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Keine Aufrechnung gegen übergegangene Unterhaltsforderungen

Ein Unterhaltsschuldner ist nicht befugt, gegen die auf einen Sozialleistungsträger übergegangenen Unterhaltsansprüche mit privaten Forderungen gegen den Unterhaltsgläubiger aufzurechnen.

Darum geht es

Der Vater eines nicht ehelich geborenen Kindes zahlte während der ersten drei Lebensjahre des Kindes keinen Betreuungsunterhalt an die Kindesmutter. Die Kindesmutter lebte getrennt von dem Antragsgegner und betreute das Kind allein. In diesem Zeitraum erbrachte das Jobcenter an die Kindesmutter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitslose in einer Gesamthöhe von 11.678 €.

Das Jobcenter verlangte daraufhin vom Kindesvater (Antragsgegner im vorliegenden Verfahren) - aus übergegangenem Recht der Kindesmutter - die Zahlung von Betreuungsunterhalt im Umfang der von ihm erbrachten Leistungen. Dagegen erklärte der Kindesvater gegenüber dem Jobcenter die Aufrechnung mit einer Forderung in Höhe von 12.500 €, die er gegen die Kindesmutter auf Rückzahlung eines vor der Geburt des Kindes gewährten Darlehens geltend macht.

Amtsgericht und Oberlandesgericht haben den Kindesvater antragsgemäß zur Zahlung von 11.678 € an das Jobcenter verpflichtet. Der XII. Zivilsenat hat die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Kindesvaters zurückgewiesen.

Der BGH begründet seine Entscheidung wie folgt

Werden für den Unterhaltsberechtigten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erbracht, geht dessen Unterhaltsanspruch kraft Gesetzes auf den Sozialleistungsträger über.

§ 33 SGB II

(1) Haben Personen, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen, für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, einen Anspruch gegen einen Anderen, der nicht Leistungsträger ist, geht der Anspruch bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf die Träger der Leistungen nach diesem Buch über, wenn bei rechtzeitiger Leistung des Anderen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht erbracht worden wären […]

Nach § 394 BGB ist die Aufrechnung nicht möglich gegen eine Forderung, die unpfändbar ist. Unterhaltsforderungen sind nur bedingt pfändbar, § 850b Abs. 1 Nr. 2 ZPO.

§ 394 BGB

Soweit eine Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist, findet die Aufrechnung gegen die Forderung nicht statt […]

§ 850 b ZPO

(1) Unpfändbar sind ferner […]

2. Unterhaltsrenten, die auf gesetzlicher Vorschrift beruhen, sowie die wegen Entziehung einer solchen Forderung zu entrichtenden Renten […]

(2) Diese Bezüge können nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften gepfändet werden, wenn die Vollstreckung in das sonstige bewegliche Vermögen des Schuldners zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers nicht geführt hat oder voraussichtlich nicht führen wird und wenn nach den Umständen des Falles, insbesondere nach der Art des beizutreibenden Anspruchs und der Höhe der Bezüge, die Pfändung der Billigkeit entspricht.

Aufrechnungsverbot schützt auch die Sozialsysteme

Das gesetzliche Verbot, gegen Unterhaltsansprüche mit privaten Forderungen aufzurechnen, knüpft zwar an den zivilprozessualen Pfändungsschutz nach § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO an, den ein Sozialleistungsträger - anders als der Unterhaltsberechtigte - nicht benötigt. Durch das Aufrechnungsverbot sollen aber nicht nur die wirtschaftlichen Lebensgrundlagen des Unterhaltsberechtigten, sondern auch die Sozialsysteme geschützt werden, die beim Wegfall dieser Lebensgrundlagen für das Existenzminimum des Unterhaltsberechtigten einzustehen hätten.

Könnten sich die Träger der Grundsicherung nicht auf das Aufrechnungsverbot berufen, stünde es dem Unterhaltsverpflichteten frei, den Unterhaltsberechtigten durch Zahlungsverweigerung zur Inanspruchnahme von Sozialleistungen zu zwingen, um anschließend durch Aufrechnung private Forderungen gegen den Unterhaltsberechtigten zu Lasten der Allgemeinheit beizutreiben. Dies widerspricht auch dem Grundsatz des Nachrangs von Sozialleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

BGH, Beschl. v. 08.05.2013 –XII ZB 192/11

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