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Auch Taschengeld der Eheleute ist für den Elternunterhalt einzusetzen

Das Taschengeld eines Ehegatten ist für den Elternunterhalt einzusetzen, soweit es den Mindestselbstbehalt des Unterhaltspflichtigen übersteigt. Von dem über den Selbstbetrag hinausgehenden Taschengeld darf der Unterhaltspflichtige außerdem die Hälfte behalten.

Darum geht es

Das Sozialamt verlangt von einer Tochter die Zahlung von Elternunterhalt für ihre pflegebedürftige Mutter aus übergegangenem Recht. Die Tochter ist nicht erwerbstätig, aber das Sozialamt vertritt die Ansicht, dass sie gleichwohl leistungsfähig sei. Begründung: Sie habe einen Taschengeldanspruch gegen ihren Ehemann und und könne mietfrei in der gemeinsamen Eigentumswohnung wohnen.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der Vorteil mietfreien Wohnens ist zwar beim Elternunterhalt in Höhe der angemessenen ersparten Miete zu bewerten, jedoch stehen der beklagten Tochter hieraus keine Mittel zur Verfügung. Sie erhält schließlich keine Nutzungsentschädigung von ihrem Ehemann. Sie kann nur Familienunterhalt nach §§ 1360, 1360a BGB verlangen, der im vorliegenden Fall aufgrund des bestehenden Miteigentums keine Wohnkosten, sondern nur die Nebenkosten umfasst und im Übrigen nicht auf Gewährung einer Geldrente gerichtet ist.

Taschengeld ist unterhaltspflichtiges Einkommen

Auch das Taschengeld eines Ehegatten ist grundsätzlich unterhaltspflichtiges Einkommen und deshalb für Unterhaltszwecke einzusetzen, soweit der Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen gewahrt bleibt. Das gilt auch bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt.

Berechnung des Taschengeldanspruchs

Das Taschengeld richtet sich hinsichtlich seiner Höhe nach den bestehenden Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten. In der Rechtsprechung wird üblicherweise eine Quote von 5–7 % des zur Verfügung stehenden Nettoeinkommens angenommen. Der Berechnung ist der Anspruch auf Familienunterhalt zugrunde zu legen, der im Fall der Konkurrenz mit anderen Unterhaltsansprüchen auf die einzelnen Familienmitglieder aufzuteilen und in Geldbeträgen zu veranschlagen ist.

Uneingeschränkte Geltung des Halbteilungsgrundsatzes

Der BGH betont erneut, dass bei der Bemessung des Familienunterhalts kein Erwerbstätigenbonus abgezogen werden darf. Eine zusätzliche Altersvorsorge des Unterhaltspflichtigen wird als einkommensmindernd anerkannt. Soweit Einkommensteile der Vermögensbildung vorbehalten bleiben, dienen sie nicht mehr der Befriedigung der laufenden Lebensbedürfnisse und sind damit grundsätzlich der Unterhaltsbemessung entzogen. Im vorliegenden Fall spart der Ehemann monatlich 400 €. Unter Anlegung eines objektiven Maßstabs war es ihm während der bestehenden Ehe aber nicht verwehrt, mehr als 5 % seines Jahresnettoeinkommens zu sparen.

Abzug von Vorsorgeaufwendungen

Bei einem bereinigten Nettoeinkommen (einschließlich Kapitaleinkünften) von über 3.000 € monatlich und unter Berücksichtigung mietfreien Wohnens entspricht dies einer Sparquote, die auch nach objektiven Maßstäben nicht zu beanstanden ist. Eine nach den Verhältnissen zu dürftige Lebensführung tritt dadurch jedenfalls nicht ein. Folglich haben diese Mittel für die Unterhaltsbemessung außer Betracht zu bleiben. Den Abzug für die zusätzliche Altersvorsorge akzeptiert der BGH jedoch nicht, da der Ehemann nicht der Mutter der Beklagten unterhaltspflichtig ist, sondern seiner Ehefrau im Rahmen des Familienunterhalts.

Das OLG hat unzutreffend das Taschengeld dem Familienunterhalt hinzugerechnet, das als Bestandteil des Familienunterhalts darin aber bereits enthalten ist.

Höherer Selbstbehalt beim Elternunterhalt

Jedem Unterhaltspflichtigen sollen grundsätzlich die Mittel verbleiben, die er zur Deckung des seiner Lebensstellung entsprechenden allgemeinen Bedarfs benötigt. Dieser Betrag ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung der besonderen Lebensverhältnisse, die bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt vorliegen, zu ermitteln. Von dem den Freibetrag übersteigenden Einkommen ist den Kindern gegenüber ihren Eltern ein weiterer Anteil zusätzlich zu belassen. Bei der Ermittlung des für den Elternunterhalt einzusetzenden Einkommens kann allein auf einen – etwa hälftigen – Anteil des Betrags abgestellt werden, der den an sich vorgesehenen Mindestselbstbehalt übersteigt. Damit ist nicht vereinbar, wenn die Beklagte fast in Höhe des gesamten ihren Selbstbehalt übersteigenden Betrags des Einkommens Unterhalt leisten soll.

Die Inanspruchnahme von Taschengeld für den Elternunterhalt unterliegt aber noch weiteren Angemessenheitsvoraussetzungen.

Berechnung des Familienunterhalts

Zwar ist der allgemeine Bedarf der Beklagten durch ihren Familienunterhalt gedeckt. Ihr Ehemann verfügte im Jahr 2007 über ein Einkommen von 3.278 € (Nettoeinkommen: 3.057 € − berufsbedingter Aufwendungen: 150 € − Krankenversicherung: 76 € + Wohnvorteil: 195 € + Kapitaleinkünfte: 252 €). Aus der für den Lebensunterhalt nicht zur Verfügung stehenden Sparrate von 400 € ist kein Familienunterhalt zu zahlen. Demgemäß ist der Bemessung des Familienunterhalts ein Betrag von 2.878 €, für 2008 von 3.073 € zugrunde zu legen. Der Familienunterhalt beläuft sich jeweils auf die Hälfte dieser Beträge.

Mindestselbstbehalt auch bei Taschengeld

Das darin enthaltene Taschengeld braucht jedoch nicht vollständig für den Elternunterhalt eingesetzt zu werden. Da der Selbstbehalt gegenüber der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt in dem maßgeblichen Zeitraum 1.400 € betrug, ist das darin enthaltene Taschengeld in Höhe von 5–7 %, also ein Betrag von 70–98 €, ebenfalls geschütztes Einkommen.

Darüber hinaus nur zur Hälfte

Zudem hat der Unterhaltspflichtige nur etwa die Hälfte des den Mindestselbstbehalt übersteigenden Einkommens für den Elternunterhalt einzusetzen. Dies gilt auch für das Taschengeld. Deshalb muss ihm auch etwa die Hälfte des den Sockelbetrag von 5–7 % des Selbstbehalts übersteigenden Taschengeldes verbleiben. Nur in Höhe des restlichen Betrags kommt eine Verpflichtung zur Zahlung von Elternunterhalt in Betracht.

Praxishinweis

Mehrere Kinder haften gem. § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB als Teilschuldner auf Elternunterhalt (BGH, Urt. v. 17.10.2003 – V ZR 429/02, DRsp-Nr. 2003/14476 = FamRZ 2004, 186). Wird ein Kind in Anspruch genommen, gehört zur schlüssigen Darlegung des Anspruchs daher auch die Begründung der Haftungsquote. Demnach sind im Verfahren auch Angaben zu den finanziellen Verhältnissen der übrigen Kinder erforderlich. Geschwister sind einander zur Auskunft verpflichtet (BGH, Urt. v. 07.05.2003 – XII ZR 229/00, DRsp-Nr. 2003/13088 = FamRZ 2003, 1836).

Zum Umfang des Anspruchs auf Auskunft über die Einkommensverhältnisse des jeweiligen Ehegatten siehe BGH, Urt. v. 02.06.2010 – XII ZR 124/08, DRsp-Nr. 2003/13088 = NJW 2011, 226 und OLG Hamm, Beschl. v. 15.12.2010 – II-5 WF 157/10, DRsp-Nr. 2011/1963 = FamRZ 2011, 1302.

Zur Angemessenheit der Heimkosten beim Elternunterhalt siehe BGH, Urt. v. 21.11.2012, XII ZR 150/10.

>> zum Volltext: BGH, Urt. v. 12.12.2012 – XII ZR 43/11, DRsp Nr. 2013/1392

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