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BGH - Entscheidung vom 12.02.2015

V ZB 75/13

Normen:
ZPO § 238 Abs. 2 S. 1
ZPO § 522 Abs. 1 S. 4

Fundstellen:
NJW-RR 2015, 1196

BGH, Beschluss vom 12.02.2015 - Aktenzeichen V ZB 75/13

DRsp Nr. 2015/5398

Nachweis eines unverschuldeten Versäumens der Berufungsbegründungsfrist

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 15. April 2013 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 66.376,46 €.

Normenkette:

ZPO § 238 Abs. 2 S. 1; ZPO § 522 Abs. 1 S. 4;

Gründe

I.

Mit dem Kläger am 23. November 2012 zugestellten Urteil wies das Landgericht dessen Schadensersatzklage ab. Die Frist zur Begründung der am 7. Dezember 2012 eingelegten Berufung wurde bis zum 25. Februar 2013 verlängert. An diesem Tag übermittelte die Prozessbevollmächtigte des Klägers gegen Mitternacht die dreiseitige Berufungsbegründung per Telefax an das Oberlandesgericht, die dort am 26. Februar 2013 um 0:01 Uhr einging.

Nach einem Hinweis des Oberlandesgerichts hat der Kläger (hilfsweise) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und insoweit vorgetragen, dass die Berufungsbegründung erst deshalb kurz vor Mitternacht auf den Weg habe gebracht werden können, weil es in der Kanzlei seiner Prozessbevollmächtigten Probleme mit der EDV-Anlage gegeben und sich dadurch die Fertigstellung des Schriftsatzes verzögert habe.

Das Oberlandesgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt.

II.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Berufungsbegründungsfrist sei nicht unverschuldet versäumt worden. Eine laufende Frist dürfe nur in dem Umfang ausgeschöpft werden, dass die bis zum Fristablauf verbleibende Zeit noch ausreiche, um den Schriftsatz zu übermitteln. Dabei müsse der Prozessbevollmächtigte Verzögerungen und Störungen einkalkulieren, die bei dem gewählten Übertragungsweg üblicherweise auftreten könnten. Dem habe die Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht Rechnung getragen. Sie habe die Übermittlung erstmals am 25. Februar 2013 um 23:55 Uhr versucht, was wegen offensichtlich zu diesem Zeitpunkt noch eingehender anderer Schriftsätze nicht erfolgreich gewesen sei. Der Übertragungsvorgang habe daher erst ab 23:59 Uhr begonnen. Mit einer Belegung des Empfangsgerätes bei dem Oberlandesgericht habe die Prozessbevollmächtigte rechnen müssen. Auch die vorgetragenen technischen Schwierigkeiten mit der von ihr eingesetzten EDVAnlage entlasteten den Kläger nicht. Zwar könne eine technische Störung, die die fristgerechte Herstellung eines Schriftsatzes verhindere, einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen, wenn diese unvorhersehbar und unvermeidbar gewesen sei. Allerdings seien dafür die Art des Defekts und seine Behebung darzulegen, woran es vorliegend fehle.

III.

1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ). Das Berufungsgericht hat gegen den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG ) verstoßen. Es war - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt - nach § 139 Abs. 1 ZPO verpflichtet, den Kläger auf die Notwendigkeit ergänzenden Vortrags zu der technischen Störung der EDV-Anlage seiner Prozessbevollmächtigten hinzuweisen. Veranlassung zu einem solchen Hinweis besteht, wenn der Vortrag in dem Wiedereinsetzungsantrag in einem wesentlichen Punkt unklar oder ersichtlich unvollständig ist (Senat, Beschluss vom 30. September 2010 - V ZB 173/10, [...] Rn. 7; BGH, Beschluss vom 9. Februar 2010 - XI ZB 34/09, MDR 2010, 648, 649 jeweils mwN).

So lag es hier. Der Kläger hat die beantragte Wiedereinsetzung damit begründet, dass das verwandte Spracherkennungssystem zu zahlreichen Fehlern im Text der Berufungsbegründung geführt habe. Seine Prozessbevollmächtigte habe diese zunächst am PC ihres Arbeitsplatzes korrigiert und die entsprechende Datei an den Arbeitsplatz ihres an diesem Abend bei ihr tätigen Bruders zur Endkorrektur versandt. Bei der Speicherung des Textes sei es erneut zu Fehlern im gesamten Text gekommen, "vielleicht wegen eines Bedienungsfehlers, vielleicht auch, weil die EDV-Anlage nicht 100-prozentig" gearbeitet habe. Hierdurch habe sich die Fertigstellung des Schriftsatzes um insgesamt rund 15 Minuten verzögert. Der Kläger hat damit die Art der Störung, ihre konkreten Auswirkungen wie auch die zeitlichen Abläufe beschrieben (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Mai 2004 - II ZB 22/03, NJW 2004, 2525 , 2526). Unklar wurde der Vortrag des Klägers allerdings deshalb, weil auch ein Bedienungsfehler der Prozessbevollmächtigten als Ursache der Störung für möglich erachtet wurde. Wäre dieser verschuldet gewesen, hätte eine Wiedereinsetzung nicht gewährt werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2006 - XI ZB 45/04, NJW 2006, 2637 Rn. 10). Dass ein schuldhafter Bedienungsfehler vorlag, konnte das Berufungsgericht andererseits nicht unterstellen, denn das Wiedereinsetzungsgesuch ließ insoweit weder Besonderheiten bei den Bedienungsabläufen erkennen noch nach Art der Störung den zwingenden Schluss auf einen verschuldeten Bedienungsfehler zu. Das Berufungsgericht wäre daher nach § 139 Abs. 1 ZPO gehalten gewesen, dem Kläger unter Erteilung eines entsprechenden Hinweises Gelegenheit zu einer Konkretisierung seines Vorbringens zu geben.

2. In der Sache bleibt das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis die Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist zu Recht versagt. Der Kläger hat ein ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten nicht ausgeräumt.

a) Rechtsfehlerfrei weist das Berufungsgericht im Ausgangspunkt darauf hin, dass der Nutzer mit der Wahl einer Telefaxübertragung bei ordnungsgemäßer Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan hat, wenn er so rechtzeitig mit der Übertragung beginnt, dass unter normalen Umständen mit deren Abschluss vor 24 Uhr zu rechnen ist. Dabei hat der Absender die Belegung des Empfangsgeräts des Gerichts in Rechnung zu stellen und eine gewisse Zeitreserve einzuplanen, um gegebenenfalls durch Wiederholung der Übermittlungsvorgänge einen Zugang des zu übermittelnden Schriftsatzes bis zum Fristablauf zu gewährleisten (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 6. April 2011 - XII ZB 701/10, NJW 2011, 1972 Rn. 9 f. mwN). Diesen Sorgfaltsanforderungen ist die Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht nachgekommen. Das Berufungsgericht nimmt zu Recht an, dass der von dem Kläger vorgetragene erste Übermittlungsversuch um 23:55 Uhr diesen Anforderungen nicht genügt. Auch bei einer bloß dreiseitigen Berufungsbegründung kann angesichts der Möglichkeit, dass das Empfangsgerät belegt ist, bei einer Zeitreserve von nur fünf Minuten nicht davon ausgegangen werden, dass der rechtzeitige Zugang gewährleistet ist.

b) Die von dem Kläger angeführte, durch die Funktionsstörung der EDVAnlage bedingte zeitliche Verzögerung der Fertigstellung der Berufungsbegründung, die sich nach dem Inhalt der im Rahmen der Rechtsbeschwerde vorgelegten eidesstattlichen Versicherung auf 15 bis 20 Minuten belaufen haben soll, ist nicht geeignet, einen Wiedereinsetzungsgrund zu tragen.

Zwar stellen nicht vorhersehbare und nicht vermeidbare Störungen einer EDV-Anlage einen Wiedereinsetzungsgrund dar, wenn sie das rechtzeitige Erstellen oder Absenden eines Schriftsatzes verhindern (BGH, Beschluss vom 9. Mai 2006 - XI ZB 45/04, NJW 2006, 2637 Rn. 9; OLG Celle, NJW-RR 2003, 1439 , 1440; Hk-ZPO/Saenger, ZPO , 6. Aufl., § 233 Rn. 30; PG/Milger, ZPO , 6. Aufl., § 233 Rn. 63; Zöller/Greger, ZPO , 30. Aufl., § 233 Rn. 23 unter "Technische Störung"). Auch unter Berücksichtigung des neuen Vorbringens im Rahmen der Rechtsbeschwerde, also des Vorbringens, das auf den gebotenen Hinweis nach § 139 ZPO gehalten worden wäre, ist ein dem Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden seiner Prozessbevollmächtigen aber insoweit nicht ausgeräumt. Er trägt vor, dass seine Prozessbevollmächtigte am 25. Februar 2013 mehrere Schriftsatzfristen in schwierigen Verfahren mit zeitaufwendiger Vorbereitung zu wahren gehabt habe. Bereits am späten Nachmittag seien Probleme mit der Spracherkennung aufgetreten, so dass sie an diesem Tag ihre Schriftsätze mindestens drei- bis fünfmal habe korrigieren und überarbeiten müssen. Ist die technische Störung an diesem Tage somit nicht erst bei der Fertigstellung der streitgegenständlichen Berufungsbegründung aufgetreten, sondern bereits geraume Zeit zuvor, traf die Prozessbevollmächtigte des Klägers die Pflicht, auch den Zeitaufwand für die Korrektur der Berufungsbegründung oder für deren Erstellung auf anderem Wege zu berücksichtigen, um gleichwohl deren rechtzeitige Versendung per Telefax sicherzustellen. Dass ihr dies nicht möglich gewesen wäre, lässt sich dem Vortrag des Klägers nicht entnehmen.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO .

Vorinstanz: LG Trier, vom 20.11.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 11 O 8/11
Vorinstanz: OLG Koblenz, vom 15.04.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 12 U 1437/12
Fundstellen
NJW-RR 2015, 1196