BGH, Beschluß vom 01.06.2005 - Aktenzeichen 1 StR 160/05
Beweiswürdigung aufgrund nicht eingeführter Beweismittel
Ein Urteil kann auch dann auf nicht in die Hauptverhandlung eingeführten Beweismitteln beruhen, wenn der Angeklagte geständig war, die nicht in die Hauptverhandlung eingeführten Beweismittel in der Beweiswürdigung als wesentlich angesehen wurden.
Gründe:
Das Landgericht verurteilte den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Rüge der Verletzung des § 261 StPO Erfolg. Die Beweiswürdigung stützt sich maßgeblich auf Beweismittel, die nicht Inbegriff der Hauptverhandlung waren.
Der Schuldspruch basiert nach den schriftlichen Urteilsgründen u.a. auf der "Inaugenscheinnahme der Tatortfotos (Bl. 128 f. d.A.)" (UA S. 9). "Die Feststellungen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten beruhen auf dem Gutachten des Sachverständigen Dr. O., ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses S.. Der Sachverständige hat den Angeklagten persönlich exploriert und untersucht. Seine Untersuchungsergebnisse hat er in der Hauptverhandlung ohne erkennbare Widersprüche oder Fehler vorgetragen. Es bestand kein Anlaß, dem Sachverständigen nicht zu folgen" (UA S. 10).
Tatsächlich waren die Tatortfotos nicht Gegenstand der Beweisaufnahme. Auf deren Inaugenscheinnahme wurde ausweislich der Sitzungsniederschrift ausdrücklich verzichtet. Zum Zwecke der Vernehmungshilfe vorgehalten worden sein konnten die Aufnahmen nach dem Verhandlungsablauf - Zeugen wurden nicht gehört, zum eigentlichen Tatgeschehen ließ sich der Angeklagte nur pauschal ein - nicht. Der Sachverständige Dr. O. nahm an der Hauptverhandlung überhaupt nicht teil. Er war einen Tag zuvor abgeladen worden.
Der Senat vermag nicht auszuschließen, daß das Urteil auf diesen Verfahrensfehlern, auf der Bewertung der nicht erhobenen Beweise beruht, wenn auch der "umfassend" geständige Angeklagte "das Kerngeschehen ... durch seinen Anwalt als zutreffend im Sinne des Anklagevorwurfs eingeräumt" hat (UA S. 9), ausweislich der Sitzungsniederschrift (Bl. 361) im Verlauf der Hauptverhandlung aus der Zusammenfassung des vorbereitenden schriftlichen Gutachtens von Dr. O. vom 25. April 2004 festgestellt wurde, daß die Voraussetzungen der §§ 20, 21, 63 nicht vorlägen und der Rechtsfolgenausspruch dem Antrag des damaligen Verteidigers entsprach. Daß die Strafkammer trotz der einschlägigen Vorstrafen § 66 StGB nicht erörterte, beschwert den Angeklagten nicht.