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BGH - Entscheidung vom 08.11.2006

RiZ (R) 4/05

Normen:
DRiG § 80

BGH, Urteil vom 08.11.2006 - Aktenzeichen RiZ (R) 4/05

DRsp Nr. 2006/29369

Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit durch Äußerungen des Dienstvorgesetzten bei Entscheidung über eine Dienstaufsichtsbeschwerde

1. Auch Äußerungen des Dienstvorgesetzten, die dieser im Rahmen der Bescheidung einer Dienstaufsichtsbeschwerde eines Rechtsuchenden abgibt, und in den er etwa die von diesem geäußerten Bedenken gegen das Verfahren des Richters teilt, stellen eine Maßnahme der Dienstaufsicht dar.2. Rät der Dienstvorgesetzte dem anwaltlich nicht beratenden Rechtsuchenden, sich rechtlich beraten zu lassen und die für den Fall sinnvollen Schritte einzuleiten, so ist hierdurch die richterliche Unabhängigkeit nicht beeinträchtigt, da es sich nicht um eine Kritik an der Sachentscheidung handelt.

Normenkette:

DRiG § 80 ;

Tatbestand:

Der Antragsteller ist Richter am Amtsgericht .... . Er wendet sich gegen Äußerungen des Präsidenten des Landgerichts Baden-Baden, durch die er seine richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt sieht.

Der Antragsteller war mit einem Antrag des Beschwerdeführers Z. auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Stadtwerke ... "star. Energiewerke" - so die Bezeichnung im Antrag - befasst. Mit Verfügung vom 28. Januar 2003 wies er den Beschwerdeführer unter anderem auf Folgendes hin:

"In Ihrer Antragsschrift vom 25.01.2003 haben Sie als Antragsgegner keine rechtsfähige Person angegeben. Mit der Parteibezeichnung "Stadtwerke ..., star. Energiewerke" haben Sie keine juristische Person bezeichnet. Die Stadtwerke ... sind nicht rechtsfähig. Wenn Sie sich die Mühe gemacht hätten, die Schreiben Ihres bisherigen Stromversorgers genau durchzulesen, hätten Sie festgestellt, dass Ihr Vertragspartner folgendermaßen firmiert: "star. Energiewerke GmbH & Co. KG". Dieser Name steht sowohl fettgedruckt unter "Mit freundlichen Grüßen" als auch unten im vorformulierten Text. Es ist Ihre Aufgabe als Antragsteller, die Antragsgegnerin richtig zu bezeichnen. Hierzu erhalten Sie Gelegenheit innerhalb von einer Woche".

Nachdem der Beschwerdeführer auf diesen Hinweis innerhalb der gesetzten Frist nicht reagiert hatte, wies der Antragsteller mit Beschluss vom 12. Februar 2003 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung kostenpflichtig als unzulässig zurück, da als Antragsgegner keine rechtsfähige Person benannt worden sei.

Daraufhin erhob der Beschwerdeführer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Antragsteller, die der Präsident des Landgerichts Baden-Baden am 7. Mai 2003 abschlägig beschied, wobei er unter anderem Folgendes ausgeführte:

"Ich teile Ihre Auffassung, dass der Hinweis auf die juristische Person nicht unbedingt angezeigt war, da bei wohlwollender Auslegung, der Bundesgerichtshof legt verfahrenseinleitende Anträge immer unter dem Gesichtspunkt der Interessenwahrung der antragenden Partei aus, das Gericht auf einen klärenden Zusatz hätte verzichten können. Wenn aber der Richter einen solchen Zusatz verlangt, so hat er eine bestimmte Rechtsauffassung vertreten, die zu korrigieren mir nicht ansteht. Der Richter ist in seiner Rechtsprechungstätigkeit von Weisungen unabhängig. Außerhalb der Rechtsordnung hat sich der Richter nicht bewegt. Deshalb ist auch der Vorwurf der Rechtsbeugung und Strafvereitelung abwegig.

Wenn Sie mit der Entscheidung des Richters nicht einverstanden waren, hätten Sie das zulässige Rechtsmittel einlegen können und müssen. Im Wege der Dienstaufsicht habe ich darüber nicht zu befinden. Dies gilt insbesondere für die Kostenentscheidung, die die zwangsläufige, vom Gesetz verlangte Konsequenz der Zurückweisung Ihres Antrages ist. Ich rege Ihnen gegenüber daher an, dass Sie sich rechtlich beraten lassen und die für den Fall sinnvollen Schritte einleiten. Dies gilt auch für die Festsetzung des Streitwertes."

Nach Kenntnisnahme von diesem Bescheid wandte sich der Antragsteller im Wege des Widerspruchs gegen die vorstehend durch Unterstreichung kenntlich gemachten Passagen, durch die er sich in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt sah. Der Präsident des Landgerichts nahm daraufhin die erste Passage zurück, hielt aber an seiner Rechtsauffassung fest, dass der Bundesgerichtshof verfahrenseinleitende Anträge unter dem Gesichtspunkt der Interessenwahrung der antragenden Partei wohlwollend auslege. Dies teilte er sowohl dem Beschwerdeführer als auch dem Antragsteller mit. Durch Bescheid vom 15. Dezember 2003 wies der Präsident des Oberlandesgerichts Karlsruhe den Widerspruch des Antragstellers zurück.

Daraufhin hat der Antragsteller das Dienstgericht für Richter angerufen und zuletzt die Feststellung der Unzulässigkeit der verfahrensgegenständlichen, im Schreiben des Präsidenten des Landgerichts Baden-Baden vom 7. Mai 2003 an Z. enthaltenen Sätze beantragt.

Das Dienstgericht für Richter hat mit Urteil vom 30. Juli 2004 festgestellt, dass die erste vom Antragsteller beanstandete Passage unzulässig sei; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Mit seiner Berufung hat der Antragsteller seinen erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt, soweit dieser zurückgewiesen worden ist. Der Dienstgerichtshof hat die Berufung durch Urteil vom 8. Juni 2005 zurückgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt:

Die vom Antragsteller noch beanstandeten Sätze in dem Schreiben des Präsidenten des Landgerichts stellten keinen Eingriff in seine richterliche Unabhängigkeit dar. Im Kontext des gesamten Schreibens gesehen bezögen sie sich nicht unmittelbar auf die kritische Kommentierung der in dem Hauptverfahren geäußerten Ansicht des Antragstellers durch den Präsidenten des Landgerichts. In den vorangegangenen Sätzen habe der Präsident den rechtsunkundigen Beschwerdeführer auf den Instanzenzug hingewiesen und ihm die Grundlagen der Kostenentscheidung erläutert. Die anschließend in diesem Zusammenhang an den Beschwerdeführer gerichtete Anregung könne daher nur als allgemeine Empfehlung gesehen werden, zunächst Rechtsrat einzuholen und weitere Schritte vom Ergebnis der rechtlichen Beratung abhängig zu machen. Nach dem objektiven Erklärungsinhalt werde damit lediglich zum Ausdruck gebracht, dass nur im Rechtsmittelverfahren eine Änderung einer richterlichen Entscheidung zu erreichen sei.

Gegen dieses Urteil hat der Antragsteller die zugelassene Revision eingelegt. Wegen seines Vorbringens wird auf die Revisionsbegründungsschrift vom 22. August 2005 Bezug genommen.

Der Antragsteller beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und unter teilweiser Abänderung des Urteils des Dienstgerichts festzustellen, dass die Sätze im Schreiben des Präsidenten des Landgerichts Baden-Baden an den Beschwerdeführer Z. "ich rege Ihnen gegenüber daher an, dass Sie sich rechtlich beraten lassen und die für den Fall sinnvollen Schritte einleiten. Dies gilt auch für die Festsetzung des Streitwertes" unzulässig sind.

Der Antragsgegner verteidigt mit Schriftsatz vom 12. September 2005, auf den ebenfalls Bezug genommen wird, das angefochtene Urteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Beide Parteien haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision (§ 80 Abs. 2 DRiG , § 79 Abs. 2 LRiG ) ist unbegründet.

I. 1. Die Zulässigkeit des Prüfungsverfahrens hat der Dienstgerichtshof zu Recht bejaht. Auch die vom Antragsteller jetzt noch beanstandete Textpassage in dem Schreiben des Präsidenten des Landgerichts Baden-Baden vom 7. Mai 2003 stellt eine Maßnahme der Dienstaufsicht dar. Dieser Begriff ist im Interesse eines wirkungsvollen Schutzes der richterlichen Unabhängigkeit weit auszulegen. Umfasst werden daher auch Äußerungen des Dienstvorgesetzten, die dieser im Rahmen der Bescheidung einer Dienstaufsichtsbeschwerde eines Rechtsuchenden abgibt, und in denen er etwa die von diesem geäußerten Bedenken gegen das Verfahren des Richters teilt (BGH, Urteil vom 9. März 1967 - RiZ(R) 2/66, BGHZ 47, 275, 282 f.; vgl. auch Joeres, DRiZ 2005, 321, 330 m.w.N.).

Auch die weitere Zulässigkeitsvoraussetzung ist gegeben, da die Behauptung des Antragstellers, er fühle sich durch die Äußerung in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt, noch nachvollziehbar und nicht "aus der Luft gegriffen" ist. Überzogene Anforderungen dürfen an die Darlegung hierzu nicht gestellt werden (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 1993 - RiZ(R) 1/93; DRiZ 1994, 141 m.w.N.).

2. Zutreffend hat der Dienstgerichtshof entschieden, dass die beanstandete Äußerung die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers nicht beeinträchtigt.

Die vom Antragsteller beanstandeten Sätze enthalten, wie das Berufungsgericht im Einzelnen rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, weder eine kritische Kommentierung der vom Antragsteller getroffenen richterlichen Entscheidung noch die Aufforderung, ein Rechtsmittel gegen diese einzulegen. Ein Bezug zu dem vom Dienstgericht für unzulässig erklärten, in einem anderen Abschnitt enthaltenen Teil des Bescheids besteht nicht. Es ging dem Präsidenten des Landgerichts lediglich darum, dem ersichtlich rechtsunkundigen Beschwerdeführer zu verdeutlichen, dass die Erhebung einer Dienstaufsichtsbeschwerde nicht dazu geeignet ist, das von diesem letztlich erstrebte Ziel, eine Änderung der richterlichen Entscheidung herbeizuführen, zu erreichen. Seine in diesem Zusammenhang gemachte Anregung an den anwaltlich nicht vertretenen Beschwerdeführer, sich rechtlich beraten zu lassen und dann die für den Fall sinnvollen Schritte einzuleiten, stellt nur eine allgemeine Empfehlung dar. Dies ergibt, worauf der Dienstgerichtshof zu Recht hingewiesen hat, insbesondere auch der Kontext der beanstandeten beiden Sätze mit den im selben Absatz enthaltenen vorausgehenden Ausführungen: "Wenn Sie mit der Entscheidung des Richters nicht einverstanden waren, hätten Sie das zulässige Rechtsmittel einlegen können und müssen. Im Wege der Dienstaufsicht habe ich darüber nicht zu befinden". Die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers wird insoweit in keiner Weise beeinträchtigt.

Die abweichende Ansicht der Revision erschöpft sich im Wesentlichen darin, die rechtliche Bewertung des festgestellten Sachverhalts durch den Dienstgerichtshof durch eine eigene, abweichende Bewertung zu ersetzen. Revisionsrechtlich relevante Rechtsverletzungen werden dagegen weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO .

Der Wert des Streitgegenstandes wird für die Revisionsinstanz auf 5.000 Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2 , § 71 Abs. 1 Satz 2 GKG ).

Vorinstanz: OLG Stuttgart, vom 08.06.2005 - Vorinstanzaktenzeichen DGH 2/04
Vorinstanz: LG Karlsruhe, vom 30.07.2004 - Vorinstanzaktenzeichen RDG 2/03