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BGH - Entscheidung vom 14.03.2005

NotZ 2/05

Normen:
VONot § 39 Abs. 7
BNotO § 113 § 113a

BGH, Beschluß vom 14.03.2005 - Aktenzeichen NotZ 2/05

DRsp Nr. 2005/5889

Verfassungsmäßigkeit der Erhebung von Abgaben von Notaren

1. Die Ermächtigung einer Ländernotarkasse zur Erhebung von Abgaben in § 39 Abs. 7 VONot ist ebenso wie diejenige in § 113 , § 113a BNotO 1998 mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar, da die Regelungen nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips an die Delegation von Normsetzung an die Träger funktionaler Selbstverwaltung genügen.2. Die Verfassungswidrigkeit der Regelung hat jedoch nicht die Nichtigkeit die des auf ihr beruhenden Satzungsrechts zur Folge. Der Gesetzgeber hat bis zum Ende des Jahres 2006 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen. Bis dahin ergangene und noch ergehende Abgabenbescheide haben Bestand.

Normenkette:

VONot § 39 Abs. 7 ; BNotO § 113 § 113a ;

Gründe:

I. Die Antragsgegnerin, die Ländernotarkasse, zieht die Notare ihres Tätigkeitsbereichs zu Abgaben heran.

Der Antragsteller - Notar im Tätigkeitsbereich der Antragsgegnerin - ersuchte diese mit Schreiben vom 5. Mai 1994, bestimmte Abgaben zu stunden. Die Gebühren, von denen diese Abgaben zu entrichten seien, hätten bislang nicht beigetrieben werden können. Die Antragsgegnerin lehnte die Stundung mit Bescheid vom 19. Juli 1994 ab.

Durch weiteren Bescheid vom 12. August 1994 setzte die Antragsgegnerin gegen den Antragsteller Abgaben für das Abgabenjahr 1993 (1. Oktober 1992 bis 30. September 1993) in Höhe von 126.586 DM und für die Zeit von Oktober 1993 bis Mai 1994 in Höhe von 262.690 DM fest.

Der Antragsteller hat gegen die vorgenannten Bescheide der Antragsgegnerin gerichtliche Entscheidung beantragt. Er begehrt nach Erledigung seines Stundungsersuchens festzustellen, daß die Antragsgegnerin verpflichtet gewesen sei, seinem Antrag auf Stundung vom 5. Mai 1994 insoweit stattzugeben, als bei der Abgabenerhebung Beträge berücksichtigt worden seien, die er noch nicht eingenommen habe. Ferner hat er beantragt, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. August 1994 aufzuheben. Der Bescheid beruhe auf einer Abgabensatzung, für die eine wirksame - verfassungsgemäße - Ermächtigungsgrundlage fehle.

Das Oberlandesgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.

Der Senat hatte auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Die Antragsgegnerin hat das Verfahren mit Schriftsatz vom 3. Januar 2005, nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die von dem Antragsteller und anderen in den Parallelverfahren erhobenen Verfassungsbeschwerden (Beschluß vom 13. Juli 2004 - 1 BvR 1298/94, 1299/94, 1332/95, 613/97 - DNotZ 2004, 942 m. Anm. Hepp) aufgenommen.

Mit Schriftsatz vom 7. März 2005 beantragt der Antragsteller über die Aufhebung der angefochtenen Bescheide hinaus Rückerstattung aller darin festgesetzten (und bezahlten) Beträge.

II. Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Der - auch hinsichtlich der begehrten Feststellung zulässige (vgl. Senatsbeschluß vom 31. März 2003 - NotZ 31/02 - NJW 2003, 2905) - Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Antragsgegnerin waren rechtmäßig und verletzten den Antragsteller daher nicht in seinen Rechten (§ 25 Abs. 1 Satz 2 VONot), so daß auch hierauf geleistete Zahlungen nicht zurückzuerstatten sind.

1. Die Antragsgegnerin hat für die Bemessung der Abgaben zu Recht auf die im Abrechnungszeitraum im Kostenregister zum Soll gestellten Gebühren abgestellt. So sieht es § 3 Abs. 3 der Abgabensatzung für das Rechnungsjahr 1994 der Antragsgegnerin vor. Die Antragsgegnerin hat hierdurch auch nicht ihr Satzungsermessen überschritten. Zwar kann die Abgabenberechnung auf der Grundlage der zum Soll gestellten Gebühren - ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Rechnungsstellung oder den tatsächlichen Eingang der Gebührenzahlung - für den abgabepflichtigen Notar Härten mit sich bringen. Diese werden aber in einer dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gerecht werdenden Weise gemindert durch die Aufschiebung des Fälligkeitszeitpunkts der Abgabe, durch die Möglichkeit der Stundung - deren satzungsmäßige Voraussetzungen im Fall des Antragstellers allerdings nicht vorliegen (vgl. hierzu auch Senatsbeschluß vom 10. März 1997 - NotZ 4/96 - DtZ 1997, 359, 360 ff.) - und durch die Absetzbarkeit der uneinbringlichen Gebühren (vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 126, 16 , 38 und vom 22. November 2004 - NotZ 24/04 Umdruck S. 4 f.).

2. Die angefochtenen Bescheide entbehren auch nicht einer rechtlichen Grundlage.

Zwar ist die Ermächtigung der Antragsgegnerin zur Erhebung von Abgaben in § 39 Abs. 7 VONot - ebenso wie diejenige in § 113 Abschn. I BNotO 1981 und in den §§ 113 , 113a BNotO 1998 - mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar. Die Regelungen genügen nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips an die Delegation von Normsetzung an die Träger funktionaler Selbstverwaltung - hier an die Antragsgegnerin - (vgl. BVerfG, Beschluß vom 13. Juli 2004 - 1 BvR 1298/94, 1299/94, 1332/95, 613/97 DNotZ 2004, 942, 946 ff.). Die Verfassungswidrigkeit der alten wie der neuen Regelung hat jedoch nicht ihre Nichtigkeit und die des auf ihnen beruhenden Satzungsrechts zur Folge. Die verfassungswidrigen Vorschriften sind ausnahmsweise weiter anzuwenden; die mit den Verfassungsbeschwerden angegriffenen Abgabenbescheide und die sie bestätigenden gerichtlichen Entscheidungen haben Bestand (vgl. BVerfG aaO. S. 951 f.). Der Gesetzgeber hat allerdings bis zum Ende des Jahres 2006 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen.

Der Ansicht des Antragstellers, trotz dieser Entscheidung seien nicht bestandskräftige Abgabenbescheide rechtswidrig und daher aufzuheben, weil deren Aufhebung im konkreten Fall keine größeren finanziellen Auswirkungen auf den Haushalt der Antragsgegnerin hätte, kann nicht gefolgt werden. Die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, daß die auf den zu beanstandenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen beruhenden Satzungsbestimungen weiter anzuwenden sind, schließt eine Differenzierung zwischen Abgabenbescheiden, die in der Vergangenheit erlassen worden sind, und solchen, die künftig noch erlassen werden, ebenso aus wie eine unterschiedliche Behandlung bestandskräftiger und angefochtener Abgabenbescheide nach Maßgabe des § 79 Abs. 2 BVerfGG , ohne daß es hierbei auf die finanziellen Auswirkungen im Einzelfall ankommen kann.

Im Streitfall ist dementsprechend davon auszugehen, daß die angefochtenen Bescheide der Antragsgegnerin eine hinreichende rechtliche Grundlage haben. Sie können sich auf die Abgabensatzung der Antragsgegnerin stützen.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers besteht über die von dem Bundesverfassungsgericht (aaO.) entschiedene Verfassungswidrigkeit der §§ 39 VONot, § 113a BNotO 1998 hinaus kein Grund, die Rechtmäßigkeit der Abgabenbescheide in Frage zu stellen. Das Bundesverfassungsgericht hat sonst keine Beanstandungen erhoben. Eine nochmalige Aussetzung des Verfahrens, wie von dem Antragsteller angeregt, ist nicht geboten.

Hinweise:

vgl auch BVerfG - 1 BvR 1298/94; 1 BvR 1299/94, 1 BvR 1332/95; 1 BvR 613/97 - 13.07.2004 -

Vorinstanz: OLG Dresden, vom 30.04.1996 - Vorinstanzaktenzeichen DSNot 24/04