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BGH - Entscheidung vom 24.07.2006

NotZ 45/05

Normen:
BNotO § 50 Abs. 1 Nr. 6

BGH, Beschluß vom 24.07.2006 - Aktenzeichen NotZ 45/05

DRsp Nr. 2006/23041

Amtsenthebung eines Notars wegen Vermögensverfalls

Vermögensverfall eines Notars setzt voraus, dass der Notar sich ungeordneten, schlechten finanziellen Verhältnissen befindet, die sich in absehbarer Zeit nicht beheben lassen und dass er nicht in der Lage ist, seinen laufenden Verpflichtungen nachzukommen. Er wird unter den Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 Nr. 6 2. Hs. BNotO widerleglich vermutet. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Notars ist somit von Vermögensverfall auszugehen.

Normenkette:

BNotO § 50 Abs. 1 Nr. 6 ;

Gründe:

I. Der 1956 geborene Antragsteller ist seit 1987 als Rechtsanwalt zugelassen. Am 29. Oktober 1993 wurde er zum Notar mit Amtssitz in W. bestellt.

Mit Verfügung vom 2. Juni 2005 hat der Antragsgegner den Antragsteller gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2, § 50 Abs. 1 Nr. 6 und 8 BNotO vorläufig seines Amtes enthoben und ihm gleichzeitig eröffnet, dass er beabsichtige, ihn endgültig seines Amtes zu entheben (§ 50 Abs. 3 Satz 3 Hs. 2 BNotO ). Auf die hiergegen gerichteten Anträge des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung hat das Oberlandesgericht die vorläufige Amtsenthebung aufgehoben, weil der Antragsgegner das ihm durch § 54 Abs. 1 Nr. 2 BNotO eingeräumte Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt habe. Durch den angefochtenen Beschluss hat es demgegenüber festgestellt, dass die Voraussetzungen für die endgültige Amtsenthebung des Antragstellers vorliegen (§ 50 Abs. 3 Satz 3 Hs. 1 BNotO ), da er in Vermögensverfall geraten sei (§ 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO ) und seine wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährdeten (§ 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 1 und 2 BNotO ). Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.

II. Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 111 Abs. 4 BNotO , § 42 Abs. 4 BRAO ), hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Zutreffend hat das Oberlandesgericht festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Amtsenthebung des Antragstellers gegeben sind. Die hiergegen vom Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde erhobenen Einwände greifen nicht durch.

1. Der Antragsteller ist in Vermögensverfall geraten (§ 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO ).

Der Vermögensverfall, der einen insolvenzähnlichen Tatbestand darstellt und im Gegensatz zu den Amtsenthebungsgründen des § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden in sich schließt, setzt über den Eintritt ungeordneter schlechter finanzieller Verhältnisse, die sich in absehbarer Zeit nicht beheben lassen (wirtschaftliche Verhältnisse im Sinne des § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 1 BNotO ), voraus, dass der Notar nicht in der Lage ist, seinen laufenden Verpflichtungen nachzukommen (Senat, Beschlüsse vom 3. November 2003 - NotZ 15/03 = NJW-RR 2004, 710 ; vom 22. März 2004 - NotZ 23/03 = NJW 2004, 2018 ). Er wird unter den Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 Nr. 6 Hs. 2 BNotO widerleglich vermutet (s. dazu Senatsbeschluss vom 22. März 2004 aaO.). Dies ist hier zwischenzeitlich der Fall; denn nach Erlass des angefochtenen Beschlusses hat das Amtsgericht C. am 16. Mai 2006 auf Antrag des Antragstellers das Insolvenzverfahren über dessen Vermögen eröffnet.

Tatsachen, die geeignet wären, die Vermutung zu entkräften, hat der Antragsteller nicht vorgetragen. Demgegenüber wird der Vermögensverfall, den schon das Oberlandesgericht positiv festgestellt hatte, durch das im Verfahren über die Eröffnung der Insolvenz erstattete Gutachten des - zwischenzeitlich zum Insolvenzverwalter bestellten - Rechtsanwalts Dr. S., das dieser auf der Grundlage der Angaben des Antragstellers über dessen Vermögenslage gefertigt hat, bestätigt. Danach ist der Antragsteller mit Verbindlichkeiten von insgesamt 11.191.000 EUR belastet, zu deren Befriedigung das vorhandene Vermögen des Antragstellers und sein Einkommen bei weitem nicht ausreichen. Die grundpfandrechtlich gesicherten Forderungen von weit über 4.000.000 EUR übersteigen die Verkehrswerte der belasteten Immobilien des Antragstellers von insgesamt ca. 1.400.000 EUR so erheblich, dass selbst dann, wenn die Immobilien in den eingeleiteten Zwangsversteigerungsverfahren zum vollen Verkehrswert verwertet werden könnten, Restforderungen von knapp 3.000.000 EUR verblieben. Zu deren Rückführung sowie zur Begleichung der weiteren ungesicherten Gläubigerforderungen stünden allein ein Kassenbestand des Antragstellers von 20.000 EUR, von dem vorab noch die Kosten des Insolvenzverfahrens von voraussichtlich etwa 12.500 EUR abzudecken wären, sowie - unter der Voraussetzung einer Fortführung der selbständigen Tätigkeit des Antragstellers - monatlich allenfalls ca. 1.000 EUR als zur Schuldentilgung einsetzbarer Überschuss aus dem laufenden Einkommen zur Verfügung. Dementsprechend könnte die im Entwurf des Insolvenzplans vorgesehene quotale Einmalzahlung auf die unbesicherten Insolvenzforderungen in Höhe von - lediglich - 1 % nur durch Geldmittel geleistet werden, die dem Antragsteller von dritter Seite bereitgestellt werden sollen. Dass unter diesen Voraussetzungen Aussicht bestehen könnte, in absehbarer Zeit wieder geordnete Vermögensverhältnisse des Antragstellers herbeizuführen, ist daher auch unter Berücksichtigung der im Insolvenzverfahren bestehenden Möglichkeiten (vgl. dazu BVerfG NJW 2005, 3057 , 3058; Senat, Beschluss vom 22. März 2004 - NotZ 23/03 = NJW 2004, 2018 , 2019; BGH - Senat für Anwaltssachen - Beschluss vom 7. Dezember 2004 - AnwZ (B) 40/04 = NJW 2005, 1271 f.) derzeit nicht erkennbar. Der Umstand, dass - nach dem Vortrag des Antragstellers in der mündlichen Verhandlung - von den ca. 20 Insolvenzgläubigern bisher lediglich vier ihre Zustimmung zu dem vorgesehenen Insolvenzplan durch Erteilung entsprechender Vollmachten für die Gläubigerversammlung bekundet haben, ein Gläubiger dagegen seine Zustimmung bereits verweigert hat, begründet nach jetzigem Sachstand vielmehr erhebliche Zweifel an einer erfolgreichen Umsetzung des Insolvenzplanverfahrens.

Soweit der Antragsteller in der Beschwerdeinstanz demgegenüber darauf verweist, der Antragsgegner habe durch die vom Oberlandesgericht wieder aufgehobene vorläufige Amtsenthebung zu einer Verschlechterung seiner - des Antragstellers - Einkommenssituation beigetragen, ist dies schon deswegen für die Beschwerdeentscheidung ohne Belang, weil bereits aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers vor seiner vorläufigen Amtsenthebung die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 Nr. 6 Hs. 1 BNotO gegeben waren. Nicht etwa hat die vorläufige Amtsenthebung dazu geführt, dass dem Antragsteller die aussichtsreiche Möglichkeit vereitelt worden wäre, seine zerrütteten wirtschaftlichen Verhältnisse zu bereinigen.

2. Darüber hinaus hat das Oberlandesgericht auch die Voraussetzungen für eine Amtsenthebung nach § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO zutreffend bejaht.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers kann nach alledem keinen Erfolg haben.

Vorinstanz: SchlHOLG - X (Not) 4/05 - 30.9.2005,