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BGH - Entscheidung vom 16.03.2005

XII ZR 268/01

Normen:
ZPO § 551 Nr. 7

Fundstellen:
MietPrax-AK § 535 BGB Nr. 18

BGH, Urteil vom 16.03.2005 - Aktenzeichen XII ZR 268/01

DRsp Nr. 2005/7777

Zulässigkeit der Bezugnahme auf eine andere Entscheidung

Die Bezugnahme auf eine Entscheidung, die zwischen denselben Parteien am gleichen Tag ergangen ist, stellt keinen Verstoß gegen § 551 Nr. 7 ZPO a.F. dar, wenn zu erkennen ist, welche tatsächlichen Feststellungen und welche rechtlichen Erwägungen für die getroffenen Entscheidung maßgebend waren und wenn auch auf die einzelnen Ansprüche der §§ 145 , 322 ZPO und die einzelnen selbständigen Angriffs- und Verteidigungsmittel eingegangen worden ist.

Normenkette:

ZPO § 551 Nr. 7 ;

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt nach Beendigung des Mietverhältnisses vom Beklagten Nutzungsentschädigung für Geschäftsräume für die Zeit von November 1998 bis April 1999 sowie für Juli und August 1999. Der Beklagte beruft sich auf Minderung und auf Aufrechnung mit Honorarforderungen aus Architektenverträgen.

Der Beklagte mietete mit Vertrag vom 12. Februar 1993 von der Klägerin Räume zum Betrieb eines Architektenbüros in B., R.straße 18. Die Räume wurden vom Beklagten nach Fertigstellung im November 1993 bezogen. Das Mietverhältnis sollte am 31. Dezember des 15. Jahres nach Bezugsfertigkeit vorbehaltlich einer Verlängerungsklausel enden. Als Mietzins wurde im Vertrag eine Nettokaltmiete von 17.000 DM zuzüglich Betriebs- und Heizkostenvorschuß sowie Mehrwertsteuer, insgesamt von 21.850 DM monatlich, vereinbart. Die Kaltmiete sollte jeweils zum 1. Januar eines Jahres an einen bestimmten Lebenshaltungskostenindex angepaßt werden. Nach § 8 des Mietvertrages sollte der Mieter gegen Mietforderungen mit Gegenforderungen aufrechnen können, wenn er seine Absicht dem Vermieter mindestens einen Monat vor Fälligkeit der Miete schriftlich angezeigt hatte.

Am 19. April 1995 vereinbarten die Parteien wegen der Durchführung von Baumaßnahmen auf dem Nachbargrundstück schriftlich eine Minderung der Nettokaltmiete um 10 %. Damit sollten sämtliche Ansprüche des Beklagten wegen der Bauarbeiten abgegolten sein. Die Klägerin verlangte mit Schreiben vom 23. Januar 1997 ab Februar 1997 wieder den vollen Mietzins, weil auf dem Nachbargrundstück keine mietmindernden Arbeiten mehr anfallen würden. Gleichzeitig forderte sie unter Berufung auf die Indexklausel eine Miete von insgesamt 22.763,33 DM monatlich.

Mit Schreiben vom 20. März 1997 räumte die Klägerin dem Beklagten erneut eine Mietminderung um 10 % der Nettokaltmiete wegen der Bauarbeiten ein. Der Beklagte zahlte die Miete bis einschließlich November 1997 vorbehaltlos. Ab Dezember 1997 zahlte er keine Miete mehr.

Die Klägerin hatte den Beklagten im September 1994 beauftragt, für ihr Bauvorhaben R./B.straße in B. zumindest eine Baugenehmigung herbeizuführen. Der Beklagte übersandte der Klägerin hierüber eine "Honorar-Teilrechnung" vom 21. November 1997 über 230.983,25 DM. Unter dem 12. März 1998 erstellte der Beklagte über das genannte Bauvorhaben nach Kündigung des Architektenvertrags eine Schlußrechnung in Höhe von insgesamt 331.640,10 DM. Er erstellte eine weitere Schlußrechnung zum 22. Oktober 1998 über 418.965,50 DM, die er unter dem 7. März 2001 überarbeitete, wobei er zu einem Rechnungsbetrag von 396.167,50 DM gelangte. Die Klägerin hatte außerdem Frau E., die Ehefrau des Beklagten, mit Architektenarbeiten am Bauvorhaben der Klägerin R.straße 18 beauftragt. Frau E. erstellte hierüber unter dem 21. November 1998 zwei Schlußrechnungen in Höhe von 60.834,29 DM und 158.982,33 DM.

Mit Schreiben seines anwaltlichen Vertreters vom 25. November 1997 kündigte der Beklagte gegenüber der Klägerin an, gegen die ab Januar 1998 fälligen Mieten mit seiner Honorarforderung aufzurechnen. Mit Schreiben vom 30. März 1998 rügte der Beklagte zahlreiche angebliche Mängel der Mietsache, die bereits seit fünf Jahren bestünden. Gleichzeitig kündigte er an, daß er, wenn die Mängel nicht beseitigt würden, die Miete um 40 % mindern werde. Am 26. August 1998 erklärte der Beklagte schriftlich die Aufrechnung mit seinen Honorarforderungen aus der Schlußrechnung vom 12. März 1998 gegen zukünftig fällig werdende Mieten. Mit Schreiben vom 29. September 1998 kündigte die Klägerin dem Beklagten wegen Zahlungsverzugs fristlos und widersprach der Fortsetzung des Mietverhältnisses. Mit Schreiben seines anwaltlichen Vertreters vom 30. September 1998 widersprach der Beklagte der Kündigung und erklärte, daß gegen die rückständigen Mietzinsansprüche bereits vor geraumer Zeit die Aufrechnung erklärt worden sei, die wiederholt werde. Aufgerechnet werde mit fälligen Honoraransprüchen des Beklagten für das Bauvorhaben R./B.straße, hilfsweise mit abgetretenen Honoraransprüchen aus dem Bauvorhaben R.straße 18. Der Beklagte erklärte erneut die Aufrechnung im Schriftsatz vom 23. Oktober 1998. Er kündigte seinerseits das Mietverhältnis mit Schreiben vom 29. Oktober 1998 fristlos, hilfsweise zum 31. März 1999. Am 31. August 1999 hat der Beklagte die Räume an die Klägerin herausgegeben.

Die Klägerin hat vom Beklagten vor dem Landgericht im Urkundsprozeß die Zahlung von 160.062,50 DM an Nutzungsentschädigung und Nebenkostenvorauszahlungen für November 1998 bis April 1999 sowie Juli und August 1999 nebst Zinsen verlangt. Das Landgericht hat die Klage als im Urkundsprozeß unstatthaft abgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. In der Berufungsinstanz hat sie hinsichtlich der geltend gemachten Nebenkostenvorauszahlungen die Klage zum Teil zurückgenommen, zum Teil haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt. Das Kammergericht hat den Beklagten durch Anerkenntnis- und Vorbehaltsurteil vom 12. März 2001 unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils verurteilt, an die Klägerin 145.349,06 DM zu zahlen. Im Nachverfahren hat sich der Beklagte darauf berufen, daß der Mietzins wegen Mängeln um 40 % gemindert sei und die Klageforderung jedenfalls durch Aufrechnung mit seiner Honorarforderung aus dem Bauvorhaben R./B.straße sowie der ihm abgetretenen Honorarforderungen aus dem Bauvorhaben R.straße 18 erloschen sei. Das Kammergericht hat durch Vorbehalts- und Schlußurteil vom 24. September 2001 das Anerkenntnis-Vorbehaltsurteil vom 12. März 2001 für vorbehaltlos erklärt und diese Entscheidung gemäß § 302 ZPO unter den Vorbehalt der Aufrechnung des Beklagten mit Ansprüchen aus der Honorarschlußrechnung in der überarbeiteten Fassung vom 7. März 2001 (Objekt R./B.straße) und mit Ansprüchen aus abgetretenem Recht aus den Honorarschlußrechnungen vom 21. November 1998 (Objekt R.straße 18) gestellt. Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat angenommene Revision des Beklagten, mit der er die Abweisung der Klage zu erreichen sucht.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Beklagten führt zur Aufhebung des Vorbehalts- und Schlußurteils vom 24. September 2001 und zur Zurückverweisung der Sache an das Kammergericht.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Anspruch der Klägerin auf Nutzungsentschädigung bestehe für die geltend gemachte Zeit von November 1998 (anteilig) bis April 1999 sowie Juli und August 1999 unter Berücksichtigung der zugestandenen Minderung von 10 % der Kaltmiete in insoweit unbestrittener Höhe von 145.349,06 DM. Es könne dahinstehen, ob die Kündigung der Klägerin oder die des Beklagten das Mietverhältnis beendet habe. Denn der Beklagte schulde, solange er die Räume der Klägerin vorenthalten habe, gemäß § 557 BGB a.F. die Zahlung einer Nutzungsentschädigung mindestens in Höhe des Mietzinses. Der Mietzins bzw. die Nutzungsentschädigung seien über die zugestandenen 10 % hinaus nicht gemäß § 537 BGB a.F. infolge - auch nach der Kündigung fortbestehender - Mängel gemindert. Insoweit werde auf die Ausführungen des gleichzeitig verkündeten Urteils im Parallelverfahren 8 U 6709/99 verwiesen. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht in bezug auf die behaupteten Lärmbelästigungen durch die Abrißarbeiten auf dem Nachbargrundstück. Auch im vorliegenden Fall ließen sich die behaupteten Beeinträchtigungen nicht einem bestimmten Zeitraum zuordnen. Es fehle die Grundlage für eine Schätzung gemäß § 287 ZPO , die eine höhere Minderung als 10 % rechtfertigen könnte. Die Forderung der Klägerin sei auch nicht durch Aufrechnungserklärungen vom 25. November 1997 und 26. August 1998 erloschen. Insoweit werde ebenfalls auf die Ausführungen des Urteils im Parallelverfahren Bezug genommen. Dasselbe gelte hinsichtlich der Aufrechnungserklärung gemäß Schriftsatz vom 25. Oktober 1998 (richtig: 23. Oktober 1998) mit der Forderung gemäß Rechnung vom 22. Oktober 1998 in ihrer ursprünglichen Fassung. Lediglich in bezug auf die Aufrechnung mit den Forderungen aus der Rechnung in der überarbeiteten Fassung vom 7. März 2001 (Objekt R./B.straße) sowie hinsichtlich der Aufrechnung aus abgetretenem Recht mit den Honoraransprüchen aus den Schlußrechnungen vom 21. November 1998 (Objekt R.straße 18) seien dem Beklagten die Geltendmachung seiner Rechte gemäß § 302 Abs. 1 ZPO vorzubehalten, da der Rechtsstreit insoweit, wie im Parallelverfahren ausgeführt, noch nicht entscheidungsreif sei. Dabei sei die Rechnung des Beklagten vom 7. März 2001 als eigenständige Rechnung anzusehen, da die früheren Rechnungen des Beklagten nicht zur Fälligkeit des Honoraranspruchs hätten führen können.

II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht in allen Punkten stand.

1. Zu Unrecht rügt allerdings die Revision, daß das Urteil nicht mit Gründen versehen sei, soweit es eine Minderung des Mietzinses wegen anderer Mängel als des Baulärms über die zugestandenen 10 % hinaus verneint (§ 551 Nr. 7 ZPO a.F.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 8. November 1990 - I ZR 49/89 - NJW-RR 1991, 830 ) stellt die Bezugnahme auf eine Entscheidung, die - wie hier - zwischen denselben Parteien am gleichen Tag ergangen ist, keinen Verstoß gegen § 551 Nr. 7 ZPO a.F. dar, wenn sie sich nach ihrer Art und ihrem Inhalt im Bereich der von der Rechtsprechung gezogenen Grenzen bewegt. Das ist dann der Fall, wenn zu erkennen ist, welche tatsächlichen Feststellungen und welche rechtlichen Erwägungen für die getroffenen Entscheidung maßgebend waren und wenn auch auf die einzelnen Ansprüche der §§ 145 , 322 ZPO und die einzelnen selbständigen Angriffs- und Verteidigungsmittel eingegangen worden ist.

Diesen Anforderungen genügt das Berufungsurteil. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe keine Feststellungen über die weiteren Mängel der Mietsache (Dachundichtigkeit, nicht zu öffnende Fenster u.a.) getroffen, obwohl diese auch im vorliegenden Rechtsstreit als Minderungsgründe ausdrücklich von dem Beklagten geltend gemacht worden seien, hat keinen Erfolg. Denn das Berufungsgericht hat wegen sämtlicher geltend gemachter Mängel, die im Urteil nicht selbständig abgehandelt sind, auf die Gründe des im Parallelverfahren ergangenen Berufungsurteils Bezug genommen, so daß die dortigen tatsächlichen Feststellungen wie auch die rechtlichen Ausführungen für den vorliegenden Rechtsstreit gelten. Das Berufungsgericht brauchte daher im vorliegenden Rechtsstreit auch nicht seine zutreffende Ansicht (vgl. hierzu das Senatsurteil vom heutigen Tag im Rechtsstreit der Parteien zum Aktenzeichen XII ZR 269/01) ausdrücklich zu wiederholen, wonach der Beklagte in analoger Anwendung des § 539 BGB a.F. sein Minderungsrecht verloren hatte.

2. Zu Recht ist das Kammergericht weiterhin davon ausgegangen, daß der Beklagte den Umfang der behaupteten Beeinträchtigung seines Mietgebrauchs, die von der Bautätigkeit auf dem Nachbargrundstück im Zeitraum vom November 1998 bis August 1999 ausgingen, nicht substantiiert dargelegt hat. Der Senat hat die hiergegen erhobene Verfahrensrüge des Beklagten geprüft und als nicht durchgreifend erachtet (§ 565 a ZPO a.F.).

3. Verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden ist weiterhin, daß das Berufungsgericht auf das Parallelverfahren verwiesen hat, soweit es meint, der Beklagte habe gegen die Klageforderung nicht wirksam aufgerechnet. Allerdings tragen die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht seine Auffassung, dem Beklagten habe jedenfalls vor der Erstellung seiner korrigierten Honorar-Schlußrechnung vom 7. März 2001 aus dem Bauvorhaben R./B.straße kein fälliger Gegenanspruch zugestanden. Insoweit wird wegen der Einzelheiten auf die Ausführungen des Senats im Urteil vom heutigen Tag im Rechtsstreit der Parteien zum Aktenzeichen XII ZR 269/01 Bezug genommen.

4. Auch das vorliegende Urteil läßt sich nicht mit der Erwägung aufrechterhalten, der Beklagte habe gegen die streitgegenständlichen Mietforderungen die Aufrechnung überhaupt nicht erklärt. Insoweit rügt die Revision zu Recht, daß das Berufungsgericht selbst davon ausgegangen ist, der Beklagte habe im Schreiben vom 26. August 1998 mit seinen Honorarforderungen die Aufrechnung gegen erst später fällig werdende Mietzinsforderungen der Klägerin erklärt. Außerdem hat der Beklagte, worauf die Revision mit Recht hinweist, im vorliegenden Verfahren mit Schriftsatz vom 20. Oktober 1999 ausdrücklich die Aufrechnung mit seiner Honorarforderung gegen die Klageforderungen erklärt.

5. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die notwendigen Feststellungen zur Fälligkeit und Begründetheit der behaupteten Gegenansprüche des Beklagten trifft.

Vorinstanz: KG, vom 24.09.2001
Fundstellen
MietPrax-AK § 535 BGB Nr. 18