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BGH - Entscheidung vom 12.07.2006

5 StR 165/06

Normen:
StPO § 267

Fundstellen:
wistra 2006, 467

BGH, Beschluß vom 12.07.2006 - Aktenzeichen 5 StR 165/06 - Aktenzeichen 5 StR 469/04

DRsp Nr. 2006/20543

Gliederung eines Urteils bei Vielzahl von Taten

Es kann den Bestand des Urteils insgesamt gefährden, wenn die Nummerierungen der Taten in den Feststellungen und bei der Strafzumessung derart voneinander abweichen, dass die Ermittlung der für die Einzeltaten verhängten Strafen kaum ohne eine vollständige Rekonstruktion und tabellarische Exzerpierung des Urteilsinhalts möglich ist.

Normenkette:

StPO § 267 ;

Gründe:

Das Landgericht hatte die Angeklagten mit Urteil vom 21. Juli 2004 wegen Steuerhinterziehung in 90 Fällen, wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in zwölf Fällen und wegen Betruges in 48 Fällen bei einer Einsatzstrafe von jeweils zwei Jahren Freiheitsstrafe zu Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren bzw. drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Auf die Revisionen der Angeklagten hatte der Senat mit Beschluss vom 15. März 2005 - 5 StR 469/04 wegen eines Erörterungsmangels dieses Urteil im Schuldspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 90 Fällen verurteilt worden waren, sowie in den Aussprüchen über die Gesamtstrafen. Nunmehr hat das Landgericht bei gleichlautenden Schuldsprüchen und einer Einsatzstrafe von jeweils einem Jahr und fünf Monaten Freiheitsstrafe die Angeklagte F.-M. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten M. - wiederum unter Einbeziehung der Strafe aus einer Vorverurteilung - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Ihre Revisionen haben den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.

Die Revisionen sind aus den Gründen der Antragsschrift der Bundesanwaltschaft zu den Schuldsprüchen im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet. Die Einzelstrafaussprüche zu den Steuerhinterziehungsdelikten leiden indes zum Teil an durchgreifenden Rechtsfehlern. Das Landgericht hat bei der Strafzumessung nicht hinreichend bedacht, dass es wegen des in § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO normierten Verschlechterungsverbots grundsätzlich daran gehindert ist, höhere Einzelstrafen als diejenigen in dem aufgehobenen Urteil zu verhängen. Hieran ändert sich auch dann nichts, wenn es - wie vorliegend - infolge anderer, ebenfalls zulässiger Schätzungen zu Verschiebungen des Schuldumfangs in andere Besteuerungszeiträume kommt; auch in solchen Fällen bleibt die durch Steuerart und Besteuerungszeitraum bestimmte prozessuale Tatbegrenzung verbindlich. Der Senat hat daher auf Antrag der Bundesanwaltschaft die betroffenen Einzelstrafen - soweit es sich um Geldstrafen handelt, unter Beibehaltung der bisherigen Tagessatzhöhe - auf das jeweils zulässige Höchstmaß herabgesetzt. Dies betrifft im Einzelnen folgende - für beide Angeklagte gleichlautende - Einzelstrafen:

Umsatzsteuerhinterziehung:

Fall 1: sieben Monate statt neun Monate Freiheitsstrafe

Fall 2: acht Monate statt ein Jahr Freiheitsstrafe

Fall 3: acht Monate statt ein Jahr drei Monate Freiheitsstrafe

Fall 4: acht Monate statt ein Jahr fünf Monate Freiheitsstrafe

Fälle 9, 10, 13,

22, 25 und 26: jeweils 90 Tagessätze statt 150 Tagessätze Geldstrafe

Fall 18: 50 Tagessätze statt 90 Tagessätze Geldstrafe

Fall 19: 25 Tagessätze statt 90 Tagessätze Geldstrafe

Fälle 23 und 24: jeweils 100 Tagessätze statt 150 Tagessätze Geldstrafe

Lohnsteuerhinterziehung:

Fälle 2, 5, 11 bis 14,

19, 24 und 43: jeweils 70 Tagessätze statt 90 Tagessätze Geldstrafe

Fälle 21, 36, 39, 40,

42, 45 bis 47: jeweils 90 Tagessätze statt 150 Tagessätze Geldstrafe

Fälle 32, 37, 38 und 41: jeweils 120 Tagessätze statt 150 Tagessätze Geldstrafe.

Die vom Landgericht versehentlich unterbliebene Festsetzung der Einzelstrafe in Fall 44 hat der Senat nachgeholt und auf Antrag der Bundesanwaltschaft eine Einzelstrafe in der im ersten Urteil verhängten Höhe (150 Tagessätze Geldstrafe) festgesetzt. Die auf UA S. 37 zu C. II. 2 Fall 1 festgesetzte Einzelstrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe entfällt; für diese Tat (Lohnsteuerhinterziehung Fall 1) hat das Landgericht bereits auf UA S. 36 unter der Bezeichnung "Tatkomplex C. II. 2 (Lohnsteuer) Fall 27" eine Einzelstrafe von 60 Tagessätzen Geldstrafe verhängt.

Mit Blick auf die Höhe der Einsatzstrafe von nunmehr nur noch jeweils neun Monaten Freiheitsstrafe (C. II. 3 Fälle 3 und 4 - Einkommensteuerhinterziehung 1996 und 1997) und die jeweils reduzierten Einzelstrafen hat der Senat, dem Antrag der Bundesanwaltschaft folgend, auf die tenorierten Gesamtstrafen erkannt, deren Vollstreckung nach § 56 Abs. 1 und 2 StGB aufgrund der im angefochtenen Urteil zu den persönlichen Verhältnissen getroffenen Feststellungen - auch mit Blick auf die durch die Urteilsaufhebungen entstandenen weiteren erheblichen Verzögerungen - jeweils zur Bewährung auszusetzen ist.

Der Senat sieht Anlass zu folgendem Hinweis: Es kann den Bestand des Urteils insgesamt gefährden, wenn - wie hier - die Nummerierungen der Taten in den Feststellungen und bei der Strafzumessung derart voneinander abweichen, dass die Ermittlung der für die Einzeltaten verhängten Strafen kaum ohne eine vollständige Rekonstruktion und tabellarische Exzerpierung des Urteilsinhalts möglich ist. Gleiches gilt dann, wenn - wie hier - Tatkomplexe bei der Strafzumessung falsch bezeichnet werden und somit eine Zuordnung der Einzelstrafen zu den festgestellten Taten weiter erschwert wird. Der Senat hat sich bei der von ihm vorgenommenen Einzelstraffestsetzung an den Bezeichnungen der Taten in den Urteilsfeststellungen orientiert und die aufgezeigten Darstellungsmängel letztlich als noch nicht durchgreifend erachtet.

Das bisherige Tatgericht wird die Beschlüsse nach § 268a StPO zu veranlassen haben.

Vorinstanz: LG Koblenz, vom 28.10.2005
Fundstellen
wistra 2006, 467