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BGH - Entscheidung vom 30.11.2011

XII ZB 79/11

Normen:
VersAusglG §§ 1, 14 Abs. 2 Nr. 2, 17, 18 Abs. 2, 3
VersAusglG § 18 Abs. 2

Fundstellen:
FamRZ 2012, 189
FuR 2012, 140
MDR 2012, 226

BGH, Beschluss vom 30.11.2011 - Aktenzeichen XII ZB 79/11

DRsp Nr. 2011/22453

Gesonderte Behandlung aller Bausteine wie einzelner Anrechte bei Zusammensetzung einer betrieblichen Altersversorgung aus verschiedenen Bausteinen mit unterschiedlichen wertbildenden Faktoren

a) Setzt sich eine betriebliche Altersversorgung aus verschiedenen Bausteinen mit unterschiedlichen wertbildenden Faktoren zusammen (hier: Volkswagen AG), ist jeder Baustein im Versorgungsausgleich wie ein einzelnes Anrecht gesondert zu behandeln und auszugleichen.b) Die Regelung des § 18 Abs. 2 VersAusglG soll einen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand des Versorgungsträgers durch die Teilung und Aufnahme eines neuen Anwärters ersparen, wenn der geringe Ausgleichswert des Anrechts diesen Aufwand nicht lohnt. Kann die mit der Regelung des § 18 Abs. 2 VersAusglG bezweckte Verwaltungsvereinfachung nicht in einem den Ausschluss des Ausgleichs rechtfertigenden Maße erreicht werden, gebührt dem Halbteilungsgrundsatz der Vorrang.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Familiensenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 14. Februar 2011 wird auf Kosten der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.

Verfahrenswert: 1.000 €.

Normenkette:

VersAusglG § 18 Abs. 2 ;

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über den Versorgungsausgleich.

Das Familiengericht hat die Ehe der Beteiligten durch Beschluss vom 26. Juli 2010 - insoweit rechtskräftig - geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt.

Beide Ehegatten erwarben während der Ehezeit (1. Juni 1999 bis 31. Oktober 2009; § 3 Abs. 1 VersAusglG ) Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung, die Ehefrau darüber hinaus Anrechte aus einer privaten Altersversorgung bei einer Lebensversicherung, der Ehemann Anrechte aus einer betrieblichen Altersversorgung bei der Beteiligten zu 1 (Volkswagen AG). Letztere unterteilt sich nach der Versorgungsordnung der Volkswagen AG in eine "Betriebliche Grundversorgung", eine "Beteiligungsrente I" und eine "Beteiligungsrente II".

Das Familiengericht hat den Versorgungsausgleich in der Weise durchgeführt, dass es im Wege der internen Teilung zu Lasten des Anrechts des Ehemanns in der gesetzlichen Rentenversicherung 9,8911 Entgeltpunkte auf das Konto der Ehefrau und zu Lasten des Anrechts der Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung 5,0812 Entgeltpunkte auf das Konto des Ehemanns übertragen hat. Weiter hat es im Wege der externen Teilung bezogen auf den 31. Oktober 2009 zu Lasten der Anwartschaften des Ehemanns bei der Volkswagen AG Anrechte aus der "Betrieblichen Grundversorgung" in Höhe von 12.895,80 €, aus der "Beteiligungsrente I" in Höhe von 2.472,53 € und aus der "Beteiligungsrente II" in Höhe von 3.266,29 € zu Gunsten der Ehefrau auf einem für sie bei der Versorgungsausgleichskasse zu errichtenden Versicherungskonto begründet. Von einem weiteren Ausgleich des durch die Ehefrau mit einem Kapitalwert von 338,75 € erworbenen Anrechts aus einer Lebensversicherung hat das Familiengericht nach § 18 Abs. 2 , 3 VersAusglG abgesehen.

Gegen die Einbeziehung der Beteiligungsrente I in den Versorgungsausgleich hat die Volkswagen AG Beschwerde eingelegt, da es sich hierbei um ein nicht auszugleichendes Anrecht mit einem geringen Ausgleichswert handle (§ 18 Abs. 2 VersAusglG ). Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen; hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Volkswagen AG.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Oberlandesgericht hat seine in FamRZ 2011, 980 (LS) veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet:

Zwar sei der Ausgleichswert der Beteiligungsrente I geringwertig iSd § 18 Abs. 2 , 3 VersAusglG . Die Vorschrift eröffne jedoch ein Ermessen, nach einer Gesamtbetrachtung aller in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften den Schluss zu ziehen, den Versorgungsausgleich trotz Geringfügigkeit des einzelnen Anrechts durchzuführen.

Mit der Ausschlussregelung des § 18 Abs. 2 VersAusglG solle eine Reduzierung unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwandes beim Versorgungsträger vermieden werden. Dem Senat sei bekannt, dass die Rentenbescheide der Volkswagen AG die unterschiedlichen selbständigen Versorgungsbausteine aufführe, es aber nur zu einer einheitlichen Auszahlung komme. Eine Begründung von Kleinstanrechten, die der Gesetzgeber habe verhindern wollen, werde dadurch vermieden, dass letztlich die der Ehefrau zuwachsende Betriebsrente einheitlich aus einer Hand gewährt werde.

In der Regel sei davon auszugehen, dass allein der bei dem Versorgungsträger entstehende Aufwand einer externen Teilung des geringfügigen Anrechts den Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 18 Abs. 2 VersAusglG nicht rechtfertigen könne.

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand. Das Familiengericht hat sämtliche Anrechte des Ehemanns aus der betrieblichen Altersversorgung zutreffend nach §§ 14 Abs. 2 Nr. 2 , 17 VersAusglG - auf Verlangen der Volkswagen AG extern - geteilt. Die Einbeziehung auch der Beteiligungsrente I in den Versorgungsausgleich ist rechtlich nicht zu beanstanden.

a) Zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass die Beteiligungsrente I ein einzelnes, gesondert zu beurteilendes Anrecht darstellt.

Die betriebliche Altersversorgung des Ehemanns bei der Volkswagen AG beruht auf einer Direktzusage und setzt sich aus den drei genannten Bausteinen zusammen. Die Betriebliche Grundversorgung wird allein vom Arbeitgeber zusätzlich zum Arbeitsentgelt finanziert. Die Beteiligungsrente I erwirbt der Arbeitnehmer durch vermögenswirksame Leistungen des Arbeitsgebers; die Beiträge für die Beteiligungsrente II erbringt der Arbeitnehmer durch Entgeltumwandlung auf freiwilliger Basis. Zwar wird im Leistungsfall die aus den einzelnen Bausteinen ermittelte Gesamtrente in einer Summe ausgezahlt. Aus den Unterschieden bei den Finanzierungsverfahren und anderer wertbildender Faktoren der einzelnen Bausteine folgt indessen, dass jeder Baustein wie ein einzelnes Anrecht im Versorgungsausgleich gesondert zu behandeln ist.

b) Das Oberlandesgericht hat weiter zu Recht angenommen, dass der auszugleichende Kapitalwert der Beteiligungsrente I einen geringen Ausgleichswert iSd § 18 Abs. 2 VersAusglG darstellt.

Nach § 18 Abs. 2 VersAusglG soll das Familiengericht einzelne Anrechte mit einem geringen Ausgleichswert nicht ausgleichen. Gering ist ein Ausgleichswert gemäß § 18 Abs. 3 VersAusglG , wenn er am Ende der Ehezeit bei einem Rentenbetrag als maßgeblicher Bezugsgröße höchstens 1 Prozent, in allen anderen Fällen als Kapitalwert höchstens 120 Prozent der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV beträgt.

Die für das Versorgungssystem der Volkswagen AG maßgebliche Bezugsgröße iSd § 5 Abs. 1 VersAusglG ist nach deren Teilungsordnung und gemäß § 45 Abs. 1 VersAusglG i.V.m. § 4 Abs. 5 BetrAVG ein Kapitalwert. Die Volkswagen AG, deren Auskunft inhaltlich von keiner Seite angegriffen ist, hat für die Beteiligungsrente I einen Ausgleichs-Kapitalwert von 2.472,53 € vorgeschlagen. Dieser Wert liegt unter der bei Ehezeitende im Jahr 2009 geltenden Bagatellgrenze von 3.024 € (120 % der monatlichen Bezugsgröße von 2.520 €).

c) Mit seiner Entscheidung, den geringen Ausgleichswert aus der Beteiligungsrente I auszugleichen, hat das Oberlandesgericht das ihm durch § 18 Abs. 2 VersAusglG eingeräumte tatrichterliche Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt.

aa) Durch § 18 Abs. 2 VersAusglG ist bestimmt, dass einzelne Anrechte mit einem geringen Ausgleichswert nicht ausgeglichen werden sollen. Das bedeutet, dass geringwertige Anrechte nur dann auszugleichen sind, wenn nach gerichtlichem Ermessen besondere Gründe hierfür sprechen. Welche konkreten Erwägungen in die Ermessensausübung einzustellen sind, lässt das Gesetz offen.

Nach der Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks. 16/10144 S. 38, 60) will die in § 18 VersAusglG enthaltene Regelung eine Antwort auf solche Fallkonstellationen geben, bei denen die Durchführung des Versorgungsausgleichs unverhältnismäßig und aus Sicht der Parteien nicht vorteilhaft ist. Die Regelung will insbesondere vermeiden, dass dem zuständigen Versorgungsträger durch die Teilung und Aufnahme eines neuen Anwärters - wie es dem gesetzlichen Leitbild der internen Teilung entspricht - ein gemessen am geringen Ausgleichswert unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand entsteht. Nach dem Gesetzeszweck sind daher - ähnlich wie bei der Ermessensprüfung nach dem früheren § 3 c VAHRG aF - die Belange der Verwaltungseffizienz auf Seiten des Versorgungsträgers gegen das Interesse des ausgleichsberechtigten Ehegatten an der Erlangung auch geringfügiger Anrechte abzuwägen (vgl. zu § 3 c VAHRG : Senatsbeschlüsse vom 23. Mai 1990 XII ZB 117/89 - FamRZ 1990, 1097 , 1098 und vom 12. Oktober 1988 IVb ZB 186/87 - FamRZ 1989, 37 , 39).

Bei dieser Abwägung darf der Halbteilungsgrundsatz als Maßstab des Versorgungsausgleichsrechts (§ 1 Abs. 1 VersAusglG ) nicht außer Betracht bleiben; dieser ist bei der Auslegung einzelner Vorschriften und Ermessensentscheidungen des Versorgungsausgleichs stets zu berücksichtigen (BT-Drucks. 16/10144 S. 45). Kann die mit der Regelung des § 18 Abs. 2 VersAusglG bezweckte Verwaltungsvereinfachung nicht in einem den Ausschluss des Ausgleichs rechtfertigenden Maße erreicht werden, gebührt dem Halbteilungsgrundsatz der Vorrang.

bb) Gemessen daran hat das Oberlandesgericht sein Ermessen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Im Rechtsbeschwerdeverfahren unterliegt die Ermessensausübung einer eingeschränkten rechtlichen Kontrolle. Sie kann nur darauf überprüft werden, ob das Oberlandesgericht sein Ermessen ausgeübt oder die Notwendigkeit dazu verkannt hat und ob es die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder davon einen unsachgemäßen, den Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufenden Gebrauch gemacht hat (vgl. Keidel/Meyer-Holz FamFG 17. Aufl. § 72 Rn. 8 mwN).

Im vorliegenden Fall hat das Oberlandesgericht seine Ermessenserwägungen letztlich tragend darauf gestützt, dass ein wesentlicher Teil des vom Gesetzgeber im Blick gehabten Verwaltungsaufwandes von vornherein nicht anfällt, wenn der Versorgungsträger - wie hier - die externe Teilung wählt. Darauf fußend hat das Oberlandesgericht weiter erwogen, dass die Belastung des Versorgungsträgers mit den Kosten einer externen Teilung für sich genommen regelmäßig nicht den Ausschluss eines Ausgleichs wegen Geringwertigkeit nach § 18 Abs. 2 VersAusglG zu rechtfertigen vermag. Gegen diese Erwägungen, mit denen das Oberlandesgericht fallbezogen einer Normzweckverfehlung vorbeugt, ist rechtlich nichts zu erinnern.

Auch wird durch die angeordnete Teilung kein unwirtschaftliches Kleinstanrecht begründet, da sich der Ausgleichsbetrag aus der Beteiligungsrente I zusammen mit anderen Ausgleichsbeträgen auf dem bei der Versorgungsausgleichskasse zu errichtenden Versicherungskonto vereinigt.

Vorinstanz: AG Kassel, vom 26.07.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 511 F 3052/09
Vorinstanz: OLG Frankfurt am Main, vom 14.02.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 2 UF 358/10
Fundstellen
FamRZ 2012, 189
FuR 2012, 140
MDR 2012, 226