Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 07.12.2006

V ZR 90/06

Normen:
ZPO § 544 Abs. 7
GG Art. 103 Abs. 1

Fundstellen:
NJ 2007, 168

BGH, Beschluß vom 07.12.2006 - Aktenzeichen V ZR 90/06

DRsp Nr. 2007/2535

Aufhebung und Zurückverweisung wegen Übergehens eines entscheidungserheblichen Beweisantritts

Normenkette:

ZPO § 544 Abs. 7 ; GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe:

I. Mit 1977 bzw. 1978 geschlossenen Verträgen mietete der Kläger von dem V. Wohnungsverwaltung B. Teilflächen des Grundstücks K. straße 10 in B. zum Betrieb eines privaten Bauunternehmens. Anschließend errichtete er mit Genehmigung der zuständigen staatlichen Stellen auf dem Grundstück Bauten für sein Gewerbe. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurde das Grundstück dem beklagten Land (Beklagter) zugeordnet.

Mit Schreiben vom 20. April 1995 an den Notar S. beantragte der Kläger die Einleitung des Vermittlungsverfahrens gemäß §§ 87 ff. SachenRBerG . In seinem Antrag erklärte er, das Grundstück auf der Grundlage des geltenden Bodenrichtwerts von 1.300 DM/qm kaufen zu wollen. Zur Urkunde des Notars schlossen die Parteien am 16. Juli 1996 einen Kaufvertrag, durch den der Beklagte das Grundstück dem Kläger verkaufte. Zum Kaufpreis heißt es in Ziff. III des Vertrags:

"Der Kaufpreis beträgt 311.220 DM (in Worten: dreihundertelftausendzweihundertzwanzig Deutsche Mark) und berechnet sich wie folgt:

Das Grundstück hat eine Größe von 504 Quadratmetern. Der Bodenrichtwert per 31.12.1995 beträgt lt. Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr, Gutachterausschuss für Grundstückswerte in Berlin vom 20. Mai 1996 DM 1.300 je Quadratmeter.

Als regelmäßiger Preis gem. § 68 Abs. 1 SachenRBerG ist grundsätzlich die Hälfte des Bodenwertes anzusetzen.

Der Erwerber hat vor dem 1.10.1995 Antrag auf Durchführung des notariellen Vermittlungsverfahrens gestellt; der geschuldete Kaufpreis ermäßigt sich daher gem. § 68 Abs. 2 SachenRBerG bei fristgerechter Zahlung um fünf vom Hundert.

...."

Der Kläger bezahlte den Betrag von 311.220 DM. Später nahm er Einsicht in die Akten des Beklagten. Aus diesen erfuhr er, dass der Beklagte vor dem Verkauf des Grundstücks ein Verfahren zur Neuordnung der Bebauung von T. gemäß §§ 140 ff. BauGB eingeleitet hatte, das Grundstück nach der Beendigung des Bestandsschutzes der gewerblichen Nutzung durch den Kläger Grünfläche werden soll, der Preis für Gewerbegrundstücke in T. 300 DM/qm beträgt und der Bodenrichtwert im Bereich des Grundstücks zum 31. Dezember 1995 auf 1.000 DM/qm gesunken war. Daraufhin focht der Kläger den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung an.

Mit der Klage verlangt er Rückzahlung des Kaufpreises, soweit dessen Bestimmung 1.300 DM/qm zugrunde gelegt worden sind, und Ersatz seiner auf Grund der von dem tatsächlichen Bodenrichtwert am 31. Dezember 1995 abweichenden Preisvereinbarung erhöhten Erwerbs- und Finanzierungskosten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Die Revision ist nicht zugelassen worden. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers, mit der er im Ergebnis seinen Antrag auf Verurteilung der Beklagten weiter verfolgt.

II. Das Berufungsgericht verneint den geltend gemachten Zahlungsanspruch. Es hat ein arglistiges Verhalten des Beklagten nicht feststellen können und meint, auch nach den Grundsätzen des Fehlens der Geschäftsgrundlage stehe dem Kläger kein Anspruch gegen den Beklagten zu. Die Angabe des unzutreffenden Bodenrichtrichtwerts in der Vertragsurkunde lasse keinen verlässlichen Schluss darauf zu, dass es den Parteien bei Abschluss des Vertrags darauf angekommen sei, den Bodenrichtwert am 31. Dezember 1995 ihrer Preisvereinbarung zugrunde zu legen. Der von dem Kläger zum Willen des Beklagten durch Vernehmung des Notars als Zeuge angetretene Beweis sei als zur Ausforschung bestimmt nicht zu erheben. Etwas anders ergebe sich auch nicht aus Ziff. III Abs. 2 des Vertrags. Die dort bezeichnete Mitteilung des Beklagten müsse nicht notwendig den Bodenrichtwert per 31. Dezember 1995 zum Gegenstand gehabt haben.

III. Die Zurückweisung des Beweisantrags des Klägers durch das Berufungsgericht findet keine Grundlage im Prozessrecht und zeigt, dass das Berufungsgericht den Kern des Vorbringens nicht zur Kenntnis genommen hat. Sie wird von der Beschwerde daher zutreffend als entscheidungserheblicher Verstoß gegen den Anspruch des Klägers auf Gewährung des rechtlichen Gehörs gerügt. Der Verstoß führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

Nach dem Vortrag des Klägers stimmte der Wille der Parteien beim Abschluss des Kaufvertrags dahin überein, dass der Bodenrichtwert am 31. Dezember 1995 die Grundlage der Preisvereinbarung für das Grundstück bildete. Trifft dieses Vorbringen zu, kann der geltend gemachte Anspruch unter dem Gesichtspunkt eines Verschuldens des Beklagten bei den Vertragsverhandlungen oder eines Anspruchs auf Anpassung des Vertrages nach den Grundsätzen des Fehlens der Geschäftsgrundlage begründet sein. Möglicherweise kann auch die Vertragsauslegung ergeben, dass ein dem Bodenrichtwert am 31. Dezember 1995 entsprechender Kaufpreis vereinbart worden ist.

Der Kläger hat den Willen des Beklagten und damit eine innere Tatsache unter Benennung des Urkundsnotars als Zeuge behauptet. Einem Beweisanerbieten durch Vernehmung eines Zeugen zu einer solchen Behauptung ist zwar grundsätzlich nur stattzugeben, wenn vorgetragen wird, woher der Zeuge die in sein Wissen gestellte Kenntnis hat (st. Rechtspr., vgl. BGH, Urt. v. 29. März 1996, II ZR 263/94, NJW 1996, 1678 , 1679 m.w.N.). Hieran scheitert das Beweisanerbieten des Klägers jedoch nicht, weil es sich bei dem von dem Kläger benannten Zeugen um den Urkundsnotar handelt, dessen Aufgabe es war, bei der Errichtung der Kaufvertragsurkunde den Willen der Beteiligten zu erforschen, § 17 Abs. 1 BeurkG , und so sicherzustellen, dass der beurkundete Inhalt der Vertragserklärungen der Parteien deren Willen entsprach. Dass die Kenntnis des Zeugen von dem Willen des Beklagten dies zur Grundlage hat, bedeutet eine Selbstverständlichkeit, die der Kläger nicht aufzeigen musste, um sein Beweisanerbieten erheblich zu machen.

IV. Das Berufungsurteil gibt im Übrigen Anlass, auf folgendes hinzuweisen:

1. Dass der nach der übereinstimmenden Erklärung beider Parteien von dem Beklagten am 20. Mai 1995 mitgeteilte Wert nicht den Bodenrichtwert per 31. Dezember 1995, sondern einen auf einen anderen Zeitpunkt bezogenen Wert zum Gegenstand gehabt hätte, ist bisher nicht behauptet worden und trifft nach dem ebenfalls in das Zeugnis des Urkundsnotars gestellten Vortrag des Klägers nicht zu.

2. Der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch ist auch unter dem Gesichtspunkt einer Nichtigkeit des Kaufvertrags nach § 138 Abs. 1 BGB wegen groben Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung zu prüfen. Eine so begründete Nichtigkeit ist zu beachten, auch ohne dass der Kläger sich bisher hierauf berufen hat (RGZ 160, 52, 56; Erman/Palm, BGB , 11. Aufl. § 138 Rdn. 64; MünchKomm-BGB/Mayer-Maly/Armbrüster, 4. Aufl., § 138 Rdn. 155; Palandt/Heinrichs, BGB , 65. Aufl., § 138 Rdn. 21; Soergel/Hefermehl, BGB , 13. Aufl., § 138 Rdn. 61).

Vorinstanz: KG, vom 08.03.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 24 U 36/05
Vorinstanz: LG Berlin, vom 03.05.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 13 O 381/04
Fundstellen
NJ 2007, 168