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BSG - Entscheidung vom 14.12.2005

B 6 KA 63/05 B

Normen:
GKV-SolG Art. 15 Abs. 1 S. 1 Art. 15 Abs. 1 S. 2
SGB V § 85 Abs. 4

BSG, Beschluß vom 14.12.2005 - Aktenzeichen B 6 KA 63/05 B

DRsp Nr. 2006/7126

Höchstzulässige Ausgabenvolumina der Gesamtvergütungen in der vertragsärztlichen Versorgung

Durch die in Art. 15 Abs 1 S. 1 und 2 GKV-SolG für das Jahr 1999 vorgegebene separate Festlegung höchstzulässiger Ausgabenvolumina der Gesamtvergütungen für Zahnersatz und Kieferorthopädie einerseits und für alle übrigen vertragszahnärztlichen Leistungen andererseits wird eine hinreichender sachlicher Grund dafür gebildet, im Rahmen der Verteilung dieser getrennten Ausgabenvolumina auf die einzelnen Vertragszahnärzte eine Übertragung nicht ausgeschöpfter Honorarkontingente für Zahnersatz in den Bereich der konservierend-chirurgischen Leistungen nicht zuzulassen. [Nicht amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Normenkette:

GKV-SolG Art. 15 Abs. 1 S. 1 Art. 15 Abs. 1 S. 2 ; SGB V § 85 Abs. 4 ;

Gründe:

I

Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter des Zahnarztes Dr. K. von der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) die Zahlung höheren Honorars für dessen vertragszahnärztliche Tätigkeit im Jahr 1999 in den Bereichen konservierend-chirurgische Leistungen und Kieferbruch. Die Beklagte hatte auf Grund der Regelungen in ihrem Honorarverteilungsmaßstab (HVM) zur Umsetzung der in Art 15 Abs 1 GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz (GKV-SolG vom 19. Dezember 1998, BGBl I 3853) für 1999 angeordneten Begrenzung des Ausgabenvolumens für vertragszahnärztliche Leistungen von den Leistungsanforderungen des Zahnarztes hinsichtlich konservierend-chirurgischer Leistungen und Kieferbruch in jenem Jahr insgesamt 186.325,88 DM vergütet, während 38.045,64 DM wegen Überschreitung des Grenzwertes nicht honoriert wurden (Bescheid vom 17. April 2000, Widerspruchsbescheid vom 14. November 2000).

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteile des Sozialgerichts >SG< Münster vom 14. Juli 2003 und des Landessozialgerichts >LSG< Nordrhein-Westfalen vom 31. August 2005). Nach Auffassung des Berufungsgerichts sind die Verteilungsregelungen im HVM der Beklagten mit praxisbezogenen fallzahlabhängigen Budgets vergleichbar und verstoßen nicht gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass der HVM eine Übertragung von in anderen Gebührentarifen (Zahnersatz, Kieferorthopädie, Parodontose) nicht ausgeschöpften Vergütungskontingenten in den Bereich der konservierend-chirurgischen Leistungen nicht zulasse und dass eine Härtefallregelung fehle.

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG macht der Kläger geltend, es seien Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz >SGG<); er rügt zudem einen Verfahrensmangel (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ).

II

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist überwiegend bereits unzulässig und im Übrigen unbegründet.

Soweit der Kläger vorbringt, es sei eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob Art 15 Abs 1 GKV-SolG eine Rechtfertigung dafür sein könne, dass die Beklagte in ihrem HVM für das Jahr 1999 einen Ausgleich zwischen den Honorarkontingenten für Zahnersatz und Kieferorthopädie einerseits sowie für konservierend-chirurgische Leistungen, Kieferbruch und Parodontosebehandlungen andererseits ausgeschlossen habe, ist die Beschwerde unbegründet. Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, wenn die Beantwortung der Rechtsfrage klar auf der Hand liegt und deshalb die Durchführung eines Revisionsverfahrens nicht erforderlich ist. So verhält es sich hier.

Es steht außer Zweifel, dass die in Art 15 Abs 1 Satz 1 und 2 GKV-SolG für das Jahr 1999 vorgegebene separate Festlegung höchstzulässiger Ausgabenvolumina der Gesamtvergütungen für Zahnersatz und Kieferorthopädie einerseits und für alle übrigen vertragszahnärztlichen Leistungen andererseits einen hinreichenden sachlichen Grund dafür bildet, im Rahmen der Verteilung dieser getrennten Ausgabenvolumina auf die einzelnen Vertragszahnärzte eine Übertragung nicht ausgeschöpfter Honorarkontingente für Zahnersatz in den Bereich der konservierend-chirurgischen Leistungen nicht zuzulassen. Entgegen der Ansicht des Klägers ist es notwendig, die in Art 15 Abs 1 Satz 1 und 2 GKV-SolG vorgenommene Trennung der Leistungsbereiche bei der Bemessung der Gesamtvergütungen - also im Verhältnis zwischen Krankenkassen und KZÄV - in gleicher Weise in der Verteilungs-Rechtsbeziehung zwischen KZÄV und Vertragszahnärzten wirksam werden zu lassen. Die KZÄV kann an ihre Mitglieder nur verteilen, was die Krankenkassen zuvor an Gesamtvergütungen entrichtet haben bzw was diese nach Maßgabe der Gesamtverträge entrichten müssen. Bei einer Vergütung nach Einzelleistungen unter gleichzeitiger Festlegung eines höchstzulässigen Ausgabenvolumens (§ 85 Abs 2 Satz 2 und 7 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch >SGB V<) führt die nicht vollständige Ausschöpfung eines (Teil-)Budgets durch entsprechende Leistungsanforderungen aller Vertragszahnärzte dazu, dass sich die Gesamtvergütungszahlungen der Krankenkassen an die KZÄV auf den für die tatsächlich erbrachten Leistungen erforderlichen Betrag reduzieren, sodass ein noch anderweitig zu verteilender Honorarrest überhaupt nicht entsteht. Einem vom einzelnen Vertragszahnarzt nicht ausgeschöpften (Teil-)Budget steht daher bei Bemessung der Gesamtvergütung nach Einzelleistungen nicht zwingend auch ein entsprechender Betrag an noch verteilbarer Gesamtvergütung gegenüber. Dies wäre nur der Fall, wenn bereits im Gesamtvertrag Möglichkeiten des Ausgleichs von Über- und Unterschreitungen zwischen den einzelnen Budgets zugelassen sind. Ein solcher Ausgleich ist aber durch die Festlegung getrennter Ausgabenvolumina in Art 15 Abs 1 Satz 1 und 2 GKV-SolG ausgeschlossen worden. Deshalb ist es gerechtfertigt, die in Art 15 Abs 1 GKV-SolG für den Bereich der Gesamtvergütung angeordnete Begrenzung der einzelnen Leistungssektoren ohne Ausgleichsmöglichkeit in gleicher Weise bei der Verteilung der Gesamtvergütung an die einzelnen Vertragszahnärzte wirksam werden zu lassen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens ist die Beschwerde bereits unzulässig. Die aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung von Revisionszulassungs-gründen sind nicht erfüllt.

Soweit der Kläger als Frage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft, "ob ein HVM zulässig ist, der Vortragspunktwerte aus früheren Quartalen zulässt, was dazu führen kann, dass die Grenzwertpunktmenge des 4. Quartals überschritten wird", fehlt es an einer Erläuterung der Entscheidungserheblichkeit dieser Frage für den von ihm geltend gemachten Anspruch auf höheres vertragszahnärztliches Honorar für das Jahr 1999. Zu dem in diesem Zusammenhang vom Kläger befürchteten Verstoß gegen die Regelung in § 85 Abs 4 Satz 4 SGB V (idF des GKV-SolG; nunmehr § 85 Abs 4 Satz 5 SGB V idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000) ist bereits im Urteil des SG (Umdruck S 9/10) ausgeführt, dass jedenfalls die Regelung in § 2 Abs 4 Satz 2 der Anlage zum HVM der Beklagten keine Schmälerung der im vierten Quartal zur Verteilung anstehenden Vergütung hervorrief, sondern vielmehr zu Gunsten des Klägers zu einem um 873,98 Euro höheren Honorar führte. Unter diesen Umständen genügt die bloße Behauptung, der Klage sei stattzugeben, wenn die genannte HVM-Regelung mit § 85 Abs 4 Satz 4 SGB V unvereinbar sei, zur Darlegung der Klärungsfähigkeit der bezeichneten Rechtsfrage in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht. Im Übrigen werden nach jener HVM-Regelung in Vorquartalen nicht vergütete Punktmengen - als "Vortragspunktmenge" bezeichnet - nur dann in späteren Zeiträumen in die Honorierung mit einbezogen, wenn und soweit die jeweilige Grenzwertpunktmenge des nachfolgenden Quartals durch die in diesem Quartal erbrachten Leistungen noch nicht ausgeschöpft wurde. Von einer Hinnahme von Überschreitungen in den Vorquartalen zu Lasten einer ausreichenden Vergütung der Leistungen im letzten Quartal eines Jahres kann daher keine Rede sein.

Auch die Darlegungen der Beschwerde zu der weiteren als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Frage, "ob eine Härtefallregelung auch bei anderen Systemen der Honorarverteilung als dem der praxisindividuellen Bemessungsgrenzen erforderlich ist", genügen den gesetzlichen Anforderungen nicht. Sie lassen nicht erkennen, inwiefern diese Frage weiterhin klärungsbedürftig, dh vor allem durch die Aussagen in der bisherigen Rechtsprechung des Senats noch nicht hinreichend einer Klärung zugeführt worden ist. Die Beschwerdebegründung erwähnt lediglich kurz die Senatsentscheidung vom 21. Oktober 1998 ( B 6 KA 66/97 R - Parallelentscheidung zu dem in SozR 3-2500 § 85 Nr 27 veröffentlichten Urteil B 6 KA 65/97 R), ohne sich mit den weiteren zu diesem Themenkreis ergangenen Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) auseinander zu setzen (s BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, jeweils RdNr 53, mwN; BSGE 83, 52 , 61 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 210; BSGE 81, 213 , 222 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 23 S 158; BSG, Urteil vom 9. Dezember 2004 - B 6 KA 84/03 R - Umdruck S 20/21). Der Senat hat in der zuletzt genannten Entscheidung ausgeführt, im Falle des Fehlens einer generalklauselartigen Global-Härteregelung in einem HVM müsse diese nötigenfalls im Wege ergänzender Auslegung in den HVM hineininterpretiert werden. Angesichts dessen ist nicht ersichtlich, inwiefern die Frage, ob ein HVM eine Härtefallregelung enthalten muss, weiterhin klärungsbedürftig oder für einen konkreten Rechtsstreit überhaupt entscheidungserheblich sein könnte.

Schließlich ist auch der gerügte Verfahrensmangel nicht ausreichend dargetan. Der Kläger trägt hierzu vor, das Berufungsgericht habe seine Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG verletzt, indem es seiner Entscheidung ohne eigene Nachforschungen die Darstellung der Beklagten, rund 1.000 Vertragszahnärzte in ihrem Bereich erbrächten Parodontose-Leistungen nicht oder nur gelegentlich, zu Grunde gelegt habe, obwohl er selbst hieran Zweifel angemeldet habe. Dies ist kein hinreichender Vortrag für das Vorliegen eines Verfahrensmangels. Da nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ein Verfahrensmangel auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden kann, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist, hätte insbesondere dargelegt werden müssen, welchen Beweisantrag der Kläger zur Frage des Umfangs der Gruppe der kaum Parodontose-Leistungen abrechnenden Vertragszahnärzte im Berufungsverfahren gestellt und bis zuletzt aufrechterhalten hat (zu den Darlegungsanforderungen einer Rüge der Verletzung von § 103 SGG s BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 ff). Das ist nicht geschehen.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 160a Abs 4 Satz 3 Halbsatz 2 SGG ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 und 4 SGG (in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung).

Vorinstanz: Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen - L 11 KA 123/03 - 31.08.2005,
Vorinstanz: SG Münster, vom 14.07.2003 - Vorinstanzaktenzeichen S 2 KA 143/00