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BGH - Entscheidung vom 20.01.2006

2 StR 566/05

Normen:
StPO § 261

BGH, Beschluß vom 20.01.2006 - Aktenzeichen 2 StR 566/05

DRsp Nr. 2006/6943

Beweiswürdigung bei Ausschluss anderer Geschehensabläufe

Wird auf die Tatbegehung durch den Angeklagten daraus geschlossen, dass andere Geschehensabläufe ausgeschlossen sind, bedarf es vor allem dann einer umfassenden Beweiswürdigung, wenn ein Tatmotiv des Angeklagten nicht ersichtlich ist.

Normenkette:

StPO § 261 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten der Unterschlagung, des siebenfachen Computerbetrugs und der Misshandlung von Schutzbefohlenen für schuldig befunden und ihn unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einer anderen Verurteilung und eines Strafbefehls und unter Auflösung der insoweit gebildeten Gesamtstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Dagegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit der Sachrüge.

Das Rechtsmittel ist begründet, soweit es sich gegen die Verurteilung des Angeklagten wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen und die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wendet, im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO .

Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte, der sich mit dem knapp einjährigen Kind seiner Lebensgefährtin allein in der Küche befand und es beaufsichtigen sollte, dem Kind absichtlich eine heiße Flüssigkeit, vermutlich eine Tasse Kaffee, in das Gesicht gegossen und es erheblich verletzt. Das Landgericht hat zwar ein Motiv des Angeklagten für eine solche Handlung nicht erkennen können, ein anderer Geschehensablauf als der festgestellte sei aber ausgeschlossen. Eine dem Angeklagten anzulastende fahrlässige Handlung, die zur Verletzung des Kindes geführt habe, habe dieser - der in den verschiedenen Verfahrensstadien drei vom Landgericht als widerlegt angesehene Versionen angegeben hat, nach denen sich das Kind selbst die Flüssigkeit ins Gesicht geschüttet habe - nicht vorgebracht und sei auch nicht ersichtlich.

Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Annahme einer vorsätzlichen Misshandlung des Kindes beruht auf einer nicht erschöpfenden Beweiswürdigung. Das Landgericht hat nicht bedacht, dass der Angeklagte mit seinen Sachverhaltsdarstellungen bestrebt gewesen sein kann, jeden Verschuldensvorwurf, auch den einer Sorgfaltspflichtverletzung, von sich zu weisen. Mit dieser Möglichkeit hätte sich das Landgericht auseinandersetzen und auch hier nicht fern liegende fahrlässige Tatvarianten in Betracht ziehen müssen, zumal der Angeklagte sonst nicht durch Gewalttätigkeiten aufgefallen war. Soweit das Landgericht ausgeführt hat, einen Monat später seien "weitere Verletzungen am Körper des Kindes festgestellt worden, die einen Rückschluss auf etwaige Brandwunden zuließen", ist nicht ersichtlich, ob das Landgericht damit auf weitere dem Angeklagten anzulastende Verletzungen des Kindes verweisen wollte. Jedenfalls fehlt es insoweit an jeglichen tatsächlichen Feststellungen, denen etwa eine Indizwirkung für den vorliegenden Fall zukommen könnte.

Auch die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat keinen Bestand.

Abgesehen davon, dass der erforderliche symptomatische Zusammenhang zwischen der Drogenabhängigkeit des Angeklagten und den abgeurteilten Taten nicht ausreichend belegt ist, hat das Landgericht nicht beachtet, dass bereits durch Urteil des Amtsgerichts Koblenz vom 21. Mai 2004 die - zum Zeitpunkt seiner Entscheidung noch nicht erledigte - Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist. Da die nunmehr abgeurteilten Taten vor dieser Verurteilung begangen worden sind, war nach den Grundsätzen der nachträglichen Gesamtstrafenbildung (§ 55 StGB ) in der neuen Entscheidung lediglich die frühere Anordnung der Maßregel aufrechtzuerhalten, nicht aber eine (weitere) neue Maßregel anzuordnen (BGHSt 30, 305 ; BGHR StGB § 64 Anordnung 4).

Vorinstanz: LG Koblenz, vom 04.08.2005