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BGH - Entscheidung vom 12.10.2006

IX ZB 191/05

Normen:
InsVV § 13 Abs. 1 S. 2

Fundstellen:
BGHReport 2006, 1550
DZWIR 2007, 120
JurBüro 2007, 154
MDR 2007, 425
NZI 2007, 55
Rpfleger 2007, 102
ZInsO 2006, 1159
ZVI 2006, 598

BGH, Beschluß vom 12.10.2006 - Aktenzeichen IX ZB 191/05

DRsp Nr. 2006/27225

Voraussetzungen der Herabsetzung de Vergütung des Treuhänders wegen vorzeitiger Beendigung des Insolvenzverfahrens

»Die Herabsetzung der Vergütung des Treuhänders wegen vorzeitiger Beendigung des vereinfachten Insolvenzverfahrens setzt nicht eine vergleichsweise kurze Verfahrensdauer voraus.«

Normenkette:

InsVV § 13 Abs. 1 S. 2 ;

Gründe:

I. Auf Antrag des Rechtsbeschwerdeführers wurde am 10. November 2003 über sein Vermögen das vereinfachte Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet und der weitere Beteiligte zum Treuhänder bestellt. Mit Schreiben vom 12. Januar 2004 und 27. April 2004 beantragte der Schuldner die Einstellung des Verfahrens nach § 212 InsO , da er Inhaber eines erbrechtlichen Pflichtteilsanspruchs in Höhe von mindestens 89.500 EUR geworden sei. Sein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Erhebung einer Stufenklage zur Durchsetzung des Pflichtteilsanspruchs wurde wegen fehlender Aktivlegitimation zurückgewiesen. In der Folge wurde die Klage im Namen des Treuhänders durch den Rechtsanwalt des Schuldners erhoben. Zugunsten des Treuhänders erging zunächst am 7. April 2004 ein Anerkenntnisurteil über 92.032,54 EUR. Das Verfahren endete mit einem Vergleich, wonach an den Treuhänder 115.000 EUR zu zahlen waren. Nachdem der Schuldner Befriedigungserklärungen aller Insolvenzgläubiger vorgelegt hatte, wurde das Insolvenzverfahren am 7. Oktober 2004 eingestellt.

Der Treuhänder beantragte, ausgehend von einer Insolvenzmasse in Höhe von 116.300 EUR, die Festsetzung einer Treuhändervergütung von 22.556,20 EUR (Vergütung 17.445 EUR, Auslagenpauschale 2.000 EUR, Umsatzsteuer 3.111,20 EUR).

Das Amtsgericht hat die Vergütung auf insgesamt 21.634,64 EUR festgesetzt (Vergütung 16.650,55 EUR, Auslagenpauschale 2.000 EUR, Umsatzsteuer 2.984,09 EUR). Es ist von einer Insolvenzmasse von 115.000 EUR ausgegangen, von dem es das Honorar von Rechtsanwalt R. in Höhe von 3.996,34 EUR abgezogen hat, so dass als Berechnungsgrundlage 111.003,66 EUR verblieben.

Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner seinen Antrag weiter, die Vergütung auf 500 EUR herabzusetzen.

II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO , §§ 6 , 7 , 64 Abs. 3 Satz 1 InsO ) und zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO , § 4 InsO ). Dem Beschwerdeführer war Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde zu gewähren, weil er rechtzeitig Prozesskostenhilfe und nach deren Gewährung Wiedereinsetzung beantragt hat, §§ 233 , 234 ZPO .

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Der Treuhänder erhält als Vergütung in der Regel 15 % der Insolvenzmasse, die sich nach § 1 InsVV berechnet, § 13 Abs. 1 Satz 1, § 10 InsVV (BGH, Beschl. v. 24. Mai 2005 - IX ZB 6/03, WM 2005, 1663 ). Da das Verfahren am 7. Oktober 2004 gemäß § 212 InsO wegen Wegfalls des Eröffnungsgrundes eingestellt wurde, berechnet sich die maßgebliche Insolvenzmasse nach dem Schätzwert der Masse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens, § 1 Abs. 1 Satz 2 InsVV .

1. Die Vordergerichte haben entgegen der Rechtsbeschwerde zutreffend gesehen, dass eine Berechnungsgrundlage von 111.003,66 EUR für die Berechnung der Treuhändervergütung zugrunde zu legen ist.

a) Der Pflichtteilsanspruch des Schuldners war mit Rechtshängigkeit pfändbar (§ 852 Abs. 1 ZPO ) und gehörte ab diesem Zeitpunkt zur Insolvenzmasse, §§ 35 , 36 Abs. 1 InsO (MünchKomm-InsO/Peters, § 36 Rn. 53; HK-InsO/Eickmann, 4. Aufl. § 36 Rn. 44). Da bereits der Anspruch zur Insolvenzmasse gehörte und voll werthaltig war, ist unerheblich, in welchem Umfang der Treuhänder in Besitz des ausgezahlten Geldes gelangt ist.

Sollte der ausgezahlte Betrag von 115.000 EUR hinsichtlich des 92.032,56 EUR übersteigenden Betrages aus anderen Gründen als dem Pflichtteil an den Treuhänder bezahlt worden sein, ist dies unerheblich, weil es sich jedenfalls um Vermögen handelt, das der Schuldner während des Insolvenzverfahrens erlangt hat, § 36 InsO .

b) In der Wohlverhaltensperiode hätte der Schuldner zwar nur die Hälfte des Pflichtteils an den Treuhänder herausgeben müssen, § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO . Das ändert indessen nichts daran, dass ein noch während des Insolvenzverfahrens geltend gemachter Pflichtteilsanspruch mit Rechtshängigkeit in vollem Umfang zur Masse gehört (FK-InsO/Ahrens, 4. Aufl. § 295 Rn. 36).

c) Im Insolvenzverfahren kann ein Vermögensgegenstand vom Insolvenzverwalter oder Treuhänder freigegeben werden (BGHZ 163, 32, 35).

Das Beschwerdegericht ist aber zutreffend davon ausgegangen, dass eine solche Freigabe nicht vorlag. Der Schuldner will sie daraus ableiten, dass der Treuhänder es abgelehnt habe, den vom Schuldner zunächst im eigenen Namen (als PKH-Antrag) begonnenen Prozess gegen den Erben aufzunehmen. Der Treuhänder bestreitet eine solche Ablehnung. Der Schuldner sei lediglich darauf hingewiesen worden, dass die Entscheidung, ob der Pflichtteil geltend gemacht werden soll, höchstpersönlich sei. Fest steht, dass der Treuhänder Rechtsanwalt R. Prozessvollmacht erteilt hat und der Anspruch sodann im Namen des Treuhänders eingeklagt wurde. Das Teilanerkenntnisurteil erging demgemäß zugunsten des Treuhänders. Dies wäre nicht zulässig gewesen, wenn der Treuhänder den Pflichtteilsanspruch freigegeben hätte. Von einer Freigabe kann deshalb nicht ausgegangen werden.

Daran ändert auch nichts der Umstand, dass sich der Treuhänder vor Vollmachterteilung zusichern ließ, dass Rechtsanwalt R. im Falle des Prozessverlustes keine Ansprüche an ihn oder die Masse stellen würde. Die Beteiligten erklären diese Vereinbarung unterschiedlich. Der Treuhänder meint, Rechtsanwalt R. habe den Prozess führen wollen, da er die Klage bereits fertig gehabt habe. Er habe den Rechtsstreit auch selbst führen können. Ihm hätten jedoch ausreichende Unterlagen gefehlt, weshalb er nicht bereit gewesen sei, Haftungsrisiken zu übernehmen. § 85 Abs. 2 InsO ist, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht anwendbar. Verbleibende Zweifel gehen im Hinblick auf die Art der Prozessführung zu Lasten des Schuldners.

2. Das Beschwerdegericht hat aber eine Herabsetzung der Vergütung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 InsVV mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt.

Das Beschwerdegericht hat zwar nicht verkannt, dass der Vergütungssatz von 15 % der Masse gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 InsVV herabgesetzt werden kann. Es hat aber gemeint, dies erfordere als weitere zwingende Voraussetzung, dass gleichzeitig eine zumindest vergleichsweise kurze Verfahrensdauer vorliege. Diese Voraussetzung hat es verneint. Dabei hat es einen von ihm angenommenen Streit in der Literatur unentschieden gelassen, wonach einerseits ausschließlich auf eine vergleichsweise kurze Verfahrensdauer abzustellen sei (unter Berufung auf MünchKomm-InsO/Nowak, § 13 InsVV Rn. 9) oder die Möglichkeit der Kürzung nur bei außergewöhnlich kurzer Verfahrensdauer und gleichzeitig außergewöhnlich einfachen Fällen möglich sei (unter Bezugnahme auf FK-InsO/Lorenz, 3. Aufl. § 13 InsVV Rn. 11).

Diese vom Wortlaut der Verordnung nicht vorgesehene zusätzliche Voraussetzung einer zumindest vergleichsweise kurzen Verfahrensdauer wird von der herrschenden Meinung nicht gefordert (vgl. Hess/Weis/Wienberg, InsO 2. Aufl. § 13 InsVV Rn. 4 ff.; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV 3. Aufl. § 13 Rn. 14). Sie ist nicht gerechtfertigt. Bei vorzeitiger Verfahrensbeendigung ist nach der Regelung des § 13 Abs. 1 Satz 2 InsVV eine Kürzung des Regelsatzes regelmäßig angezeigt - selbstverständlich unter Würdigung aller Umstände. Dabei ist zu berücksichtigen, welche Arbeiten dem Treuhänder infolge der vorzeitigen Verfahrensbeendigung erspart geblieben sind, und welchen Umfang diese Arbeiten im Verhältnis zu allen erforderlichen Arbeiten eingenommen hätten, wenn das Verfahren zu Ende geführt worden wäre (vgl. für den vergleichbaren Fall des § 3 Abs. 2 Buchst. c InsVV BGH, Beschl. v. 16. Dezember 2004 - IX ZB 301/03, ZIP 2005, 180 ; v. 11. Mai 2006 - IX ZB 249/04, ZIP 2006, 1204 , 1206, Rn. 25). Es obliegt dem Treuhänder darzulegen, aus welchen Gründen im Einzelfall entgegen der gesetzlichen Vermutung eine erhebliche Abweichung im Arbeitsaufwand gegenüber einem voll durchgeführten vereinfachten Insolvenzverfahren nicht vorgelegen hat (BGH, Beschl. v. 11. Mai 2006, aaO.).

Liegt eine außergewöhnlich kurze Verfahrensdauer oder ein außergewöhnlich einfacher Fall vor, sind dies vielmehr Gründe, die über den Regelfall der vorzeitigen Verfahrensbeendigung hinaus selbständig eine Herabsetzung der Vergütung rechtfertigen können. § 13 Abs. 1 Satz 2 InsVV nennt ausdrücklich nur ein Regelbeispiel für eine Kürzung. Liegt dieses Regelbeispiel nicht vor, ist im Einzelnen zu prüfen, ob eine Abweichung vom Regelsatz in Höhe von 15 % gleichwohl geboten ist. Für die Vergütung des Treuhänders ist zwar gemäß § 13 Abs. 2 InsVV § 3 InsVV nicht anwendbar. Der Regelsatz für die Vergütung des Treuhänders kann aber gleichwohl herabgesetzt oder erhöht werden, wenn erhebliche Abweichungen vom typischen Tätigkeitsumfang des Treuhänders vorliegen (BGH, Beschl. v. 24. Mai 2005 - IX ZB 6/03, WM 2005, 1663 , 1664 f.). Dies kann bei überdurchschnittlich umfangreicher Tätigkeit auch dazu führen, dass trotz vorzeitiger Verfahrensbeendigung ein Zurückbleiben hinter dem Regelsatz abzulehnen ist.

Vorinstanz: LG Landau, vom 23.06.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 3 T 233/04
Vorinstanz: AG Landau - 3 IK 127/03 - 20.7.2004,
Fundstellen
BGHReport 2006, 1550
DZWIR 2007, 120
JurBüro 2007, 154
MDR 2007, 425
NZI 2007, 55
Rpfleger 2007, 102
ZInsO 2006, 1159
ZVI 2006, 598