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BGH - Entscheidung vom 11.01.2006

IV ZR 297/03

Normen:
VVG § 12 Abs. 3

Fundstellen:
VersR 2006, 533

BGH, Beschluß vom 11.01.2006 - Aktenzeichen IV ZR 297/03

DRsp Nr. 2006/2530

Anforderungen an die Belehrung des Versicherungsnehmers über den Ablauf der Klagefrist

Ob eine nach § 12 Abs. 3 VVG erteilte Belehrung die Klagefrist wirksam in Lauf setzt, ist unabhängig vom individuellen juristischen Wissen des Versicherungsnehmers oder seines Vertreters allein aufgrund des objektiven Belehrungsinhalts zu beantworten. Denn die ordnungsgemäße Belehrung ist formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für den Beginn des Fristenlaufs. Es liefe der Zweckbestimmung der Frist des § 12 Abs. 3 VVG als ein Instrument der Rechtsicherheit zuwider, wenn von Fall zu Fall (und meist nachträglich) aufgrund des konkreten Wissens des Versicherungsnehmers oder seiner Vertreter zu entscheiden wäre, ob eine unvollständige oder irreführende Belehrung die Frist dennoch in Lauf gesetzt hat oder nicht.

Normenkette:

VVG § 12 Abs. 3 ;

Gründe:

Der Senat verweist zunächst auf den den Parteien mit Schreiben des Vorsitzenden vom 19. Oktober 2005 erteilten rechtlichen Hinweis. An der dort geäußerten Rechtsauffassung hält er auch unter Berücksichtigung der Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten der Parteien vom 8. und 29. November 2005 fest. Ergänzend ist lediglich Folgendes zu bemerken:

1. Die Frage, ob eine Belehrung nach § 12 Abs. 3 VVG die Klagfrist wirksam in Lauf setzt, ist eine Rechtsfrage, die nicht unstreitig gestellt werden kann, sondern davon abhängt, ob die Belehrung den strengen Anforderungen der Rechtsprechung entspricht. An einem allgemein geläufigen Rechtsbegriff, in den sich diese rechtliche Bewertung wie eine Tatsachenbehauptung einkleiden ließe, fehlt es, weil die besondere versicherungsrechtliche Problematik den Teilnehmern des Rechtsverkehrs weithin nicht geläufig ist. Die Formulierung im Tatbestand des Berufungsurteils "Der Beklagte versäumte die Klagefrist zur Geltendmachung der Ansprüche des Klägers gegenüber der Versicherung gemäß § 12 Abs. 3 VVG " enthält deshalb auch keinen solchen Rechtsbegriff, mit welchem - über die rein zeitliche Betrachtung hinaus - die Frage einer ordnungsgemäßen Belehrung und damit zugleich einer wirksamen Fristsetzung hätte unstreitig gestellt oder mit Bindungswirkung für den Senat festgestellt werden können.

2. Ob eine nach § 12 Abs. 3 VVG erteilte Belehrung die Klagfrist wirksam in Lauf setzt, ist unabhängig vom individuellen juristischen Wissen des Versicherungsnehmers oder seiner Vertreter allein aufgrund des objektiven Belehrungsinhalts zu beantworten. Denn die ordnungsgemäße Belehrung ist formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für den Beginn des Fristlaufs (vgl. für die ähnliche Problematik einer Belehrung nach § 39 VVG : Knappmann in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 39 Rdn. 21 m.w.N.; Gruber und Riedler in BK, VVG § 12 Rdn. 69 und § 39 Rdn. 34 ff.; OLG Hamm VersR 2002, 1139 ff.). Die Frist des § 12 Abs. 3 VVG ist ein Instrument der Rechtssicherheit. Ihrer Zweckbestimmung liefe es zuwider, wenn von Fall zu Fall (und meist nachträglich) aufgrund des konkreten Wissens des Versicherungsnehmers und seiner Vertreter zu entscheiden wäre, ob eine unvollständige oder irreführende Belehrung die Frist dennoch in Lauf gesetzt hat oder nicht (vgl. dazu auch ÖOGH VersR 1973, 143 f.; OLG Hamm aaO.). Aus den vom Kläger angeführten Literaturstellen (Prölss in Prölss/Martin aaO. § 12 Rdn. 37a; Gruber aaO. § 12 Rdn. 69) ergibt sich nichts anderes. Dort wird nur der Sonderfall abweichend behandelt, in dem eine irreführende oder unvollständige Belehrung dem Versicherungsnehmer Möglichkeiten der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs auf Versicherungsleistungen verschweigt oder verschleiert, die ihm aber im konkreten Fall aus Rechtsgründen gar nicht offen stehen.

3. Entgegen der Auffassung des Klägers ist ihm ein Schaden auch nicht dadurch entstanden, dass der Anspruch auf Versicherungsleistungen wegen des behaupteten Diebstahls seines Kraftfahrzeuges inzwischen verjährt wäre und der Versicherer deshalb die Verjährungseinrede erheben könnte.

a) Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 VVG beginnt die Verjährung eines Anspruchs aus dem Versicherungsverhältnis mit dem Ende des Jahres, in dem die Leistung verlangt werden kann. Es muss Klage auf sofortige Leistung erhoben werden können (BGH, Urteile vom 14. April 1999 - IV ZR 197/98 - VersR 1999, 706 unter 2 a; vom 10. Mai 1983 - IVa ZR 74/81 - VersR 1983, 673 unter II; ebenso Urteile vom 4. November 1987 - IVa ZR 141/86 - VersR 1987, 1235 unter 3 und vom 19. Januar 1994 - IV ZR 117/93 - VersR 1994, 337 unter 2 b, jeweils m.w.N.). Der maßgebliche Zeitpunkt ergibt sich hier aus § 11 Abs. 1 VVG . Der Kaskoversicherer hatte seine Erhebungen erst im Jahre 1999 nach Einsicht in die gegen den Kläger und einen Zeugen geführten Ermittlungsakten (aus denen die Feststellung von für die Leistungspflicht bedeutsamen Tatsachen erwartet werden konnte - vgl. dazu Prölss, aaO. § 11 Rdn. 3a m.w.N.) abgeschlossen. Folglich begann die zweijährige Verjährungsfrist des § 12 Abs. 1 VVG am 1. Januar 2000 zu laufen.

b) Bereits im November 2000 hat der Kläger jedoch mit der hier erhobenen Klage dem Kaskoversicherer den Streit verkündet. Diese Streitverkündung hat zunächst zur Unterbrechung der Verjährung und seit dem 1. Januar 2002 zu deren (noch fortdauernden) Hemmung geführt.

aa) Nach Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB finden auf die am 1. Januar 2002 bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche zwar grundsätzlich die seit dem genannten Tage geltenden (neuen) Vorschriften des BGB Anwendung. Soweit die seit dem 1. Januar 2002 geltenden BGB -Vorschriften anstelle der Verjährungsunterbrechung eine Verjährungshemmung vorsehen, bestimmt Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB , dass eine Verjährungsunterbrechung, die nach altem Recht eingetreten und mit Ablauf des 31. Dezember 2001 noch nicht beendet war, mit Ablauf des 31. Dezember 2001 endet und im Weiteren durch eine Hemmung der Verjährung nach neuem Recht ersetzt wird.

bb) So liegt der Fall hier:

Gemäß § 209 Abs. 2 Nr. 4 BGB a.F. unterbrach eine Streitverkündung die Verjährung, wenn sie in dem Prozess erfolgte, von dessen Ausgang der Anspruch abhing. Dabei entsprach es gefestigter Rechtsprechung, dass mit dem Abhängigkeitserfordernis keine über § 72 ZPO hinausgehenden Anforderungen aufgestellt waren und es insoweit allein auf die Vorstellungen der Parteien im Zeitpunkt der Streitverkündung ankam (BGHZ 36, 212, 214; BGH, Urteil vom 21. Februar 2002 - IX ZR 127/00 - NJW 2002, 1414 unter I 1 b, bb (1); Urteil vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 115/77 - NJW 1979, 264 unter II 2 a). Insoweit genügte hier die zu Ende der Klagbegründung geäußerte Erwartung des Klägers, er werde, falls sich der Versicherer (nach Treu und Glauben) nicht auf § 12 Abs. 3 VVG berufen dürfe, sich wegen des Diebstahlsschadens beim Versicherer schadlos halten können.

Nach § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB n.F. bewirkt die Zustellung der Streitverkündung nur noch die Hemmung der Verjährung. Damit sind die Voraussetzungen des Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB gegeben. Wegen § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB n.F. endet die nunmehr seit dem 1. Januar 2002 eingetretene Hemmung der Verjährung des Anspruchs auf Versicherungsleistungen erst sechs Monate nach rechtskräftigem Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits.

Vorinstanz: OLG München, vom 04.12.2002 - Vorinstanzaktenzeichen 3 U 4109/01
Vorinstanz: LG Traunstein, vom 29.05.2001 - Vorinstanzaktenzeichen 6 O 4196/00
Fundstellen
VersR 2006, 533