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BGH - Entscheidung vom 16.06.2005

IX ZB 264/03

Normen:
InsO § 21 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 Alt. 2 § 22 Abs. 2 § 63
InsVV § 3 § 10 § 11

Fundstellen:
BB 2005, 1760
BGHReport 2005, 1422
DB 2005, 2297
DZWIR 2005, 514
InVo 2005, 482
MDR 2005, 1435
NZI 2005, 627
Rpfleger 2005, 624
WM 2005, 1760
ZIP 2005, 1372
ZIV 2005, 441
ZInsO 2005, 804

BGH, Beschluß vom 16.06.2005 - Aktenzeichen IX ZB 264/03

DRsp Nr. 2005/11351

Umfang der vergütungspflichtigen Tätigkeiten des vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters

»a) Der vorläufige schwache Insolvenzverwalter, der vor Bekanntwerden des Urteils des Senats vom 18. Juli 2002 (BGHZ 151, 353 ) bestellt wurde, konnte und durfte auf die Wirksamkeit seiner pauschalen und umfassenden Ermächtigung, die damals allgemein üblich und verbreitet war, vertrauen (Fortführung von BGHZ 151, 353 , 367). b) Wurde der vorläufige Insolvenzverwalter im Rahmen einer ihm wirksam übertragenen pauschalen und umfassenden Ermächtigung tätig, ist er für diese Tätigkeit angemessen zu vergüten. Von der Vergütungspflicht sind nur solche Tätigkeiten nicht erfaßt, die von den ihm übertragenen Aufgaben und Befugnissen ausdrücklich ausgenommen oder die insolvenzzweckwidrig sind. c) Das Verbot der Schlechterstellung bezieht sich bei der Vergütung des vorläufigen (oder endgültigen) Insolvenzverwalters auf die Gesamthöhe der zuzuerkennenden Vergütung.«

Normenkette:

InsO § 21 Abs. 2 Nr. 1 , Nr. 2 Alt. 2 § 22 Abs. 2 § 63 ; InsVV § 3 § 10 § 11 ;

Gründe:

I. Der weitere Beteiligte wurde durch Beschluß des Insolvenzgerichts vom 2. Oktober 2000 zum vorläufigen Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin bestellt (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO ). Es wurde angeordnet, daß Verfügungen der Schuldnerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 InsO ). Außerdem wurde angeordnet:

"Der vorläufige Insolvenzverwalter ist nicht allgemeiner Vertreter der Schuldnerin. Er hat die Aufgabe, durch Überwachung der Schuldnerin deren Vermögen zu sichern und zu erhalten. Er wird ermächtigt, mit rechtlicher Wirkung für die Schuldnerin zu handeln, ist jedoch, unbeschadet der Wirksamkeit der Handlung, verpflichtet, diese Befugnis nur wahrzunehmen, soweit es zur Erfüllung seiner Aufgabe schon vor der Verfahrenseröffnung dringend erforderlich ist."

Die Tätigkeit des weiteren Beteiligten als vorläufiger Insolvenzverwalter endete mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluß vom 14. November 2000. Er beantragte für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter eine Vergütung in Höhe von 15.131,43 EUR. Ausgehend von einem Regelsatz von 20.084,55 EUR beantragte er einen Erschwerniszuschlag von 75 % (zusammen 35.840,97 EUR). Im Hinblick auf den Zustimmungsvorbehalt begehrt er hiervon einen Bruchteil von 35 % zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer.

Das Amtsgericht hat die Vergütung auf insgesamt 9.011,43 EUR festgesetzt. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der vorläufige Insolvenzverwalter sein Festsetzungsbegehren in vollem Umfang weiter.

II. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 7 InsO , § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und zulässig, § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO . Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Amtsgericht und Beschwerdegericht haben die beantragten Zuschläge versagt, weil dem Beschwerdeführer die Aufgaben, für deren Erledigung er die Zuschläge begehrt, nicht übertragen gewesen seien. Dies betreffe die Fortführung des Geschäftsbetriebes und seine Beordnung. Dasselbe gelte für die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes, die Abrechnung der Lohnverbindlichkeiten, die Abstimmung der Betriebsfortführungen sowie die Übertragung des Geschäftsbetriebes im Rahmen einer übertragenden Sanierung. Andererseits haben sie den Bruchteil des Vergütungssatzes auf 35 % des Regelsatzes festgelegt.

Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

1. Die Aufgabenbestimmung und Befugniszuweisung an den vorläufigen Insolvenzverwalter im Beschluß vom 2. Oktober 2000 war zwar unzulässig, aber - noch - wirksam.

a) Die pauschale gerichtliche Ermächtigung des vorläufigen Insolvenzverwalters, mit rechtlicher Wirkung für den Schuldner zu handeln, ist unzulässig. Der vorläufige schwache Insolvenzverwalter darf, wenn zugleich ein allgemeiner Zustimmungsvorbehalt (§ 22 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 InsO ) erlassen ist, zugleich dazu ermächtigt werden, über bestimmte Gegenstände des Schuldnervermögens zu verfügen. Er kann - ohne begleitendes allgemeines Verfügungsverbot - auch dazu ermächtigt werden, einzelne im voraus genau festgelegte Verpflichtungen zu Lasten der späteren Insolvenzmasse einzugehen, soweit dies für eine erfolgreiche Verwaltung nötig ist. Müssen dazu nur einzelne Masseverbindlichkeiten von begrenztem Umfang begründet werden, ist deswegen nicht ohne weiteres der Erlaß eines allgemeinen Verfügungsverbotes nach § 22 Abs. 1 InsO erforderlich. Das Insolvenzgericht darf nach § 22 Abs. 2 InsO die Pflichten und Befugnisse des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters grundsätzlich bis hin zur Grenze des mit einem begleitenden Verfügungsverbot bestellten starken vorläufigen Verwalters (§ 22 Abs. 1 InsO ) ausdehnen. Es darf die Befugnisse jedoch nicht - wie hier geschehen - in das Ermessen des schwachen Insolvenzverwalters stellen. Vielmehr hat das Gericht selbst die einzelnen Maßnahmen bestimmt zu bezeichnen, zu denen der vorläufige Verwalter berechtigt und verpflichtet sein soll (BGHZ 151, 353 , 365 f.).

b) Der Beschwerdeführer durfte sich indes auf die Wirksamkeit der am 2. Oktober 2000 getroffenen Anordnung verlassen. Die pauschale, umfassende Ermächtigung war wirksam, weil der Bundesgerichtshof insoweit die Rechtslage erst im Urteil vom 18. Juli 2002 geklärt hat (BGHZ 151, 353 , 367; BGH, Beschl. v. 17. Februar 2004 - IX ZR 135/03, ZIP 2004, 766, 767).

2. Folglich ist für die Vergütung die Auslegung des wirksamen Beschlusses vom 2. Oktober 2000 maßgebend. Hierbei ist entscheidend, daß seinerzeit Beschlüsse in dieser Form allgemein üblich und verbreitet waren. Sie hatten das Ziel, dem schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter die Rechte und Pflichten eines starken vorläufigen Insolvenzverwalter zu übertragen, ohne dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot aufzuerlegen (vgl. BGHZ 151, 353 , 363 f.). Im Hinblick auf diese allgemeine Handhabung konnte und durfte der Beschwerdeführer davon ausgehen, daß er umfassend ermächtigt war. Dann ist er auch entsprechend zu vergüten. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats muß die Vergütung sowohl des Insolvenzverwalters als auch des vorläufigen Insolvenzverwalters für die ihm übertragenen und von ihm erledigten Aufgaben angemessen sein (BGHZ 146, 165, 174; 157, 282, 286).

Von der Vergütungspflicht sind demnach nur solche Tätigkeiten des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht erfaßt, die von den ihm übertragenen Aufgaben und Befugnissen ausdrücklich ausgenommen oder die insolvenzzweckwidrig sind.

3. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es im Ausgangspunkt angemessen, dem vorläufigen Insolvenzverwalter 25 v.H. der Vergütung des endgültigen Insolvenzverwalters zuzubilligen (BGH, Beschl. v. 24. Juni 2003 - IX ZB 453/02, ZIP 2003, 1759 ; v. 17. Juli 2003 - IX ZB 10/03, ZIP 2003, 1612 ; v. 8. Juli 2004 - IX ZB 589/02, ZIP 2004, 1555 , 1557).

Hat das Insolvenzgericht angeordnet, daß Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind, rechtfertigt dies bei der gesonderten Festsetzung der Vergütung des vorläufigen Verwalters keinen generellen Zuschlag auf den Ausgangssatz von 25 % (BGH, Beschl. v. 17. Juli 2003 aaO., v. 8. Juli 2004 aaO.).

Von diesem Ausgangssatz von 25 % sind sodann je nach der konkreten Art und Weise, wie der schwache vorläufige Insolvenzverwalter von seinen Befugnissen Gebrauch gemacht hat, Zu- und Abschläge in der Form vorzunehmen, daß sie unmittelbar gemäß § 3 InsVV den für den vorläufigen Insolvenzverwalter maßgebenden Bruchteil verringern oder erhöhen (BGH, Beschl. v. 18. Dezember 2003 - IX ZB 50/03, ZIP 2004, 518 ; v. 8. Juli 2004 - IX ZB 589/02 aaO.). Das Leistungsbild der entfalteten Verwaltertätigkeit muß dabei im Einzelfall gewürdigt und eine leistungsangemessene Vergütung (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 , § 63 InsO ) festgesetzt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 17. Juli 2003 - IX ZB 10/03 aaO.).

Das Insolvenzgericht, das bislang einen Bruchteil des Vergütungssatzes von 35 % zugrunde gelegt hat, ist nach der Zurückverweisung nicht gehindert, entsprechend den genannten Vorgaben zu verfahren; das Verbot der Schlechterstellung bezieht sich nur auf die Gesamthöhe der zuzuerkennenden Vergütung (vgl. BGH, Beschl. v. 6. Mai 2004 - IX ZB 349/02, ZIP 2004, 1214 , 1215, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen; Beschl. v. 24. Mai 2005 - IX ZB 6/03 z.V.b.).

4. Die Zurückverweisung erfolgt an das Insolvenzgericht, weil schon dieses die Vergütung entsprechend hätte festsetzen und den aufgeworfenen Fragen hätte nachgehen müssen (BGH, Beschl. v. 29. April 2004 - IX ZB 225/03, ZIP 2004, 1653 , 1655) und weil auch das Beschwerdegericht ihm die Neufestsetzung der Vergütung vernünftigerweise übertragen hätte (BGH, Beschl. v. 22. Juli 2004 - IX ZB 161/03, ZIP 2004, 1717 , 1721).

Hinweise:

Anmerkung Thorsten Graeber DZWIR 2005, 514

Vorinstanz: LG Hamburg, vom 03.11.2003
Vorinstanz: AG Hamburg, vom 29.07.2003
Fundstellen
BB 2005, 1760
BGHReport 2005, 1422
DB 2005, 2297
DZWIR 2005, 514
InVo 2005, 482
MDR 2005, 1435
NZI 2005, 627
Rpfleger 2005, 624
WM 2005, 1760
ZIP 2005, 1372
ZIV 2005, 441
ZInsO 2005, 804