über den Umfang der Belastungen eintrat (Drucksache zu der Beschlussempfehlung der Ausschüsse zum Entwurf des AKG in BT-Drucks. II 3529 S. 10 [zu § 24a]). Könnten Ansprüche aus § 1004 BGB aus Handlungen des ehemaligen Deutschen Reichs auch nach dem 31. Dezember 1958 bzw. 1959 innerhalb eines Jahres nach dem Eintreten einer Gefahr für Leben oder Gesundheit geltend gemacht werden, könnten sie selbst nach dem Eintritt der - damals 30-jährigen - Anspruchsverjährung angemeldet werden. Das verfehlte den Zweck des Gesetzes.

(e) Bei dem hier zugrunde gelegten Verständnis der Vorschrift wird die Ausnahmeregelung in § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AKG auch nicht funktionslos. Sie war nicht für Ansprüche aus dem Eigentum, sondern vor allem für Sonderfälle wie Spätheimkehrer oder Flüchtlinge aus der damaligen sowjetischen Besatzungszone (Féaux de la Croix, NJW 1957, 1697 ff., 1743 ff., 1744) oder den späteren Beitritt von Staaten zum Londoner Schuldenübereinkommen (Pagenkopf, AKG, § 28 Anm. 1 a. E.) gedacht. Vor allem aber gilt die Ausschlussfrist nicht allein für Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche aus Eigentum, sondern etwa auch für Ansprüche aus Rechtsgeschäft oder auf Renten, die unter den Voraussetzungen der §§ 4 und 5 AKG zu erfüllen waren und zivilrechtlich später entstehen konnten. Dem sollte und konnte § 28 Abs. 1 Satz 2 AKG Rechnung tragen.

(f) Danach begann die Frist mit dem Verschließen der Stollen, spätestens mit dem 1. Januar 1958. Sie endete nach § 28 Abs. 1 Satz 1 AKG mit dem 31. Dezember 1958. Die Anmeldung der Ansprüche durch die Klägerin am 2. November 2000 und am 29. Januar 2001 war deshalb verspätet.

cc) Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 AKG kann dem Antragsteller allerdings gegen die Versäumung der Antragsfrist auf Antrag Nachsicht gewährt werden, wenn er unverschuldet an der rechtzeitigen Anmeldung gehindert war. Dieser Antrag könnte auch konkludent gestellt werden (BGH. Urt. v. 5. April 1965, III ZR 58/64, WM 1965, 583, 584 f.). Ob die Klägerin hier ohne ihr Verschulden an der rechtzeitigen Anmeldung gehindert war, ist angesichts der bereits 1946 aufgetretenen Zweifel an der Sicherheit der Schutzstollen fraglich, kann aber offen bleiben. Nachsicht kann gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 AKG nach Ablauf eines Jahres von dem Ende der versäumten Frist, hier also nach dem 31. Dezember 1959, nicht mehr gewährt werden.

3. Für die von ihr angedeutete abweichende Staatspraxis der Beklagten hat die Klägerin weder auf Vortrag noch auf Feststellungen des Berufungsgerichts verwiesen.

4. Ist der Anspruch aber erloschen, kann offen bleiben, ob die Beklagte, wie die Revisionserwiderung geltend macht, mit der Berufung auf die Ausschlussfrist zugleich auch die - in der Sache begründete - Einrede der Verjährung erhoben hat.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO .

Vorinstanz: OLG Braunschweig, vom 16.06.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 8 U 47/04
Vorinstanz: LG Braunschweig, vom 28.01.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 1 O 1139/02
Fundstellen
BGHReport 2006, 1258
DVBl 2006, 1111
MDR 2006, 1102
NJW-RR 2006, 1496
VersR 2007, 112
WM 2006, 1862