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BGH - Entscheidung vom 18.02.2005

2 StR 410/04

Normen:
StGB § 21

BGH, Beschluß vom 18.02.2005 - Aktenzeichen 2 StR 410/04

DRsp Nr. 2005/4316

Schuldfähigkeit bei Vorliegen eines Affekts und einer Alkoholisierung

Liegen mehrere Faktoren (hier: Affekt und Alkoholisierung) vor, die jeweils für sich betrachtet nicht zu einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit führen, ist eine Gesamtwürdigung geboten, weil diese Faktoren im Zusammenhang eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB bewirken können.

Normenkette:

StGB § 21 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags, Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Nötigung, sowie wegen Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechtes rügt. Sein Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

1. Auf Antrag des Generalbundesanwalts hat der Senat das Verfahren gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1 , Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt, soweit der Angeklagte wegen Bedrohung zum Nachteil der Natascha M. (Tat vom 12. Juni 2003) verurteilt worden ist. Zu den vom Generalbundesanwalt aufgezeigten Bedenken kommt hier hinzu, daß nach den von der Kammer für glaubhaft erachteten Angaben der Zeugin in der Hauptverhandlung (UA S. 32), eine Äußerung des Angeklagten dahingehend "wenn Du nicht redest, fahre ich uns vor einen Baum", letztlich nicht gefallen, aber gleichwohl alternativ auf UA S. 11 festgestellt ist.

2. Der gesamte Strafausspruch war aufzuheben.

Die Gesamtstrafe war schon wegen der vorgenommenen Teileinstellung aufzuheben. Darüber hinausgehend hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:

"Die Erwägungen, mit denen das Schwurgericht eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten im Sinne von § 21 StGB beim Totschlag verneint, halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Sachverständige und auch das Schwurgericht haben die in Betracht kommenden Eingangsmerkmale des § 20 StGB jeweils isoliert betrachtet und abgehandelt. Sie haben es verabsäumt, den beteiligten Affekt bzw. den unbeherrschten Gefühlsausbruch zusammen mit der Alkoholisierung des Angeklagten und seinem damaligen psychischen Zustand in einer Gesamtbetrachtung zu würdigen. Eine solche Gesamtwürdigung war geboten, weil diese Faktoren im Zusammenhang hier eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB bewirkt haben können (vgl. BGHR StGB § 21 Ursachen, mehrere 3).

Es ist nicht auszuschließen, dass die in einer neuen Hauptverhandlung zum Gesundheitszustand des Angeklagten zu treffenden Feststellungen auch zu einer veränderten Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten bei der Tat vom 16. Juni 2003 (Körperverletzung und Nötigung) führen. Deshalb sind auch insoweit die Einzelstrafaussprüche aufzuheben."

Dem kann sich der Senat nicht verschließen, zumal der Tatrichter weder im einzelnen mitteilt, welche genauen Ursachen der mehrfache Aufenthalt des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus kurz vor den Taten hatte noch wie sich die Sachverständige Dr. J. hierzu geäußert hat.

Die Aufhebung der Einzelstrafe wegen Totschlags zieht hier ohnehin die Aufhebung auch der beiden anderen Einzelstrafen nach sich, weil sich nicht ausschließen läßt, daß diese von der Höhe der Einsatzstrafe berührt sind, zumal da sich die Taten gegen dasselbe Tatopfer richteten.

Vorinstanz: LG Aachen, vom 07.04.2004