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Bemessung des Altersvorsorgevermögens beim Elternunterhalt

Der Wert einer selbst genutzten Immobilie bleibt bei der Bemessung des Altersvorsorgevermögens eines auf Elternunterhalt in Anspruch genommenen Unterhaltspflichtigen grundsätzlich unberücksichtigt. Sonstiges Vermögen in einer Höhe, wie sie sich aus der Anlage von 5 % des Jahresbruttoeinkommens ergibt, braucht vor dem Bezug der Altersversorgung regelmäßig nicht zur Zahlung von Elternunterhalt eingesetzt zu werden.

Darum geht es

Wird ein unterhaltspflichtiges Kind auf Zahlung von Elternunterhalt in Anspruch genommen, geht es häufig nicht nur um seine regelmäßigen Einkünfte, sondern auch um die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang es eigenes Vermögen – wie etwa selbst genutztes Wohneigentum oder zur eigenen Altersversorge angespartes Kapital – zur Erfüllung der Unterhaltsansprüche einsetzen muss.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Ein Unterhaltspflichtiger muss grundsätzlich auch den Stamm seines Vermögens zur Bestreitung des Unterhalts einsetzen. Nach § 1603 Abs. 1 BGB ist nur derjenige nicht unterhaltspflichtig, der bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Hierzu außerstande ist jedoch nicht, wer über verwertbares Vermögen verfügt.

Zum eigenen Unterhalt zählen auch Leistungen für eine angemessene Altersversorgung. Ist dem Schuldner des Anspruchs auf Elternunterhalt aber gestattet, die zur eigenen Alterssicherung notwendigen Beträge zusätzlich zurückzulegen, dann müssen auch die so geschaffenen Vermögenswerte als Alterssicherung dem Zugriff des Unterhaltsgläubigers entzogen bleiben, um den Zweck der Alterssicherung erreichen zu können, soweit sie hierfür tatsächlich erforderlich sind.

Beim Elternunterhalt können die Kosten einer zusätzlichen Altersversorgung bis zu einer Höhe von 5 % des Jahresbruttoeinkommens als abzugsfähig anerkannt werden. Der BGH akzeptiert einen Anlagezeitraum bereits mit Beginn der Erwerbstätigkeit des unterhaltspflichtigen Kindes, also nicht erst mit der gesetzlichen Förderung der privaten Altersversorgung im Jahr 2001.

Die vom OLG zugrunde gelegte jährliche Kapitalverzinsung von lediglich 3 % akzeptiert der BGH aber nicht, sondern hält nach wie vor eine Rendite von 4 % für gerechtfertigt.

Für die Praxis von besonderer Bedeutung sind die Klarstellungen des BGH zum Zeitpunkt des Vermögenseinsatzes. Soweit weiteres Vermögen der zusätzlichen Altersversorgung dienen soll, tritt der Verwendungszweck erst mit Beginn des Rentenbezugs ein. Das Altersvorsorgevermögen soll dann zur Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards genutzt werden. Wenn und soweit es hierfür nicht benötigt wird, steht es für Unterhaltszwecke zur Verfügung.

In welchem Umfang dies der Fall ist, lässt sich mit hinreichender Sicherheit allerdings erst beurteilen, wenn der Unterhaltspflichtige Einkünfte aus seiner Altersversorgung bezieht. Bis zu diesem Zeitpunkt ist sowohl die Entwicklung der Alterseinkünfte als auch der dem Unterhaltspflichtigen dann zuzubilligende Selbstbehalt ungewiss. Deshalb braucht er Vermögen in der Höhe, die sich aus der Anlage der ihm zuzugestehenden zusätzlichen Altersversorgung ergibt, bis dahin nicht für Unterhaltszwecke einzusetzen.

Insofern unterscheidet sich dieser Fall von BGH, Urt. v. 21.11.2012 (XII ZR 150/10, DRsp-Nr. 2012/23634), in dem der Unterhaltspflichtige bereits Rente bezog, weswegen der BGH eine Verwertungspflicht bejaht hat.

Der BGH verweist vorliegend außerdem darauf, dass der Unterhaltspflichtige im konkreten Fall bei Fortzahlung der in den letzten fünf Jahren durchschnittlich geleisteten Rentenbeiträge bei Erreichen der Regelaltersgrenze im Jahr 2021 mit einer Rente von 1.320,90 € (ohne Rentenanpassungen) rechnen kann. Dann wird er auf den Wohnvorteil angewiesen sein, um überhaupt den derzeit maßgeblichen Selbstbehalt von 1.600 € zu erreichen. Deshalb braucht er ein Altersvorsorgevermögen, das der Anlage von 5 % seines Jahresbruttoeinkommens, bezogen auf seine gesamte Erwerbstätigkeit bis zur Inanspruchnahme auf Elternunterhalt, entspricht, nicht für Unterhaltszwecke einzusetzen.

Folgerungen aus der Entscheidung

Bei der Prüfung, ob angespartes Altersvorsorgevermögen für den Elternunterhalt einzusetzen ist, ist folgendermaßen vorzugehen:

  • Zunächst muss errechnet werden, wie hoch der unterhaltsrechtlich maximal anzuerkennende Betrag des Altersvorsorgevermögens ist.
  • Dann muss dieser Betrag dem tatsächlich vorhandenen Vermögen gegenübergestellt werden.
    • Der Anteil des tatsächlich vorhandenen Vermögens, der über dem Maximalbetrag liegt, muss i.d.R. für den Elternunterhalt eingesetzt werden.
    • Bei dem unter dem Maximalbetrag liegenden Vermögen ist weiter zu differenzieren:
      • Solange das unterhaltspflichtige Kind noch keine Einkünfte aus seiner Altersversorgung bezieht, braucht es – in zulässiger Höhe – angespartes Vermögen bis dahin nicht für Unterhaltszwecke einzusetzen.
      • Bezieht es bereits Altersrente, braucht ihm das zum Zweck der Alterssicherung angesparte Kapital nicht dauerhaft zu verbleiben. Vielmehr muss es das Kapital bei Erreichen der Regelaltersgrenze seinem bestimmungsgemäßen Zweck entsprechend sukzessive verbrauchen. Geschützt wird also nur ein bestimmtes unantastbares Vermögen, das zur eigenen Absicherung im Alter voraussichtlich erforderlich ist.

Praxishinweis

Für die Praxis sind diese Klarstellungen des BGH von erheblicher Bedeutung.

Zum einen ist das in zulässiger Höhe angesparte Altersvorsorgevermögen i.d.R. bis zum Eintritt des Unterhaltspflichtigen ins Rentenalter vor dem Zugriff durch den unterhaltsberechtigten Elternteil – und ggf. den Sozialhilfeträger – geschützt. Wenn der Unterhaltspflichtige das Rentenalter erreicht hat, ist der unterhaltsberechtigte Elternteil aber wahrscheinlich bereits verstorben.

Zum anderen dürfte in vielen Fällen auch nach dem Eintritt des Unterhaltspflichtigen ins Rentenalter ein Zugriff auf das angesparte Altersvorsorgevermögen bereits deshalb ausgeschlossen sein, weil der Unterhaltspflichtige diese Beträge selbst dringend benötigt, um seine eigene – zu geringe – Rente aufzustocken. Denn sein eigener Selbstbehalt – und zusätzlich der seines Ehegatten – müssen vorrangig gewährleistet werden. Daher ist oft absehbar, dass eine Unterhaltspflicht auch in Zukunft ausscheiden wird.

Weiter zum Volltext: BGH, Beschl. v. 07.08.2013 – XII ZB 269/12, DRsp-Nr. 2013/19555

Lesen Sie hierzu auch: Muster: Antrag auf Zahlung von Elternunterhalt