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BGH - Entscheidung vom 14.03.2005

NotZ 3/05

Normen:
VONot § 39 Abs. 7
BNotO § 113 § 113a

BGH, Beschluß vom 14.03.2005 - Aktenzeichen NotZ 3/05

DRsp Nr. 2005/5720

Verfassungsmäßigkeit der Erhebung von Abgaben von Notaren

1. Die Ermächtigung einer Ländernotarkasse zur Erhebung von Abgaben in § 39 Abs. 7 VONot ist ebenso wie diejenige in § 113 , § 113a BNotO 1998 mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar, da die Regelungen nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips an die Delegation von Normsetzung an die Träger funktionaler Selbstverwaltung genügen.2. Die Verfassungswidrigkeit der Regelung hat jedoch nicht die Nichtigkeit die des auf ihr beruhenden Satzungsrechts zur Folge. Der Gesetzgeber hat bis zum Ende des Jahres 2006 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen. Bis dahin ergangene und noch ergehende Abgabenbescheide haben Bestand.

Normenkette:

VONot § 39 Abs. 7 ; BNotO § 113 § 113a ;

Gründe:

I. Der Antragsteller ist Notar im Tätigkeitsbereich der Ländernotarkasse, der Antragsgegnerin. Für das Rechnungsjahr 1994 hat die Antragsgegnerin von dem Antragsteller Abgaben in Höhe von 363.443 DM erhoben. Da das Rechnungsjahr mit einem Überschuß schloß, trat die Antragsgegnerin in das Rückvergütungsverfahren nach § 10 der Abgabensatzung für das Rechnungsjahr 1994 ein. Auf der Grundlage einer sogenannten Rückvergütungsstaffel (§ 10 Abs. 4 der Abgabensatzung) berechnete sie die von den Notaren für das Abgabenjahr 1994 zu entrichtenden Abgaben neu und kehrte die Guthaben aus. Mit Bescheid vom 13. Juli 1995 rechnete die Antragsgegnerin das Haushaltsjahr 1994 gegenüber dem Antragsteller ab. Sie setzte dabei in Höhe von 11.927,96 DM Säumniszuschläge (§ 8 der Abgabensatzung) wegen nicht bei Fälligkeit (§ 7 Abs. 1 Satz 1 der Abgabensatzung) geleisteter Abgaben fest.

Die Abrechnung ergab - unter Berücksichtigung der Säumniszuschläge - ein Guthaben zugunsten des Antragstellers in Höhe von 189.106,04 DM (= 363.443 DM [Höhe der aufgrund der bisherigen Abgabenstaffel zu entrichtenden Abgaben] - 162.409 DM [Höhe der Abgaben nach Anwendung der Rückvergütungsstaffel] - 11.927,96 DM [Säumniszuschläge]).

Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller gerichtliche Entscheidung beantragt. Er begehrt, die Jahresabrechnung für das Haushaltsjahr 1994 vom 13. Juli 1995 aufzuheben. Der Bescheid beruhe auf einer Abgabensatzung, für die eine wirksame - verfassungsgemäße - Ermächtigungsgrundlage fehle. Jedenfalls seien die Säumniszuschläge zu erstatten, soweit sie an ihn zurückgezahlte Abgaben beträfen.

Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.

Der Senat hatte auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Die Antragsgegnerin hat das Verfahren mit Schriftsatz vom 3. Januar 2005, nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die von dem Antragsteller und anderen in den Parallelverfahren erhobenen Verfassungsbeschwerden (Beschluß vom 13. Juli 2004 - 1 BvR 1298/94, 1299/94, 1332/95, 613/97 - DNotZ 2004, 942 m. Anm. Hepp), aufgenommen.

Mit Schriftsatz vom 7. März 2005 begehrt der Antragsteller über die Aufhebung des angefochtenen Abgabenbescheids hinaus Rückerstattung aller darin festgesetzten (und bezahlten) Beträge.

II. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin war rechtmäßig und verletzte den Antragsteller daher nicht in seinen Rechten (§ 25 Abs. 1 Satz 2 VONot), so daß hierauf geleistete Zahlungen auch nicht zurückzuerstatten sind.

1. Der Bescheid vom 13. Juli 1995 entbehrt nicht einer rechtlichen Grundlage.

Zwar ist die Ermächtigung der Antragsgegnerin zur Erhebung von Abgaben in § 39 Abs. 7 VONot - ebenso wie diejenige in § 113 Abschn. I BNotO 1981 und in den §§ 113 , 113a BNotO 1998 - mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar. Die Regelungen genügen nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips an die Delegation von Normsetzung an die Träger funktionaler Selbstverwaltung - hier an die Antragsgegnerin - (vgl. BVerfG, Beschluß vom 13. Juli 2004 - 1 BvR 1298/94, 1299/94, 1332/95, 613/97 DNotZ 2004, 942, 946 ff.). Die Verfassungswidrigkeit der alten wie der neuen Regelung hat jedoch nicht ihre Nichtigkeit und die des auf ihnen beruhenden Satzungsrechts zur Folge. Die verfassungswidrigen Vorschriften sind ausnahmsweise weiter anzuwenden; die mit den Verfassungsbeschwerden angegriffenen Abgabenbescheide und die sie bestätigenden gerichtlichen Entscheidungen haben Bestand (vgl. BVerfG aaO. S. 951 f.). Der Gesetzgeber hat allerdings bis zum Ende des Jahres 2006 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen.

Der Ansicht des Antragstellers, trotz dieser Entscheidung seien nicht bestandskräftige Abgabenbescheide rechtswidrig und daher aufzuheben, weil deren Aufhebung im konkreten Fall keine größeren finanziellen Auswirkungen auf den Haushalt der Antragsgegnerin hätte, kann nicht gefolgt werden. Die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, daß die auf den zu beanstandenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen beruhenden Satzungsbestimungen weiter anzuwenden sind, schließt eine Differenzierung zwischen Abgabenbescheiden, die in der Vergangenheit erlassen worden sind, und solchen, die künftig noch erlassen werden, ebenso aus wie eine unterschiedliche Behandlung bestandskräftiger und angefochtener Abgabenbescheide nach Maßgabe des § 79 Abs. 2 BVerfGG , ohne daß es hierbei auf die finanziellen Auswirkungen im Einzelfall ankommen kann.

Im Streitfall ist dementsprechend davon auszugehen, daß der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin eine hinreichende rechtliche Grundlage hat. Er wird von der Abgabensatzung der Antragsgegnerin getragen.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers besteht über die von dem Bundesverfassungsgericht (aaO.) entschiedene Verfassungswidrigkeit der §§ 39 VONot, § 113a BNotO 1998 hinaus kein Grund, die Rechtmäßigkeit der Abgabensatzung in Frage zu stellen. Das Bundesverfassungsgericht hat sonst keine Beanstandungen erhoben. Eine nochmalige Aussetzung des Verfahrens, wie von dem Antragsteller angeregt, ist nicht geboten.

2. Die Antragsgegnerin war berechtigt, die Säumniszuschläge von dem sich nach Anwendung der Rückvergütungsstaffel ergebenden Guthaben des Antragstellers einzubehalten. Die - der Höhe nach nicht streitigen - Säumniszuschläge waren gemäß § 8 Abs. 1 der Abgabensatzung für das Rechnungsjahr 1994 verwirkt, weil der Antragsteller Abgaben nicht rechtzeitig entrichtet hatte. Nach § 10 dieser Abgabensatzung werden bei der Bemessung der Rückvergütungsstaffel (§ 10 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 der Abgabensatzung) auch die von den Notaren entrichteten Säumniszuschläge berücksichtigt; eine unmittelbare Rückerstattung an den einzelnen Notar findet hingegen nicht statt. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen in dem angegriffenen Beschluß des Oberlandesgerichts Bezug genommen werden.

Vorinstanz: OLG Dresden, vom 09.08.1996 - Vorinstanzaktenzeichen DSNot 13/06