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BGH - Entscheidung vom 17.05.2006

VIII ZR 244/04

Normen:
HGB § 89
BGB § 280

BGH, Urteil vom 17.05.2006 - Aktenzeichen VIII ZR 244/04

DRsp Nr. 2006/18992

Pflichten des Unternehmers gegenüber dem Handelsvertreter; Schadensersatzansprüche wegen Lieferung mangelhafter Ware

Ein Handelsvertreter kann seinen Unternehmer grundsätzlich nicht auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, wenn durch Lieferung mangelhafter Ware an die vom Handelsvertreter geworbene Kundschaft der Handelsvertreter dadurch Schaden erleidet, dass die Kunden im Hinblick auf diese früheren Schlechtlieferungen eine weitere Tätigkeit des Handelsvertreters, sei es für denselben, sei es für einen anderen Unternehmer, zurückweisen (BGHZ 26, 161 ). Eine Ausnahme gilt allenfalls dann, wenn der Unternehmer durch Lieferung mangelhafter Ware willkürlich ohne einen vertretbaren Grund den Interessen des Handelsvertreters zuwider handelt.

Normenkette:

HGB § 89 ; BGB § 280 ;

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht der in J. ansässigen O. GmbH, einer Möbelherstellerin, von dem Beklagten Zahlung aufgrund von Möbellieferungen.

Zwischen der Zedentin und dem Beklagten bestand ein "Kooperations- und Rahmenkaufvertrag" vom 7./15. November 1994, in dem die Zedentin sich gegenüber dem auf dem Gebiet des Möbelvertriebs tätigen Beklagten verpflichtete, Möbel nach bestimmten Entwürfen herzustellen und nach den Anweisungen des Beklagten zu liefern.

Das Vertragsverhältnis wurde nach den Feststellungen des Berufungsgerichts von den Parteien wie folgt praktiziert: Der Beklagte nahm auf Formularen mit seinem Firmenkopf Bestellungen von Möbelhäusern herein und leitete diese an die Zedentin weiter. Diese übersandte dem Besteller im eigenen Namen zunächst eine Auftragsbestätigung unter Angabe des Liefertermins und sodann eine Rechnung über die gelieferten Möbel mit der Anweisung, den Rechnungsbetrag auf ein zu diesem Zweck auf den Namen des Beklagten eingerichtetes Konto zu überweisen. Die der Zedentin zustehenden Gelder führte der Beklagte - mit Ausnahme des klagegegenständlichen Betrages - jeweils an diese ab.

Noch im Jahre 1994 kam es zu zahlreichen Beanstandungen der von der Zedentin belieferten Möbelhäuser und in deren Folge zu Auseinandersetzungen zwischen dem Beklagten und der Zedentin wegen schlechter Qualität der gelieferten Möbel und der Überschreitung von Lieferterminen. Mit Schreiben vom 31. März 1995 kündigte die Zedentin den Kooperationsvertrag. Von den auf dem erwähnten Konto eingegangenen Kundengeldern führte der Beklagte einen Betrag von 226.356 DM nicht an die Zedentin ab.

Diese hat die ihr gegen den Beklagten zustehenden Ansprüche im August 1995 an die Klägerin abgetreten. Der Beklagte ist der auf Zahlung des einbehaltenen Betrages gerichteten Klage mit der Behauptung entgegengetreten, ihm sei durch mangelhafte und verspätete Lieferungen der Zedentin ein erheblicher Schaden entstanden. Große Möbelhäuser hätten die Möbel der Zedentin wegen der schlechten Qualität aus dem Sortiment genommen, sodass er keine Geschäfte mehr habe machen können. Dadurch habe er im Jahre 1995 einen Verlust von 282.775,80 DM erlitten, der im Jahre 1996 noch übertroffen worden sei. Insgesamt belaufe sich der ihm entstandene Schaden auf rund 1,5 Millionen DM.

Das Landgericht hat den Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 198.349 DM verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Klage auf die Berufung des Beklagten in vollem Umfang abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Die kraft ausdrücklicher Rechtswahl der Parteien nach deutschem Sachrecht zu beurteilende Klage sei unbegründet. Zwar ergebe sich der mit der Klage geltend gemachte, wirksam an die Klägerin abgetretene Zahlungsanspruch aus dem zwischen der Zedentin und dem Beklagten geschlossenen "Kooperations- und Rahmenkaufvertrag". Der Beklagte habe jedoch gegen den Zahlungsanspruch in Höhe von 226.356 DM wirksam mit einem Schadensersatzanspruch aus der Verletzung des Kooperationsvertrages in mindestens derselben Höhe aufgerechnet.

Der Beklagte sei - abweichend vom schriftlichen Vertragsinhalt - nicht als Käufer und Wiederverkäufer der von der Zedentin produzierten Möbel, sondern als Handelsvertreter der Zedentin aufgetreten. Diese habe ihre Nebenpflicht aus dem Kooperationsvertrag verletzt, die Möbelhäuser, die nicht allein ihre Kunden gewesen seien, sondern von deren Zufriedenheit auch die geschäftliche Existenz des Beklagten abhängig gewesen sei, mit einwandfreier Ware rechtzeitig zu beliefern. Nach den Aussagen der hierzu vernommenen Zeugen liege das Gesamtbild der mangelhaften Qualität der von der Zedentin gelieferten Ware nicht mehr im Rahmen eines ordentlichen Handelsvertreterverhältnisses. Da der Beklagte vom Vertrauen seiner Kunden in die von ihm vermittelte Ware gelebt habe, hätte die Zedentin ihn von vornherein darüber aufklären müssen, dass es zweifelhaft sein könne, ob sie die Qualität gemäß Bemusterung liefern könne. Keinesfalls hätte die Zedentin Möbel mit der mangelhaften Qualität, die insbesondere der Zeuge P. eindrucksvoll geschildert habe, ausliefern dürfen. Es gehe hier nicht um eine unternehmerische Disposition der Zedentin, sondern um die Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme auf die Interessen des Handelsvertreters.

Das Verhalten der Zedentin habe dazu geführt, dass die vom Beklagten betreuten Möbelhäuser nicht mehr über ihn bestellt und die Geschäftsbeziehung zu ihm eingestellt hätten. Der dem Beklagten dadurch entstandene Schaden in Gestalt von Provisionsausfällen sei auf der Grundlage des im Berufungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens für die Jahre 1995 bis 1998 auf 442.489,06 DM zu schätzen. Daher sei die Klageforderung durch die Aufrechnung des Beklagten erloschen.

II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand.

1. Das Berufungsgericht meint, den Unternehmer, der seine Ware durch Handelsvertreter vertreibt, treffe diesen gegenüber eine handelsvertretervertragliche Nebenpflicht, seine Kunden rechtzeitig und mit mangelfreier Ware zu beliefern, weil von der Zufriedenheit seiner Kunden auch die geschäftliche Existenz seiner Handelsvertreter abhänge. Damit setzt sich das Berufungsgericht, wie die Revision mit Recht rügt, in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Dieser hat in einem ganz ähnlich gelagerten Fall entschieden, dass ein Handelsvertreter seinen Unternehmer grundsätzlich nicht auf Schadensersatz in Anspruch nehmen kann, wenn durch Lieferung mangelhafter Ware an die vom Handelsvertreter geworbene Kundschaft der Handelsvertreter dadurch Schaden erleidet, dass die Kunden im Hinblick auf diese früheren Schlechtlieferungen eine weitere Tätigkeit des Handelsvertreters, sei es für denselben, sei es für einen anderen Unternehmer, zurückweisen (BGHZ 26, 161 , 163 ff.). Schadensersatzpflichtig macht sich der Unternehmer in einem solchen Fall nur dann, wenn er durch Lieferung mangelhafter Ware willkürlich, ohne irgendeinen vertretbaren Grund den Interessen des Handelsvertreters zuwiderhandelt (BGH aaO S. 166). Dazu finden sich in dem angefochtenen Berufungsurteil keine ausreichenden Feststellungen. Den Ausführungen des Berufungsgerichts ist lediglich zu entnehmen, dass mehrere Möbelhäuser die Qualität der von der Zedentin gelieferten Möbel beanstandeten, diese wegen anhaltend mangelhafter Qualität aus dem Sortiment nahmen und die Geschäftsbeziehung zu der Zedentin wegen der Mängel abbrachen. Damit lässt sich die Annahme einer willkürlichen Handlungsweise der Zedentin ebenso wenig begründen wie mit der weiteren Feststellung des Berufungsgerichts, das "Gesamtbild der mangelhaften Qualität" der von der Zedentin gelieferten Ware liege "nicht mehr im Rahmen eines ordentlichen Handelsvertreterverhältnisses." Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs rechtfertigen auch Mängel in einem über das handelsübliche Maß hinausgehenden Umfang noch nicht die Annahme einer willkürlichen Handlungsweise (BGH aaO S. 166). Vielmehr bedarf es dazu der Feststellung, welche Umstände für diese Schlechtleistung maßgeblich waren (BGH aaO). Hierzu ist dem Berufungsurteil nichts zu entnehmen.

2. Auch die weitere Begründung des Berufungsgerichts, die Zedentin hätte den Beklagten von vornherein darüber aufklären müssen, dass es zweifelhaft sein könne, ob sie die Qualität gemäß Bemusterung werde liefern können, trägt die angefochtene Entscheidung nicht. Richtig ist allerdings, dass der Unternehmer den Handelsvertreter benachrichtigen muss, wenn er erkennt, dass er nur mit erheblichen qualitativen Einschränkungen liefern kann oder will (BGH aaO S. 167). Das Berufungsgericht hat jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, ob und wann die Zedentin zu einer entsprechenden Erkenntnis gelangt und ob dies vor dem Zeitpunkt geschehen ist, in dem der Beklagte durch zunehmende Beanstandungen der belieferten Möbelhäuser selbst Kenntnis von der schlechten Qualität der von der Zedentin gelieferten Möbel erlangte und daher einer entsprechenden Unterrichtung durch die Zedentin nicht mehr bedurfte, um sich im Rahmen seiner eigenen kaufmännischen Entschließungsfreiheit sinnvoll entscheiden zu können (vgl. BGH aaO S. 165).

Der dem Beklagten durch die Verletzung einer solchen Benachrichtigungspflicht entstandene Schaden kann zudem, wie die Revision mit Recht rügt, nicht im positiven Interesse des Beklagten bestehen, so gestellt zu werden, wie er im Falle mangelfreier Belieferung der von ihm geworbenen Möbelhäuser durch die Zedentin stünde. Denn wenn das schädigende Verhalten der Zedentin im Unterlassen der gebotenen Unterrichtung über die zu erwartende schlechte Qualität der Möbel besteht, ist der Beklagte schadensersatzrechtlich so zu stellen, wie er im Falle rechtzeitiger Benachrichtigung über zu erwartende Qualitätsmängel gestanden hätte. Folglich beschränkt sich der zu ersetzende Schaden in diesem Fall auf das negative Interesse, das heißt auf den Ersatz der nutzlosen Aufwendungen des Beklagten für den Vertrieb. Schadensersatz wegen ihm entgangener Provisionen könnte der Beklagte als Folge einer Verletzung der Benachrichtigungspflicht nur unter der Voraussetzung verlangen, dass es ihm bei rechtzeitiger Benachrichtigung durch die Zedentin möglich gewesen wäre, für einen anderen Möbelhersteller als Handelsvertreter tätig zu werden und dadurch Provisionseinnahmen zu erzielen (BGH, Urteil vom 3. März 1988 - I ZR 187/86, WM 1988, 1234 unter II 2). Dazu fehlt es an Feststellungen des Berufungsgerichts.

III. Das Berufungsurteil kann somit keinen Bestand haben (§ 562 Abs. 1 ZPO ). Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil es dazu weiterer tatrichterlicher Feststellungen bedarf (§ 563 Abs. 3 ZPO ). Die Sache ist daher unter Aufhebung des Berufungsurteils zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO ).

Vorinstanz: OLG München, vom 13.07.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 30 U 133/99
Vorinstanz: LG Augsburg, vom 14.12.1998 - Vorinstanzaktenzeichen 2 O 422/96