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BGH - Entscheidung vom 16.05.2006

4 StR 110/05

Normen:
StPO § 33a § 356a

BGH, Beschluß vom 16.05.2006 - Aktenzeichen 4 StR 110/05

DRsp Nr. 2006/19390

Verhältnis zwischen § 33a und § 356a StPO ; Frist für die Glaubhaftmachung nach § 356a S. 3 StPO

1. Gegen Revisionsentscheidungen ist als speziellere Regelung gegenüber § 33 a StPO nur der Rechtsbehelf der Anhörungsrüge nach § 356 a StPO statthaft.2. Die Wochenfrist des § 356 a StPO beginnt mit Kenntniserlangung von den tatsächlichen Umständen, aus denen sich die behauptete Gehörsverletzung ergeben kann. 3. Weil das Revisionsgericht den Zeitpunkt, zu dem der Beteiligte Kenntnis von diesen tatsächlichen Umständen erlangt hat, nicht zuverlässig selbst feststellen kann und dieser häufig von Umständen aus der Sphäre des Betroffenen abhängt, muss er den Zeitpunkt der Kenntniserlangung gemäß § 356 a Satz 3 StPO glaubhaft machen, wobei der Zeitpunkt der Kenntniserlangung binnen der Wochenfrist für die Stellung des Antrages nach § 356 a StPO mitzuteilen ist.

Normenkette:

StPO § 33a § 356a ;

Gründe:

Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 21. März 2006 gemäß §§ 154 Abs. 2 , 206 a StPO hinsichtlich des Vorwurfs der Bedrohung und der Unterschlagung eingestellt. Er hat den Antrag der Verurteilten, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung einer weiteren Verfahrensrüge zu gewähren, als unzulässig verworfen und das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 12. Juli 2004 auf die Revision der Verurteilten dahin geändert, dass sie wegen Untreue in vier Fällen sowie wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und einem Monat verurteilt wird. Die weiter gehende Revision hat der Senat verworfen. Gegen diesen Beschluss hat die Verurteilte mit Schriftsatz ihres Verteidigers Dr. L. vom 12. April 2006, beim Bundesgerichtshof eingegangen am 15. April 2006, "im Wege der Nachholung rechtlichen Gehörs (§ 33 a StPO )" Gegenvorstellung erhoben und beantragt, den Beschluss des Senats und auf die Revision der Verurteilten das Urteil des Landgerichts Cottbus aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen. Der Rechtsbehelf hat keinen Erfolg.

1. Die Gegenvorstellung ist unzulässig. Die an keine Frist gebundene Anhörungsrüge nach § 33 a StPO ist schon ihrem Wortlaut nach als Rechtsbehelf gegen Revisionsentscheidungen nicht statthaft, denn diese Vorschrift gilt nur subsidiär, d.h. nur dann, wenn gegen den Beschluss keine Beschwerde und kein anderer Rechtsbehelf statthaft ist. Gegen Revisionsentscheidungen ist als speziellere Regelung nur der Rechtsbehelf der Anhörungsrüge nach dem am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen § 356 a StPO statthaft (vgl. BTDrucks. 15/3706, S. 18; Meyer-Goßner StPO 48. Aufl. § 33 a Rdn. 1), deren Zulässigkeit vom Gesetzgeber im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens entsprechend der Regelung für Wiedereinsetzungsanträge befristet worden ist (vgl. BTDrucks. aaO.).

Die Verurteilte hat den Rechtsbehelf jedoch nicht innerhalb einer Woche nach Kenntnis von der behaupteten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör angebracht. Diese Frist beginnt gemäß § 356 a Satz 2 StPO mit Kenntniserlangung von den tatsächlichen Umständen, aus denen sich die behauptete Gehörsverletzung ergeben kann. Weil das Revisionsgericht den Zeitpunkt, zu dem der Beteiligte Kenntnis von diesen tatsächlichen Umständen erlangt hat, nicht zuverlässig selbst feststellen kann und dieser häufig von Umständen aus der Sphäre des Betroffenen abhängt, muss er den Zeitpunkt der Kenntniserlangung gemäß § 356 a Satz 3 StPO glaubhaft machen (vgl. BTDrucks. aaO.), wobei der Zeitpunkt der Kenntniserlangung binnen der Wochenfrist für die Stellung des Antrages nach § 356 a StPO mitzuteilen ist (vgl. BGH NStZ 2005, 462). Das ist jedoch nicht geschehen.

Es liegt auch kein Ausnahmefall derart vor, dass der Senat den Akten die Rechtzeitigkeit der Anhörungsrüge entnehmen kann. Da die Verurteilte geltend macht, für sie sei aus dem Senatsbeschluss vom 21. März 2006 nicht ersichtlich, "ob" sich der Senat mit den mit Schriftsatz ihres Verteidigers Rechtsanwalt P. vom 7. März 2006 erhobenen Bedenken auseinandergesetzt habe, hängt die Rechtzeitigkeit der Antragstellung von dem Zeitpunkt ab, zu dem sie von dem Senatsbeschluss vom 21. März 2006 Kenntnis erlangt hat. Der Senatsbeschluss ist aber ausweislich der Schlussverfügung der Geschäftsstelle am 27. März 2006 an die Verurteilte und ihre Verteidiger abgesandt worden, so dass davon auszugehen ist, dass die Verurteilte noch im März 2006 Kenntnis von der Entscheidung erlangt hat. Mit der Antragsschrift ihres Verteidigers vom 12. April 2006 konnte mithin die Wochenfrist des § 356 a Satz 2 StPO nicht eingehalten werden, zumal sie beim Bundesgerichtshof erst am 15. April 2006 eingegangen ist.

2. Die Anhörungsrüge hätte aber auch in der Sache keinen Erfolg.

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. Der Senat hat bei seiner Entscheidung zum Nachteil der Verurteilten weder Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, zu denen diese nicht gehört worden wäre, noch hat er bei der Entscheidung zu berücksichtigendes Vorbringen der Verurteilten übergangen.

Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 28. Juli 2005 zu den bis dahin von ihren Verteidigern mit Schriftsätzen vom 28. Dezember 2004 und 16. März 2005 erhobenen Rügen umfassend Stellung genommen. Soweit der Senat die Verurteilung wegen Untreue in vier Fällen sowie wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung bestätigt hat, bedurfte es daher im Hinblick auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts keiner ausführlichen Begründung seiner Entscheidung (vgl. BVerfG NStZ 2002, 487, 488; BGHR StPO § 349 Abs. 2 Verwerfung 7). Soweit der Generalbundesanwalt mit seiner Antragsschrift vom 15. Februar 2006 in Abänderung seines früheren Antrags hinsichtlich der Verurteilung wegen Unterschlagung die Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO und die Festsetzung der niedrigst möglichen Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und einem Monat beantragt hat, ist er zwar auf den von dem Verteidiger Rechtsanwalt Dr. S. mit Schriftsatz vom 21. September 2005 gestellten Wiedereinsetzungsantrag zur Nachholung einer Verfahrensrüge nicht näher eingegangen. Insoweit hat der Senat aber in seinem Beschluss vom 21. März 2006 im Einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen der Wiedereinsetzungsantrag unzulässig ist und die nicht rechtzeitig erhobene Verfahrensrüge zudem den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht genügt.

Zu den Stellungnahmen des Generalbundesanwalts hat sich die Verurteilte mit Schriftsätzen ihres Verteidigers Rechtsanwalt P. vom 12. August 2005 und vom 7. März 2006 geäußert. Auch der letztere Schriftsatz lag dem Senat bei seiner Entscheidung über die Revision vor und war Gegenstand der Beratung.